20th Century Fox
Michael Apted auf der Premiere von "Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte"
"Das Projekt macht mich nervös"
Interview: Michael Apted zu Narnia 3
Vor fünf Jahren brachte Andrew Adamson seine erste Verfilmung von C.S. Lewis "Narnia"-Saga in die Kinos. Die Fortsetzung blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Nun kommt nach Finanzierungsproblemen und einem Studiowechsel "Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte 3D" in die Kinos, dieses Mal unter der Leitung von Regie-Altmeister Michael Apted ("James Bond 007: Die Welt ist nicht genug"). Wir trafen den 69-Jährigen in London zu einem offenen Gespräch über einen Film, der eigentlich nicht mehr gedreht werden sollte.
erschienen am 20. 12. 2010
20th Century Fox
Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte
Ricore: Mr. Apted, in Sachen Franchise-Blockbuster haben Sie Dank "James Bond 007: Die Welt ist nicht genug" ja beste Erfahrung. War der Dreh von "Narnia - Die Reise auf der Morgenröte" vergleichbar? Michael

Apted: Beide Filme gleichen einer großen Militäroperation, da meine Crew jedes Mal zwischen 600 und 1.000 Mann stark war. Generell gab es also keine großen Unterschiede. Im Detail natürlich schon: während es bei "Bond" in erster Linie darum ging, Stunts elegant aussehen zu lassen, musste ich bei "Narnia" etwa 1.350 Spezialeffekte betreuen und eine ganze Fantasie-Welt entwerfen.

Ricore: Lange war wegen Finanzierungsproblemen unklar, ob der Film überhaupt das Licht der Welt erblickt.

Apted: Die Vorbereitungen waren der reinste Alptraum. Als Disney auf halber Strecke absprang und wir auf einmal ohne Partner dastanden, sah es wirklich so aus, als ob es nach all der Arbeit nie zur ersten Drehklappe kommen würde. Dann rette 20th Century Fox aus dem Nichts das Projekt.

Ricore: Was genau ist passiert?

Apted: Ich wurde 2007 angeheuert und arbeite bis Januar 2009 mit Disney an dem Projekt. Alle Designs waren zu diesem Projekt bereits fertig, die Arbeiten am Drehbuch bereits sehr weit fortgeschritten. Dann bekam ich über Weihnachten einen Anruf von Disneys Studiochef, der mich über den sofortigen Ausstieg informierte. Die genauen Gründe können Ihnen nur die Produzenten erörtern, aber für mich war es ein absoluter Schock. Denn bereits vorab gab es allerhand Verwirrungen: zuerst sollte der Film in Europa gedreht werden, was sich nach einer ausgiebigen Location-Besichtigung wegen der Währungsschwankungen als zu teuer herausstellte. Also schickte man mich nach Australien und Neuseeland, aber als "Prinz Caspian", der zweite Teil von "Narnia", dann an den Kinokassen nicht den Erwartungen entsprach, war auch diese Lösung plötzlich zu teuer. Dann gab es nur noch eine Alternative: ein Dreh in den mexikanischen Studios, die seinerzeit für "Titanic" und "Master & Commander - Bis ans Ende der Welt" gebaut wurden.

Ricore: Aber auch dazu sollte es nicht kommen?

Apted: Wir gerieten ins Kreuzfeuer des dortigen Drogenkriegs. Auf den Straßen wurde gekämpft, überall sahen wir Soldaten mit AK-74-Gewehren. Es war wie ein Kriegsgebiet und daher unmöglich, unter diesen Umständen einen Kinderfilm in der Gegend zu drehen. Wieder standen wir ohne Optionen da. Das war im September 2008, kurz bevor Disney seinen Ausstieg erklärte.
20th Century Fox
Michael Apted auf der Premiere von "Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte"
Ricore: Wieso ging die Rechnung für 20th Century Fox etwas später plötzlich wieder auf?

Apted: Weil ein Wunder geschah. Durch die Finanzkrise brach die weltweite Wirtschaft ein - nur nicht der Wert des Dollars. Plötzlich machte ein Dreh in Australien wieder Sinn. Unter diesen neuen Voraussetzungen boten wir Fox den Film an. Wir mieteten einen Raum, in dem wir alle Designs aufhingen und ihnen das Projekt so gut wie möglich erklärten. Innerhalb eines Tages gaben sie ihre Zusage.

Ricore: Blieb das Budget am Ende im Rahmen?

Apted: Mir wurde gesagt, dass der Film an Ende etwa 140 Millionen Dollar gekostet hat - was günstiger ist, als die anderen beide Teile. Das lag in erster Linie daran, dass ich den ganzen Film in einer einzigen Region drehte und nicht - wie das bei den anderen Teilen der Fall war - mit dem ganzen Tross um die Welt zog.

Ricore: Sie übernahmen das Franchise von Andrew Adamson, der bei den vergangenen zwei Teilen Regie führte und nun als Produzent agierte. Kann so etwas überhaupt funktionieren oder sind Spannungen vorprogrammiert?

Apted: Als bei der Produktion von "Prinz Kaspian von Narnia" starke Probleme auftauchten, wurde ich angeheuert, weil Andrew für die "Reise auf der Morgenröte" schlichtweg keine Zeit hatte. Er hat es aber mit großer Leichtigkeit getragen und hat mir vor allem während der Post-Produktion geholfen. Seine Notizen waren die besten, die ich jemals in Bezug auf eines meiner Projekte erhalten habe. Dafür zolle ich ihm Respekt. Ich weiß nicht, ob ich in seiner Situation mir gegenüber ähnlich entspannt geblieben wäre.

Ricore: Stießen Sie bei den Schauspielern auf Widerstand?

