Filmfest München 2008
Marcus H. Rosenmüller
Marcus H. Rosenmüller unter Räubern
Interview: Vorliebe für historische Stoffe
Seit "Wer früher stirbt, ist länger tot" (2006) ist er eine feste Größe im deutschen Kino: Regisseur und Autor Marcus H. Rosenmüller. Ihm ist es mit zuzuschreiben, dass historische bayerische Filmstoffe derzeit Hochkonjunktur haben. Im Gespräch berichtet der sympathische Tegernseer über seine neueste Produktion über den berühmt-berüchtigten "Räuber Kneißl".
erschienen am 19. 08. 2008
Movienet
Räuber Kneißl
Ricore: Herr Rosenmüller, bayerische Regisseure nehmen sich ja derzeit verstärkt historische Themen vor: Joseph Vilsmaiers "Brandner Kaspar", "Liesl Karlstadt und Karl Valentin" oder auch "Die Perlmutterfarbe".

Marcus H. Rosenmüller: Ja, das stimmt.

Ricore: Warum ein historischer Stoff? Warum hat Sie als Regisseur das gereizt?

Rosenmüller: Weil der Räuber eine Legende ist und weil er eine spannende Biografie hat. Und weil alle dramaturgischen Aspekte, die man für einen geilen Film haben muss, in der Biografie vorhanden sind, ohne erfinden zu müssen. Und da habe ich natürlich richtig Lust gehabt.

Ricore: Haben Sie sich vorher schon mit dem Stoff auseinandergesetzt? Sie kennen ihn wahrscheinlich schon seit Ihrer Kindheit?

Rosenmüller: Man kennt ihn so vage. Bestimmte Aspekte aus der Kindheit. Man hört mal hier oder da was. So richtig auseinandergesetzt habe ich mich erst mit der Anfrage der Produzenten, ob wir den Film machen wollen. Lustigerweise habe ich schon zu Hochschulzeiten bayerische Legenden gesammelt. Aber mit der Biografie habe ich mich da noch nicht so intensiv auseinandergesetzt wie ich das dann gemacht habe, als der Film akut geworden ist. Es war dann wirklich überraschend und wahnsinnig schön, was da eben vorhanden ist.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Marcus H. Rosenmüller
Ricore: Was kann uns denn der Räuber Kneißl heute noch sagen?

Rosenmüller: Vieles. Dass es notwendig ist, dass der Staat den Leuten die Existenz sichert. Auch die Integration von Leuten, die auf die schiefe Bahn geraten sind, ist eminent wichtig. Es ist notwendig, dass diese die Chance bekommen, in die Gesellschaft zurückzufinden. Und es ist wichtig zu zeigen, dass Arbeit lebensnotwendig ist, zur Existenz dazugehört. Es gehört doch zum Fürchterlichsten für einen Menschen, wenn er in ein Zimmer oder eine Wohnung abgestellt wird: "Da wohnst Du jetzt, Du kriegst zwar Dein Geld, aber wir brauchen Dich eigentlich nicht". Wenn Du ausgeschlossen wirst aus der Gesellschaft.

Ricore: Haben Sie sich eng an die historischen Fakten gehalten?

Rosenmüller: Haben wir versucht. Du musst halt vereinfachen, zuspitzen. Ich hab einen Gegner für die Gendarmerie genommen, hab eine Person dagelassen, das waren im wirklichen Leben verschiedene. Die Ortschaft, wo er nach seiner ersten Haftstrafe Arbeit gesucht hat, war Nußdorf. Aber bei uns im Film geht er in seine Heimat zurück, ins Dachauer Hinterland. Ich wollte einfach, dass er diese Leute von früher wieder trifft, um eine Wandlung zu zeigen.

Ricore: Basiert die Liebesgeschichte auch auf historischen Fakten?

Rosenmüller: Ja, sogar der Verrat. Es wird gemunkelt, dass die Tochter auch dabei war, aber das hab' ich in meinem Herzen nicht glauben können.
Movienet
Räuber Kneißl
Ricore: Zum Historischen: "Schwere Jungs" lag zwar nicht so weit zurück in der Vergangenheit, ist aber doch auch ein historischer Film.

