Pietro Pesce/Filmreporter.de
Regisseur Julian Schnabel auf der Biennale 2007
Vom Wachs zum Celluloid
Starfeature: Neuer Wilder Julian Schnabel
Bildhauer und Maler und seit 1995 erfolgreicher Filmemacher. Der New Yorker Künstler Julian Schnabel überrascht und schockiert gerne. Von Selbstzweifeln gänzlich befreit, vergleicht er sich selbst mit Kunstikone Pablo Picasso. Darüber muss die Nachwelt entscheiden. Auch das Filmpublikum kann seine Kunst genießen und über die Widersprüche seiner Person rätseln. Der bärtige Typ tritt in der Öffentlichkeit mal im armlosen karierten Hemd, mal als eleganter Künstler im schwarzen Anzug mit Fliege auf. Hier der Versuch einer Annäherung.
erschienen am 31. 03. 2008
Jean-François Martin/Ricore Text
Julian Schnabel inmitten schöner Frauen in Cannes
Julian Schnabel definiert seine Arbeit als Kunst. Zugleich spricht er seinem vielseitigen Werk aber die Kreativität ab. Er erschaffe nichts, sondern betone nur bestimmte Themen. Narzissmus und Bescheidenheit sind die zwei gegensätzlichen Charaktereigenschaften des New Yorker Malers, Bildhauers und Regisseurs Schnabel. Wenn man seinen Werdegang vom kunststudierenden Küchenchef zum gefeierten Künstler Revue passieren lässt, zeichnet sich das Bild eines sympatischen Exzentrikers ab. Schon seine Bewerbung fürs New Yorker Whitney Museum 1973 fiel aus dem Rahmen. Der 22-jährige schickte ein eigenartiges Sandwich ein: zwischen zwei Brotscheiben packte er ein Werk von sich. Die Türen der Kunstschule standen ihm damit offen.
Jean-François Martin/Ricore Text
Julian Schnabel mit Ehefrau Olatz López Garmendia
Nur sechs Jahre später kam der Durchbruch. 1979 organisierte Galeristin Mary Boone Schnabels erste Ausstellung in ihrer Soho Gallerie. Der Künstler, der für sich die Bezeichnung "Maler" beansprucht, tauchte hier Figuren in heißes Wachs. Die eigenartige "Fossilien"-Show fand auch das Lob der Kunstkritiker. Seitdem gehört er in die New Yorker Kunstszene als Mitbegründer neuer Stilrichtungen wie das "New Image Painting" und dem "Neo-Expressionism". Spätestens in seiner zweiten Ausstellung machte sich auch seine rebellische Ader bemerkbar. Riesige Platten beklebt mit Porzellan- und Glasstücken waren hier das Markenzeichen seines damaligen Schaffens.
Prokino
Schmetterling und Taucherglocke
Der schnelle Erfolg steigt Schnabel schnell zu Kopf. "I am as close to Picasso as you’re going to get in this fucking life", verspricht er in einem Interview. Im Laufe der Jahre reift sein Egozentrismus zu gesundem Selbstbewusstsein. 1995 traut sich der Maler erstmals ins Filmgeschäft. "Basquiat" ist ein intimes Portrait des Graffitikünstlers Jean-Michel Basquiat, der bis zu seinem Tod im Jahr 1988 Schnabels Freund war. Mit seinem zweiten Film lässt sich der Amerikaner Zeit. Erst 2001 kommt "Before Night Falls" in die Kinos - ein lyrisches Drama über den kubanischen Dichter Reinaldo Arenas. 2006 folgt schließlich "Schmetterling und Taucherglocke". Auch hier steht ein Mann, in zwischen Leben und Tod stehend über sich hinauswächst.
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Before Night Falls
Die drei Filme zeigen die künstlerische Reife Schnabels und zeugen von seinem Talent. Es sind alles sehr persönliche Werke und enthüllen den Familienmensch Schnabel. In "Before Night Falls" spielen etwa seine fünf Kinder mit. Die zweite Ehefrau Olatz Lopez Garmendia hat eine größere Nebenrolle in jedem der drei Werke. Die schwere Krebserkrankung des Vaters bewegte den New Yorker zu seinem bis dato letzten Projekts. Als guter Sohn wollte er mit Jean-Dominique Baubys Geschichte dem Vater die Angst vor dem Sterben nehmen. Leider erlebte der 92-jährige den Schluss der Dreharbeiten nicht. Wichtiger ist für den Regisseur, das Bewusstsein des Publikums auf das Mitgefühl zu richten. Eine Lebensweisheit, die wohl mit dem Alter gekommen ist. Als Vater entwirft er für den Freund seiner Tochter Stella ein CD-Cover. Zufällig ist dieser junge Mann John Frusciante und die Scheibe ist Red Hot Chillie Peppers "By the Way". Ist es nur Vaterliebe oder der Wunsch seine Kunst zur Popart zu machen? Wahrscheinlich beides...
Jean-François Martin/Ricore Text
Julian Schnabel und sein Sohn Vito Maria in Cannes 007
Im Rampenlicht fühlt sich der Maler gut. Natürlich gilt das öffentliche Interesse vorrangig seiner Kunst. Julian Schnabels Persönlichkeit beansprucht aber ebenfalls viel Aufmerksamkeit. Seine Pyjama-Anzüge, die er zu jeder Tages- und Nachtzeit und praktisch jeder Angelegenheit trägt, sind zu einer Art urbaner Mythos geworden. Die Liebe zu seiner Familie auch: die drei Kinde aus erster Ehe und ihre neue "Mutter" verstehen sich gut. Die Ex-Frau wohnt nur paar Blocks entfernt. Gemütlichkeit und Familienwärme ist Gebot bei den Schnabels. So feiern sie zusammen Thanksgiving (Erntedankfest). Trotz Tradition gibt es auf dem Tisch keine Pute, sondern Schinken. Der Maler isst keine Vögel, obwohl sein Vater - ein Flüchtling aus der ehemaligen Tschechoslowakei - Metzger war. Sein 21-jähriger Sohn Vito Maria führt inzwischen eine eigene Kunstgalerie und ist auf der Suche nach neuen Talenten. Währenddessen lebt sein Vater seinen eigenen Mythos.
erschienen am 31. März 2008
Zum Thema
Der 1951 in New York geborene und in Texas aufgewachsene Julian Schnabel gilt als einer der führenden Vertreter des Neoexpressionismus. So gestaltete er unter anderem das Cover des Musikalbums "By the Way" der amerikanischen Band Red Hot Chili Peppers. Seit Mitte der 1990er Jahre widmet sich Schnabel auch der Regie - und das mit Erfolg. Der Hauptdarsteller seines Dramas "Before Night Falls", Javier Bardem, wurde 2001 für den Oscar nominiert. Mit "Schmetterling und Taucherglocke" landete..
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