Ray brachte der Welt den Soul
Mach dir keine Sorgen...
Interview: Die Stille in der Finsternis
Mit dem Tod von Ray Charles endete am 10. Juni 2004 die spirituelle Reise eines Genies, Visionärs und Künstlers. Charles verschmolz Gospel, Jazz, Blues und Country-Musik zu einen neuen, einzigartigen Musikstil: Soul. "Ray" dokumentiert diesen Werdegang und gilt mit seiner einfühlsamen Inszenierung und exzellenten Besetzung als Oscar-Favorit. Wir trafen Hauptdarsteller Jamie Foxx (37) in Berlin.
erschienen am 4. 01. 2005
Dank Ray spürt jetzt auch er den den Rythmus des Blues: Jamie Foxx
Ricore: Mr. Foxx, wie verlief Ihr erstes Treffen mit Ray Charles?

Jamie Foxx: Er betrat den Raum mit seinem typisch breiten Grinsen, befühlte meine Finger und befand sie als "schön stark". Ich stotterte, dass ich versuchen wollte, ihm mit meiner Rolle so gut wie möglich gerecht zu werden. Er sagte: "Mach dir darüber keine Sorgen, mein Junge. Wenn du den Blues richtig verstehst, regelt sich alles andere ganz von allein. Setz dich ans Klavier." Wir spielten so lange, bis er endgültig zufrieden war. Dann sprang er auf und jubelte: "Jetzt hat der Junge es raus. Jetzt spürt er den Blues."

Ricore: Haben Sie ihn danach noch einmal getroffen?

Foxx: Ja, aber nur ab und an, denn er war gesundheitlich sehr angeschlagen. Vier Monate vor seinem Tod hat er sich mehr und mehr abgekapselt. Er wollte nicht, dass ihn seine Freunde so krank erleben und ihn als schwachen Mann in Erinnerung behalten. Noch nicht einmal sein bester Freund Quincy Jones durfte zu ihm. Also nahm Quincy ihm eine CD auf, die er ihm ans Krankenbett schickte. Es war eine Art Monolog von Erinnerungen über dreißig Jahre beste Freundschaft. Ich war sehr traurig, als ich die Nachricht von seinem Tod erhielt.

Ricore: Er hat den fertigen Film nicht mehr erlebt?

Foxx: Doch, wir haben ihm 5 1/2 Stunden Rohmaterial gezeigt. Danach war er einfach nur glücklich. Gezeichnet von einem aufreibenden Leben war er tief zufrieden, dass der Film nach über fünfzehn Jahren Planung doch noch auf die Leinwand kam.

Ricore: Konnten Sie beim Dreh wirklich nichts sehen?

Foxx: Ich bekam um fünf Uhr morgens eine Attrappe von Rays Augen eingesetzt, die erst gegen ein Uhr nachts entfernt wurde. Ich war ständig versucht, das Ding einfach abzunehmen, aber es wäre falsch gewesen. Dadurch, dass ich sogar meine Pausen im Dunkeln verbringen musste, bekam ich mit der Zeit einen Anflug dessen, was Ray Charles gespürt haben muss. Ich begann automatisch, die Musik intensiver zu spüren und fühlte mich in stillen Pausen umso beschissener in meiner Dunkelheit. Plötzlich verstand ich, warum er diese Leere mit Drogen ausfüllen wollte.
Brother Ray hing jahrelang an der Nadel
Ricore: Wie genau spiegelt der Film das wirkliche Leben der Musiklegende wider?

Foxx: Natürlich hat sich Taylor Hackford, der Regisseur, beim Inszenieren ein gewisses Maß an künstlerischer Freiheit genommen. Aber alle Fakten, die Sie im Film sehen, stimmen zu hundert Prozent. Wir haben sehr genau recherchiert, sogar seine eigenen Aussagen überprüft. Die besten Songs hat er geschrieben, als er auf Tour war. Er brauchte die direkte Interaktion mit Frauen, mit seinen Sängerinnen.

Ricore: Hat der starke Drogenkonsum seinen kreativen Horizont erweitert?

