b.film Verleih
War Child
Christian Karim Chrobog über "War Child"
Interview: Film- und Musikexperimente
Dokumentarfilmer und Produzent Christian Karim Chrobog ist nicht weniger interessant als die Charaktere seiner Filme. Der Sohn des deutschen Diplomaten Jürgen Chrobog wurde in Singapur geboren, arbeitet heute aber in den USA. In Washington DC ist der Sitz seiner zwei Produktionsfirmen Tangier Pictures und 18th Street Films. In seinen Projekten verbindet der junge Enthusiast Musik und Film. Die Dokumentation "War Child" schildert das Leben des Ex-Kindersoldaten Emmanuel Jal. Filmreporter.de hat ihn im Rahmen der Berlinale 2008 getroffen und nach den Hintergründen gefragt.
erschienen am 21. 10. 2008
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Emmanuel Jal
Filmreporter.de: Wie kamen Sie auf die Idee für die Dokumentation?

Christian Karim Chrobog: Wir haben damals an einer Serie über die Globalisierung von Hip-Hop gearbeitet. Wir hatten uns Rapper ausgesucht - von China über Libanon bis nach Kuba. Und einer der Rapper auf dieser Liste war eben Emmanuel Jal. Als wir seine Geschichte gehört haben, dachten wir: "Das ist eine Geschichte, die ist es wert, erzählt zu werden." Wir haben dann über die letzten dreieinhalb Jahre diesen Film entwickelt. Die Serie wurde fallen gelassen.

Filmreporter.de: Wieso haben Sie sich für den Dokumentarstil entschieden? "Feuerherz" hat eine ähnliche Geschichte, ist aber ein Spielfilm.

Chrobog: Ein Dokumentarfilm kann sehr einflussreich und emotional sein. Dann weiß man, dass alles echt ist. Ein Spielfilm kann auch wichtige Komponente enthalten, die emotional eine Botschaft rüberbringen. Aber in der Dokumentation sieht man die echte Figur, den echten Charakter, die echten Verhältnisse eines Landes. Das fanden wir für diese Geschichte angemessen.

Filmreporter.de: In der Dokumentation sind Bilder von Emmanuel Jal als Kind zu sehen. Wie sind sie entstanden?

Chrobog: Diese stammen von einem französischen Kameramann. Er hat zwischen 1989 und 1990 einen Dokumentarfilm über die Hungersnot in Äthiopien gemacht. Zufällig war Emmanuel einer der Flüchtlinge in diesem Camp in Äthiopien. Vor ungefähr einem Jahr hat ein Mann Emmanuel auf einer Straße in London angesprochen: "Hey, du bist auf dieser DVD!". Und er hat uns dann den Film geschickt. Wir waren vollkommen überrascht. Dann haben wir den Kameramann ausfindig gemacht und er hat uns die ganzen Unterlagen geschickt. Es macht einen riesen Unterschied, Emmanuel als Neunjährigen zu sehen.
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War Child
Filmreporter.de: Was wollten Sie mit der Dokumentation erreichen?

Chrobog: Als aller erstes wollten wir Emmanuels Geschichte erzählen. Dabei war uns das Musikelement ganz wichtig. Es ist ein schwieriges Thema und die Musik hilft, alles zu verarbeiten. Wir waren natürlich in Sudan, die Situation dort ist sehr unstabil. Es herrscht Krieg, Millionen von Menschen sind bereits gestorben. Die Musik, Emmanuel und der Krieg, das sind die Komponenten, die wir zusammenbringen wollten.

Filmreporter.de: Denken Sie, dass der Film etwas bewirken kann?

Chrobog: Wir hoffen, dass der Film sein Publikum findet. Wir haben die Organisation "Gua Africa" gegründet, nachdem wir aus dem Sudan zurückkamen. Wir hoffen, dass wir dadurch Schulen bauen und Sponsorenprogramme für Kinder entwickeln können. Aber wir wollten im Vordergrund eine gute Geschichte erzählen und darüber hinaus kann man hier so viele Sachen machen.

Filmreporter.de: Hat die Bekanntschaft mit Emmanuel Jal Sie persönlich verändert?

Chrobog: Emmanuel ist eine sehr charismatische Figur. Ein Teil der Geschichte ist sein Wille, diese Organisation aufzubauen. Und ich will ihn dabei unterstützen. Wir haben viel mit ihm geredet und waren uns einig. Die Geschichte ist die Geschichte, sie wird erzählt. Und wenn es die Möglichkeit gibt, damit zu helfen, ist es eine gute Sache!

