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Ralf Westhoff
Regisseur Ralf Westhoff zu "Shoppen"
Interview: Experimente in München
Ralf Westhoffs Spielfilmdebüt hat kaum eine Handlung. Stattliche 18 Hauptcharaktere reden unentwegt miteinander. Trotzdem ist "Shoppen" ein kurzweiliger Film. Wir trafen den Münchner Regisseur und befragten ihn zu seiner Motivation und Risikobereitschaft, eine der ungewöhnlichsten Beziehungskomödien der letzten Jahre zu drehen.
erschienen am 13. 05. 2007
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Shoppen
Ricore: Wie ist die Idee entstanden, einen Film über das Speed-Dating zu drehen?

Ralf Westhoff: Das Speed-Dating liefert ein schöner Rahmen. Ich hatte den Plan, einen Film über die Großstadtgeneration zu machen und war auf der Suche nach etwas Neuem. Dann bin ich auf das Speed-Dating gestoßen und mir war relativ schnell klar, dass das der perfekte Rahmen war, um möglichst viele Großstadtmenschen miteinander sprechen zu lassen. Das Spannende für mich als Autor lag darin, dass ich eine Figur nicht nur mit dem was sie sagt charakterisieren konnte, sondern sie anhand ihrer Reaktionen bei der Begegnung mit anderen Gesprächspartnern charakterisieren konnte.

Ricore: Haben die 18 Figuren aus "Shoppen" reale Vorbilder?

Westhoff: Nein, soweit geht es nicht. Alles ist fiktiv, ausgedacht und niedergeschrieben. Man kommt aber natürlich nicht umhin, aus dem zu schöpfen, was einen umgibt. Man hört also irgendeinen halben Satz und denkt sich, dass das komisch ist. Daraufhin fängt man an zu über die Person nachzudenken: Warum hat sie gerade das gesagt, was hat sie erlebt usw. Das Weitere ist dazu erfunden. Schön wäre es, wenn sich viele trotzdem in einer Reaktion oder einer Eigenart wieder erkennen und über sich selber lachen werden.

Ricore: Die Frauen sind besonders starke Charaktere.

Westhoff: Das hat sich ergeben. Sie sind souveräne, starke Persönlichkeiten, die ordentlich fordern. Als Mann muss man damit erst mal zurecht kommen.

Ricore: Hattest du keine Bedenken, mit 18 Hauptcharakteren und der Fokussierung auf die Dialoge, den Erzählfluss zu bremsen?

Westhoff: Es war mir wichtig, was anderes zu machen. Dafür war ich auch bereit, eine ungewöhnliche Erzählstruktur zu wählen und damit ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen. Das ist das Schöne daran, wenn man, so wie wir, mit kleinen Budgets arbeitet: Man trägt nicht eine Riesenverantwortung und ist auch nicht gezwungen, ausgetretene Pfade zu gehen. "Shoppen" ist ein kleines Experiment und ich bin froh darüber. Ich habe einen Film so gemacht, wie ich ihn gerne im Kino sehen würde und hoffe, dass er anderen auch gefällt.

Ricore: Dialoge bilden den Schwerpunkt von "Shoppen". War am Set Platz für Improvisation?

Westhoff: Der Film konnte nicht durchgehend improvisiert werden. Alles war bereits geschrieben und sollte auch so gespielt werden. Anders kriegst du das Tempo nicht hin und überforderst die Schauspieler. Wenn sich aber etwas aus dem Spiel entwickelt hat, war ich natürlich froh und habe es übernommen.
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Das Ergebnis des Speed-Datings bei Ralf Westhoff...
Ricore: Aus Kostengründen wurde trotz 18 Hauptfiguren und gerade mal 20 Drehtagen meist mit nur einer Kamera gearbeitet. Bist Du während der Dreharbeiten jemals in die Versuchung gekommen aufzugeben?

Westhoff: Nicht während der Drehtage. Es gab nur im Vorfeld ein paar Schwierigkeiten. So einen kleinen Apparat für einen Erstlingsfilm hinterher zu ziehen, hatte auch etwas Erleichterndes. Schlimmer wäre es sicherlich gewesen, wenn ich 30 Drehtage, 100 Leute und drei Millionen Budget gehabt. Ich glaube, das hätte mich mehr gestresst.

Ricore: Bist Du mit dem Endergebnis zufrieden?

Westhoff: Ich bin mit dem Film sehr zufrieden. Ich habe "Shoppen" wer weiß wie oft gesehen. Bei den bisherigen Vorführungen habe ich mich aber trotzdem immer wieder rein gesetzt. Bisher habe ich mich noch nicht satt gesehen.

Ricore: In "Shoppen" ist die klassische Handlungsentwicklung auf ein Minimum reduziert; sie beschränkt sich auf das gesprochene Wort. Findest Du grundsätzlich, dass Dialoge im Kino im Vordergrund stehen sollen?

Westhoff: Zu diesem Thema heißt es allgemein, man soll nicht um Himmels Willen das sagen, was man mit Bildern erzählen könnte. Das ist übrigens auch der Standardvorwurf mit dem man Fernsehserien konfrontiert. So etwas findet sich ganz weit weg vom großen Kino, wo das Bild alles ausdrückt und die große Kunst in der lakonischen Erzählung liegt. Für "Shoppen" war das Spannende ja gerade, auf diese Grundregel mit Gleichgültigkeit zu reagieren. In der Geschichte geht es ja auch um eine Generation, in der die Kommunikation, also das sich Verkaufen und das Reden an sich, eigentlich alles ist. Das allgemeine Gelabere ist etwas, das man mit dem Thema Großstadtgeneration in Verbindung bringt. Deshalb musste es auch in diesem Film auf die Spitze getrieben werden, in dem fast ununterbrochen geredet wird.

Ricore: Eine letzte Frage: Warum heißt der Film "Shoppen"?

Westhoff: Beim Speed-Dating rücken zwei Bereiche zusammen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben: die Kommerzialisierung unserer Welt und das Thema Liebe und Beziehung. Ich gebe Geld aus, um Menschen vorgestellt zu bekommen, anstatt mich normal zu verlieben. Ich zahle und darf mir dann einen möglichen Partner aussuchen, von dem ich überzeugt bin, dass er zu mir passt.
erschienen am 13. Mai 2007
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Shoppen (Kinofilm)
Ralf Westhoff erzählt die Geschichte von 18 Singles aus dem Großraum München. Diese nehmen an einem Speed-Dating teil. Dieses moderne kennen lernen Spiel in dem kühlen, weißen Raum mit der laut tickenden Uhr nimmt den Großteils des Films ein. Dabei gelingt es dem Regisseur, die lange Dialogabfolge interessant, spannend und lustig zu vermitteln. Das Davor und Danach ist kaum interessant, jeder Teilnehmer geht wieder seinen eigenen Weg. Wie ein kurzer Abstecher in einen etwas ausgefallenen..
2024