Apted: Es ist immer schwierig, zu einer neuen Filmfamilie zu stoßen. Das war bei "Bond" damals nicht anders. In diesem Fall war der Übergang aber harmonisch. Ganz zu Beginn reiste ich an das Set von "Prinz Kaspian" in Prag, um Andrew und die Kinderdarsteller besser kennenzulernen. Von da an blieben wir, nicht zuletzt wegen der erschwerten Bedingungen während der Vorbereitungen, in ständigem Kontakt. Später dann habe ich mein eigenes Kernteam für die Dreharbeiten übernommen. Mir war es wichtig, so ein Unterfangen mit den Leuten zu stemmen, mit denen ich immer arbeite.
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Michael Apted begrüßt Queen Elizabeth II.
Ricore: Der Film erzählt ein Abenteuer, das vor allem visuell beeindruckt. Haben Sie wirklich an all diesen Orten in Australien gedreht, oder entstand das meiste nachträglich im Studio?

Apted: Wir haben das meiste wirklich in und um Queensland gedreht. Viele Orte haben wir am Computer modifiziert, aber es war eine bewusste Entscheidung gegen das Studio. Ich wollte, dass die Schauspieler ein möglichst reales Gefühl vermittelt bekommen, beim Spielen die Luft, die Sonne und den Wind spüren können.

Ricore: Was genau mögen Sie an der Buchvorlage von C.S. Lewis, dass Sie sich all die Strapazen antun?

Apted: Seine Fähigkeit, Abenteuer mit einem Subtext zu erzählen, der dem ganzen Gehalt gibt. Ich mag die Idee, Kindern durch spirituelle Geschichten beizubringen, dass Leben mehr ausmacht, als die unmittelbare Realität, die uns umgibt. Dabei habe ich aber bei meiner filmischen Umsetzung stark darauf geachtet, dass wir uns nicht spezifisch auf eine Glaubensrichtung festlegen, sondern dem internationalen Publikum eine möglichst breite Auslegungsmöglichkeit bieten.

Ricore: Queen Elizabeth II. nahm als Ehrengast an Ihrer Premiere in London teil. Die Bilder verbreiteten sich um die Welt, für Ihre Produktion eine unbezahlbar gute Werbung. Wie bekommt man eine königliche Hoheit zu seinem Event?

Apted: Darauf hatten wir keinen Einfluss. Pro Jahr feiert der Buckingham-Palast eine königliche Premiere und schaut sich vorab alle Filme an, die im Herbst dafür in Frage kommen. Dann trifft die Queen ihre Wahl. Ihre Entscheidung erreichte uns ohne Vorwarnung, hat uns gefreut und überrascht. Wieso gerade wir? Ohne respektlos zu klingen: ich hätte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen können, dass sich die Queen so etwas wie "Tron" ansieht. (lacht)

Ricore: Hat ihr der Film denn gefallen?

Apted: Ich habe sie nicht gefragt, weil sie gleich nach Filmende den Saal verließ. Ich saß allerdings in Ihrer Nähe und kann stolz bestätigen, dass sie zumindest nicht eingeschlafen ist. (lacht)
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Michael Apted saß auf der Premiere von "Die Reise auf der Morgenröte" neben der Queen
Ricore: Waren Sie nervös?

Apted: Natürlich war ich nervös. Das ganze Projekt macht mich nervös. Seit geraumer Zeit kämpfe ich nur noch gegen endlose Deadlines, muss dieses und jenes zu Ende bringen. Wir müssen Versionen in 2D und 3D für die Kinos fertigstellen, all die Kommentare von Studioseite beachten und den Film gleichzeitig auch noch promoten. Es war wie ein rasender Zug, aus dem ich auf gar keinen Fall aussteigen durfte. Seit März höre ich nur noch: wenn das jetzt nicht gemacht wird, verpasst du den Filmstart im Dezember. Das macht rückblickend Spaß, aber während der eigentlichen Zeit ist der Druck wirklich gewaltig groß.

Ricore: Würden Sie sich nach denn Strapazen einen weiteren, ähnlich großen Film wagen?

Apted: Wenn man mich fragen würde, wäre ich sowohl bei "Narnia" als auch bei "James Bond" wieder dabei. Es ist als Regisseur wichtig, nicht nur solche großen Blockbuster zu drehen, aber von Zeit zu Zeit mag ich diese Erfahrung trotz aller Schwierigkeiten.

Ricore: Für Ihren "Bond"-Film arbeiteten Sie noch mit Pierce Brosnan. Gefällt Ihnen die neue Richtung, die mit Daniel Craig eingeschlagen wurde?

Apted: Sie ist OK.

Ricore: Nur OK?

Apted: Man hätte noch mindestens einen Film mit Pierce Brosnan drehen sollen. Craig ist ein großartiger Schauspieler, aber seine Version von Bond ist eben sehr brutal. Ich frage mich, wo das hinführen soll, wie man das steigern will. Connerys und Brosnans Bond hab durch die Vielseitigkeit gelebt, durch die Eleganz, den Humor, den Charme und die Action. All dies wurde bei der Festlegung auf eine neue Richtung leider missachtet.
erschienen am 20. Dezember 2010
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In "Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte", der dritten Verfilmung nach der Fantasy-Reihe von C.S. Lewis landen Edmund (Skandar Keynes) und Lucy Pevensie (Georgie Henley) über ein Gemälde einmal mehr in die sagenhafte Welt von Narnia. An Bord des Schiffes "Morgenröte" haben sie mit ihrem königlichen Freund Kaspian (Ben Barnes) und der Maus Riepischiep die Mission, das Königreich zu retten.
2024