Filmreporter.de: Wie hat sich Ihr Bild von Emmanuel Jal während den Dreharbeiten geändert?

Chrobog: Ich habe ihn als Ex-Kindersoldat kennen gelernt, der zu einem Rap-Star geworden ist. Aber nur oberflächlich. In den Jahren ist diese Beziehung natürlich enger geworden. Er hat Unglaubliches hinter sich.
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War Child
Filmreporter.de: Wie war die Stimmung, als Emmanuel Jal zusammen mit Ihrem Team in den Sudan geflogen ist? Das war das erste Mal für ihn seit 18 Jahren…

Chrobog: Das war das erste Mal seit 18 Jahren, dass er seine Familie wieder getroffen hat. Er hatte seine Oma in dieser Zeit nicht gesehen. Die Schwester hatte er ein einziges Mal für kurze Zeit gesehen. Das Verhältnis zu seinem Vater ist nicht besonders gut. Aber das Wiedersehen mit der Oma war eine große Sache. Das Gespräch mit der Schwester, die ihre Geschichte erzählt, empfand ich als eine emotional sehr schwierige Szene. Sie hat wahnsinnig viel erlebt, vielleicht sogar Schlimmeres als Emmanuel. Es war auch unglaublich zu sehen, was diese Kinder in ihrem Alter schon erlebt haben.

Filmreporter.de: Wie ist Ihre Beziehung zu Emmanuel Jal jetzt?

Chrobog: Emmanuel war gemeinsam mit uns in Berlin. Wir haben zusammen viel vor. Vielleicht eine Tour, bei der wir Konzerte mit Film verbinden. Wir sind im engen Kontakt und so wird es auch bleiben. Zudem steht uns eine Reihe von Festivals bevor. Das wird der erste Schritt sein, den Film einem breiteren Publikum zu zeigen. In einem weiteren Projekt wollen wir die Spuren eines Reisenden aus dem 14. Jahrhundert nachfolgen. Wir fangen in Marokko an und reisen bis nach Indien.
Filmreporter.de: War die Dokumentation, so wie seine Musik auch eine Art Therapie für Emmanuel Jal?

Chrobog: Für ihn ist die Musik bestimmt eine Therapie, so konnte er zum ersten Mal alles verarbeiten. In seinen Texten kann er über sein Leben reden. Ich glaube, dass der Film ihm insofern helfen kann, weil er seine Geschichte erzählt. Jedes Mal wird er gefragt: "Wie war es, die Mutter im Krieg zu verlieren? Wie viele Leute hast du umgebracht?" Alles sehr schwierige Fragen, die das Trauma wieder hervorrufen. Jetzt kann er sagen: "Hier ist der Film, hier ist meine Geschichte!" Jetzt kann er sich auf seine Musik fokussieren.

Filmreporter.de: Wie kam es, dass der Film auf der Berlinale 2008 gezeigt wurde?

Chrobog: Das war eine große Überraschung. Wir wollten eigentlich weiter arbeiten. Dann kam die Einladung zur Berlinale. Die Arbeiten, für die wir drei Monate geplant hatten, mussten wir in drei Wochen fertig haben. Wir haben 20 Stunden am Tag gearbeitet und es fertig gekriegt. Am Tag meines Abflugs habe ich dann die Kassette aus dem Deck genommen, bin zum Flughafen gefahren und hab die Kassette hier abgegeben. Aber es ist ein tolles Filmfestival und bin froh, dass ich teilnehmen durfte.

Filmreporter.de: Wie verliefen die Produktionsarbeiten?

Chrobog: Wir haben uns sehr lange vorbereitet. Es war schwierig, eine Struktur für die komplizierte Geschichte zu finden. Wir überlegten lange, wie wir Komponenten reinbringen, die außerhalb Emmanuels Geschichte stehen. Dann wussten wir bis zum letzten Augenblick nicht, ob wir wirklich in den Sudan reisen dürfen. Es ist schwer, durch den Sudan zu reisen. Mann muss durch Kenia mit kleinen Verteilungsflugzeugen einfliegen. Aber wir haben es mit viel Energie geschafft.

Filmreporter.de: Vielen Dank für das nette Gespräch!
erschienen am 21. Oktober 2008
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War Child (Kinofilm)
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2024