Rosenmüller: Ja, aber da haben wir viel mehr mit Fiktion gearbeitet. Da gab's einfach diesen Plotpoint, dass sich zwei Mannschaften einen Bob teilen und damit gewinnen. So war das auch, der Rest war ja komplett fiktiv. Ich liebe es, wenn man eine andere Zeit nimmt. Wenn man etwas anderes erzählt. Wenn man andere Motive nimmt als die heutigen. Wenn man alles erst bauen muss. Ich find das wahnsinnig interessant und toll.

Ricore: Im Film war ein toller Effekt. Da ist ein Raunen durch den Zuschauerraum gegangen, als da auf einmal der Münchner Odeonsplatz zu sehen war. Das ist gut angekommen.

Rosenmüller: Ja? Das freut mich. Wir haben die Zoomkraneinstellung aus der "Reifeprüfung" als Vorbild genommen. Diese Art, dass man nah dran ist und dann mit dem Zoom ganz aufmacht. Ich liebe das. Natürlich habe ich noch nicht ganz die technischen Möglichkeiten. Dazu haben mir einfach genügend Komparsen gefehlt. So, da war ein Raunen im Zuschauerraum? Das ist ja eh der Wahnsinn: Ihr habt den Film schon mit Publikum gesehen, das hab ich ja noch nicht mal gehabt.

Ricore: Sind Sie vor einer Filmpremiere mit Publikum eigentlich noch nervös?

Rosenmüller: Mir ist das vollkommen wurscht.

Ricore: Aha.

Rosenmüller: Nein, im Ernst: Meistens gehe ich raus, weil ich so aufgeregt bin. Das ist der Hammer. Das ist unerträglich.
Ann-Catherin Karg/Ricore Text
Maximilian Brückner
Ricore: War es schwer, Maria Furtwängler für die Rolle der Theresia Kneißl zu gewinnen?

Rosenmüller: Sie wollte schon wissen, wieso ich meinte, dass sie die Richtige dafür sei. Es war tatsächlich die Ausstrahlung, die sie hat. Das ist enorm: Du stehst vor ihr und merkst, da steht ein interessanter, spannender Mensch vor dir.

Ricore: Was wurde an der ersten Drehbuchfassung verändert? Karin Michalke hat ja die erste Drehbuchfassung geschrieben. War diese zu weiblich?

Rosenmüller: Nein, es war in erster Linie zu lang. Es war immens lang. Man hat einfach kürzen müssen. Das war das Problem. Sie hat völlig recht gehabt mit all den Sachen, die im Buch drin waren. Und das ist das Harte bei so einer Biografie, dass da so viele tolle Sachen existieren. Wir haben einfach nicht das Geld für einen so langen Film gehabt.

Ricore: Sie arbeiten gern mit Schauspielern zusammen, mit denen Sie schon einmal gedreht haben. Maximilian Brückner zum Beispiel. Ist das für Sie so eine Konstante, die Sie beim Filmemachen brauchen?

Rosenmüller: Ob ich die brauche, weiß ich nicht. Ich nutze einfach gern den Vorteil, mit so tollen Leuten zusammenzuarbeiten. Dass man sich aufeinander verlassen kann, und es in der gemeinsamen Arbeit einfach passt. Dafür bin ich dankbar. Weil wir auch immer das Ziel haben, miteinander zu kämpfen.

Ricore: Brückner meinte unlängst, dass er sich in Ihren Filmen langsam nach oben gearbeitet habe. Im ersten Film habe er eine ganz kleine Rolle gespielt, in "Schwere Jungs" eine etwas größere und nun die Hauptrolle. Haben Sie das gleiche Gefühl wie er, dass er sich langsam raufgearbeitet hat?

Rosenmüller: Nein, nicht raufgearbeitet. In meinen ersten fünf Filmen war jedes Mal der Brückner mit drin. In "Räuber Kneißl" sind ja vier Brückners drin: Maxi und der Florian, dann der jüngere Bruder in der Wirtshausszene mit dem Sauerkraut und die Isabella. Die spielt Kneißls Schwester Cilli und sagt ja auch den legendären Satz, "die Woch' fangt ja scho' guad o". Man sagt ja, dass das der Satz vom Kneißl war, aber das kann ja nicht stimmen. Also haben wir ihn der Schwester gegeben.

Ricore: Herr Rosenmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch.
erschienen am 19. August 2008
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