Constantin Film
Johanna Wokalek
Die Tage werden schön
Interview: Johanna Wokalek glaubt an die Liebe
Johanna Wokalek gibt für ihre Rollen alles. Für "Die Päpstin" ließ die Theater- und Filmschauspielerin ihre Haare abschneiden und nahm ab. Nach "Der Baader Meinhof Komplex" begibt sich die 35-Jährige in dem Zukunftsdrama "Die kommenden Tage" erneut auf politisches Terrain. Selbst hält sie nichts von Gewalt. "Kriege sollten nur am Schachbrett geführt werden", so Wokalek. Sie meidet auch Demonstrationen und andere Menschenansammlungen. Ihr ist die Zweisamkeit lieber.
erschienen am 9. 11. 2010
Universal Pictures (UPI)
Die kommenden Tage
Ricore: Wie war Ihre erste Reaktion, nachdem Sie das Drehbuch gelesen haben?

Johanna Wokalek: Ich war gefesselt. Mir hat gefallen, dass Lars mit der Geschichte ein Wagnis einging. Einerseits ist es ein Familienepos, anderseits zeigt das Drama eine Gesellschaft, die sich über zehn Jahre verändert.

Ricore: Wie glaubwürdig finden Sie "Die kommenden Tage"?

Wokalek: Die aufkommenden Fragen halte ich für durchaus glaubwürdig. Es werden Fragen gestellt, wie wir mit den Wirtschaftskriegen, den Ressourcen und unserem Planet Erde umgehen. Wie wollen wir eigentlich leben. Z.B., Laura will unbedingt ein Kind und Familie, dagegen weiß Cecilia nicht, welchen Weg sie gehen soll.

Ricore: Waren Sie mehr vom Thema oder den Figuren gefesselt?

Wokalek: Sowohl vom Thema, als auch der Rolle Cecilias. Ihr stehen alle Möglichkeiten offen. Sie hätte nach China oder Amerika zum Studieren gehen können, da sie finanziell unabhängig ist. Trotzdem ist sie verloren und sieht in ihrem Leben keinen Sinn. Sie fühlt sich nicht wohl in ihrem Körper und hofft etwa mit Hilfe von Schönheitsoperationen, näher zu sich zu finden.

Ricore: Geht es nicht vielen Schauspielerinnen ebenso?

Wokalek: Ich sehe manchmal Fotos von Personen, die etwa über fünfzig Jahre alt sind, aber aussehen, wie fünfunddreißig. Wird denn angenommen, dass der Betrachter so naiv ist und das nicht bemerkt? Auch für denjenigen, der da abgebildet ist, kann dies doch nicht wirklich wünschenswert sein. Sie hat ein Recht, in Würde zu altern.
Majestic
Johanna Wokalek
Ricore: Sind Sie Einzelgänger oder Familienmensch?

Wokalek: Ich glaube an die Liebe und dass es ein Geschenk ist, wenn man das Leben miteinander verbringt. Das Leben zu zweit ist schöner. Zur Schauspielerei gehört allerdings auch manchmal, dass man in einigen Momenten allein ist. Du tauchst als anderer Charakter in eine andere Welt ein, die mit der realen Welt nichts zu tun hat.

Ricore: Macht es Ihnen Spaß nach "Der Baader Meinhof Komplex" wieder eine Terroristin zu spielen?

Wokalek: Die Figur ist nicht wirklich eine Terroristin. Sie gerät in eine Gruppe mit terroristischen Aktivitäten, aber das macht nicht den Charakter Cecilias aus. Der Terrorismus ist für sie eher nebensächlich. Sie verfällt einem Constantin und wird durch ihn in diese terroristische Gruppierung hineingezogen.

Ricore: Sind sie Pazifistin oder glauben Sie, manchmal braucht es Gewalt?

Wokalek: Kriege sollten nur am Schachbrett geführt werden. Gewalt ist nie eine Lösung.

Ricore: Würden Sie auf die Straße zum Demonstrieren gehen?

Wokalek: Ich war bisher nie auf einer Demonstration. Ich fühle mich in Massen nicht wohl. Ich war einmal in einem Fußballstadion. Da habe ich mich auch sehr unwohl gefühlt.
Constantin Film
Johanna Wokalek
Ricore: Hat das etwas mit Ihrer Prominenz zu tun?

Wokalek: Nein, das liegt an den Menschenmassen und der Lautstärke.

Ricore: Denken Sie eher positiv oder negativ?

Wokalek: Ich werde öfters gefragt, wo ich mich in zehn Jahren sehe. Das kann ich nicht beantworten, denn ich will es überhaupt nicht wissen. Das Leben überrascht einen in dieser Hinsicht immer wieder. Man muss es nur zulassen. Vielleich denkt man, dass man einen schönen Punkt in seinem Leben erreicht hat. Dann stellt man fest, dass dem nicht so ist. Alles kann sich schlagartig ändern.