Foxx: Klar, und betrachtet man die Musikgeschichte, war er mit Sicherheit nicht der Einzige, der geniale Songs dadurch zustande brachte. Doch mit welchen Konsequenzen? Hätte er sein Problem nicht irgendwann in den Griff bekommen, wäre er als einer von vielen Junkies geendet, die durch Drogen zugrunde gerichtet wurden. Sein Entzug schuf dagegen einen neuen Ray, eine saubere Version seiner selbst. Dadurch wurde er noch viel interessanter.

Ricore: In Prominentenkreisen gelten Sie als Partyboy und farbige Version von Playboyoldie Hugh Heffner. Wie viel Ray Charles steckt wirklich in Ihnen?

Foxx: Wow, was für eine Ehre! (lacht) Ich genieße einfach gern mein Leben. Mein Ruf kommt vielleicht daher, dass ich manchmal meine prominenten Freunde zu Karaokepartys einlade. Da kann es dann passieren, dass Whitney Houston mit Bobby Brown trällert oder Justin Timberlake sich an den Backstreet-Boys versucht. Diese Abende sind legendär.

Ricore: Wären Sie manchmal selber gerne Musiker?

Foxx: Was ist an der derzeitigen Musikbranche erstrebenswert? Man verdient kein Geld, weil fast alles herunter geladen wird, und es geht vor allem unter Frauen wesentlich harscher zu als im Filmbusiness. Ich bin ganz und gar nicht zufrieden, wie sich die Qualität der Songs verändert. Das hat doch nichts mehr mit Musik zu tun! In meinem Auto wird schon lange kein Radio mehr gehört. Deswegen habe ich in meinem Haus auch ein erstklassiges Tonstudio bauen lassen, das von mir selbst entworfen und von den besten Technikern ausgestattet wurde. Künstler, die ich bewundere, dürfen dort kostenlos ihre Songs aufnehmen oder einfach nur herumprobieren. Jeder sollte sich an Ray Charles ein Beispiel nehmen, wie er diese schmierige Industrie gemeistert hat. Da lobe ich mir meinen Job.

Ricore: Kein Wunder bei drei Golden-Globe-Nominierungen und der Aussicht auf einen Oscar.

Foxx: Das positive Feedback zeigt mir, wo ich stehe. Es tut gut, wenn plötzlich Al Pacino zu dir kommt und dir gratuliert. Es ist wie eine Art Club, in den du aufgenommen wirst. Und wenn du all diese Superstars schließlich kennen lernst, bemerkst du, dass es ihnen bei ihrer Arbeit nicht um Geld oder Publicity geht. Was für diese Leute zählt, ist eine möglichst gute Leistung zwischen den Worten "Action" und "Cut". Daran orientiere ich mich auch in Zukunft.
erschienen am 4. Januar 2005
Zum Thema
Jamie Foxx beginnt seine Karriere als Stand-Up-Comedian. Zu Beginn der 1990er Jahre spielt er an der Seite von Jim Carrey in der Comedy-Show "In Living Color". Nach diversen Fernseh- und Kinorollen schafft er 2004 mit "Ray" den Durchbruch. Für seine Darstellung des blinden Musikers Ray Charles erhält er den Tom Cruise in Michael Manns "Collateral", wofür Foxx als bester Nebendarsteller nominiert wird. Miami Vice" zusammen. 2009 steht er als obdachloser Musiker an der Seite von Robert Downey..
Ray (Kinofilm)
Sex, Drugs and Soul - das waren die Gewürze im Leben der Musiklegende Ray. Seit seiner Kindheit sah er sein Leben als professioneller Musiker voraus. Gegen seine Karrierepläne sprachen aber drei Tatsachen: Ray war schwarz, arm und blind. Trotz diese Hindernisse ließ er sich nicht davon abbringen, seinen Traum zu verwirklichen. Er wurde der bedeutendste Soul-Musiker seiner Zeit. Mit Jamie Foxx in der Rolle des Ray Charles portraitiert Taylor Hackford diese außergewöhnliche Lebensgeschichte...
2024