Ricore: Spielen Sie weiter Theater, oder geht die Filmkarriere vor?

Wokalek: Immer abwechselnd. Ab November bin ich wieder in Wien am Theater für den französischen Einakter "Zwischenspiele". Ich glaube, das wird grotesk komisch.

Ricore: Welches ist Ihre Lieblingsrolle?

Wokalek: Es ist jedes Mal ein neues Erlebnis, daher kann ich mich da nicht festlegen.
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Johanna Wokalek
Ricore: Gibt es eine Persönlichkeit, die Sie gerne spielen würden?

Wokalek: Da lass ich mich überraschen. Es gibt eine Menge.

Ricore: Wie erklären Sie sich, dass Schauspielkollegen wie Bruno Ganz nicht mehr Theater spielen wollen?

Wokalek: Diese Entscheidung muss jeder für sich fällen. Es kommt auch darauf an, welchen Menschen man begegnet und mit wem man gerne zusammenarbeiten würde. Vielleicht hat Bruno Ganz derzeit keine Personen beim Theater, die ihn dorthin locken.

Ricore: Welche Momente machen Sie bei der Arbeit glücklich?

Wokalek: Das Spielen. Beim Film ist es der Moment zwischen Bitte und Danke. Beim Theater sind es die Proben, die rund acht Wochen dauern. Wir haben viel Zeit, die Texte zu ergründen und auch neu zu erfinden.

Ricore: Wie unterscheidet sich die Arbeit am Theater und im Film?

Wokalek: Bei einem Dreh bist du freier. Vielleicht sagt der Regisseur, dass ein Take viel besser war, als gedacht. Allerdings passiert nach dem Dreh noch unglaublich viel, wie der Schnitt oder Musik. Du selbst bist nur ein kleiner Baustein. Am Ende bist du entweder angenehm überrascht oder auch nicht. Der Unterschied beim Theater ist, dass ich irgendwann weiß, von was ich ein Teil bin und wohin die Reise geht.
Buena Vista International
Endlich frei...und nun? Die Welt ist ihr so fremd: Leila (Johanna Wokalek)
Ricore: Können Sie sich selbst auf der Leinwand ansehen?

Wokalek: Beim ersten Mal bekomme ich schon mal einen Schweißausbruch. Das emotionale Gedächtnis ist am Anfang noch sehr stark. Ich erinnere mich genau an den Tag und die Situation. Einen objektiven Blick bekomme ich erst viel später.

Ricore: Stört es Sie, dass Leute im Theater Handyfotos und -videos machen und sie später im Internet veröffentlichen?

Wokalek: Ja, es stört mich schon. Einerseits ist es toll, dass das Internet einem die Welt eröffnet und die Möglichkeit bietet, sich mit der Welt zu verbinden. Anderseits wird damit auch etwas Kostbares, Einzigartiges vervielfältigt. Ich glaube nicht, dass so etwas die Menschen glücklicher macht. Aber zum Glück kann man noch ganz gezielt ins Kino gehen. Den Moment in einem dunklen Kino kann keine Handykamera festhalten. Genauso ist es ein besonderes Gefühl, wenn im Theater der Vorhang aufgeht. Selbst auf Partys feiert man oft nicht mehr miteinander. Man fotografiert sich auf der Feier und zeigt sich am nächsten Tag die Bilder. Das ist doch irgendwie schade. Es müsste doch eigentlich um den Moment gehen, der jetzt stattfindet und den man miteinander teilt. Egal ob auf einem Fest, im Theater oder Kino.

Ricore: Wie sehen Ihre kommenden Tage aus?

Wokalek: Schön.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 9. November 2010
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Es ist die Geschichte zweier Schwestern. Cecilia (Johanna Wokalek) ist in Konstantin (August Diehl) verliebt und lässt sich von ihm zum Beitritt in eine terroristische Organisation überreden. Laura (Bernadette Heerwagen) schwankt hingegen zwischen ihrem Wunsch nach einer bürgerlichen Existenz und ihrer großen Liebe Hans (Daniel Brühl). Auf unheilvolle Weise gehen die Paare auseinander, um in anderen Konstellationen zusammenzufinden. Der Science-Fiction erzählt von den gegenwärtigen Problemen..
Johanna Wokalek wirkt schüchtern, schmal und verletzlich. Tatsächlich ist sie eine starke Persönlichkeit. Für einen guten Film ist sie durchaus bereit, ihr Äußeres zu verändern. So nimmt sie während dem Dreh von "Der Baader Meinhof Komplex" stetig ab und lässt sich für "Die Päpstin" eine Tonsur rasieren. Ihr Lebensmittelpunkt ist nach wie vor Wien. In der österreichischen Hauptstadt arbeitet sie als Ensemble-Mitglied am renommierten Burgtheater und spielt unter anderem in Gotthold Ephraim..
2024