20th Century Fox
Sam Worthington
Die Maurerlehre bekam ihm
Interview: Sam Worthington ist bodenständig
Jung, wild und ungebildet. Auf den ersten Blick scheint Sam Worthington nicht der klassische Schauspieler zu sein. Auch äußerlich nicht. Er legt weder Wert auf gute Kleidung noch auf eine Rasur. Was macht der 33-jährige Australier also in Hollywood? Er dreht Filme - und zwar Blockbuster. Als ihn James Cameron für sein Science-Fiction-Epos "Avatar - Aufbruch nach Pandora" engagierte, ging es für den bodenständigen, gelernten Maurer Schlag auf Schlag. Ein Projekt folgte auf das nächste. Heute sitzt er mit uns in einem Hotelzimmer in Berlin und sehnt sich nach seiner Heimat Sydney. Aus dem Gespräch geht Worthington noch immer jung und wild, aber gebildet, sympathisch und liebenswert hervor.
erschienen am 18. 12. 2009
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Sam Worthington
Ricore: Beim Avatar-Casting hat man Ihnen nicht gesagt, worum es bei "Avatar" geht, ist das richtig?

Worthington: Nicht bei der ersten Audition in Australien. Bei so großen Filmen wie "Avatar", wird auf der ganzen Welt nach möglichen Darstellern gesucht. Alles wird streng geheim gehalten. Bei "Matrix" war es auch so, da wurde einem nicht gesagt, um welches Projekt es sich handelt. Das ist manchmal auch ganz ärgerlich, da man in den Prozess involviert sein will und wenigstens wissen will, worauf man sich einlässt. In diesem Fall hat es geholfen, ich hatte einen Ansatz für Jake Sully. Wir haben sechs Monate gebraucht, um das Studio zu überzeugen, dass ich der Richtige für den Job bin.

Ricore: Wussten Sie denn, dass James Cameron den Film macht?

Worthington: Anfangs nicht. Die Agenten meinten nur, wir können Ihnen nichts über den Film sagen, außer dass er im Weltall spielt. Ich dachte mir, schönen Dank auch, dann mache ich die Szene eben so gut ich kann. Diese Einstellung hat auch Jake Sully. Insofern muss ich denen heute danken, dass sie mich dazu gebracht haben.

Ricore: Zuvor haben Sie "Terminator - Die Erlösung" gemacht, jetzt "Avatar", als nächstes "Clash of the Titans". Wie kommen Sie dazu, gleich drei Blockbuster hintereinander zu drehen?

Worthington: Irgendwer ist wohl dumm genug, mir einen Job zu geben (lacht). Ich arbeite gerne. Wenn man mit James Cameron gearbeitet hat, öffnen sich viele Türen. Dann muss man selbst schauen, dass man seine Arbeit auf hohem Niveau hält, damit auch andere mit dir arbeiten wollen. Je mehr Möglichkeiten sich bieten, umso mehr suche ich mir Filme aus, die ich selber gerne anschauen würde.

Ricore: Sind Sie auf das vorbereitet, was Sie als Hollywood-Star noch erwartet? Den Starrummel oder möglicherweise "Sexiest Man Alive"-Wettbewerbe?

Worthington: Sie haben mich noch nicht früh am Morgen mit einem Kater gesehen. Das ist nicht besonders sexy (lacht). Das hat man mir auch schon gesagt, als "Terminator" rauskam. Man hat höhere Erwartungen. Aber ich bin ein 33-jähriger Australier und weit davon entfernt, mich zu verändern. Die Welt um einen herum verändert sich natürlich, aber wenn man sich selbst als Mittelpunkt nicht verändert, ist alles ziemlich einfach. Ich bereite mich darauf vor und warte ab, was passiert. Aber ich glaube nicht, dass Sie mich in einem Jahr völlig anders sehen werden. Ich hoffe zumindest nicht, dass ich dann hier sitzen werde und einen roten Chinchilla und Sonnenbrille trage. Oder auf einem Bett mit Rosenblüten liege wie Mariah Carey. Wenn das passiert, dann schlagen Sie mich bitte!
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Sam Worthington
Ricore: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das Drehbuch gelesen haben?

Worthington: Ich dachte, James Camerons Vision von Pandora ist unmöglich. Er beschreibt alles sehr detailliert. Das ist einer seiner Vorzüge. Wie will man fliegende Berge darstellen? Dann hat er mich zum Bühnenraum mitgenommen, wo wir gefilmt haben. Ein Typ lief in einem Motion-Capture-Anzug herum, der so getan hat, als wäre er eine dieser fliegenden Kreaturen, die James Banshee nennt. Da hat es Klick in meinem Kopf gemacht. Ab da habe ich verstanden, was er vorhat, und war voll dabei. Das sah nach einer Menge Spaß aus.

Ricore: Waren Sie schon immer ein Typ für körperliche Rollen?

Worthington: Ich finde alle Rollen sind körperlich. Wenn Sie mich als Action-Typ sehen, der auch mal einen Schlag einstecken kann, dann ja, das kann ich wie die anderen auch. Aber was ich versuche ist, dem Ganzen einen emotionalen Gehalt zu geben. Mein Ziel ist es, einen Charakter zu schaffen, den man mögen kann. Dem auch ein Kind folgen kann. Empfindsamkeit und Verletzlichkeit, das ist der schwierige Teil. Die körperlichen Dinge sind einfach.

Ricore: Wie war es, diese Emotionen zu schaffen, wenn Sie am Set vor dem Green Screen waren und eigentlich nichts gesehen haben?

Worthington: Wenn nichts da ist, ist das einzig wandelbare die andere Person. Jede Art von Schauspiel ist eine Reaktion auf jemanden. Man versucht, etwas von dem anderen zu bekommen und andersherum. Man ist also immer nur so gut, wie seine Mitspieler. Wenn Sie die Bandbreite betrachten, die wir haben, ist es einfach, die Emotionen einzubringen. Man kann alles versuchen, es kommt immer etwas zurück. Das ist das Wesentliche an der Schauspielerei.

Ricore: Aber wie ist es, gegen Monster und Maschinen anzukämpfen?

Worthington: Das ist einfach. Ich muss von A nach B rennen. Wenn ich geschnappt werde, werde ich gefressen, und das Spiel ist vorbei. Also jagt er mich, und ich renne um mein Leben. Alles was man in Bewegung sieht, passiert wirklich. Es gibt keinen Teil in dem Film, der wie animiert ist. Bei allem, was wir tun, runterfallen, aufs Wasser fallen, schwimmen, runterspringen, haben wir uns überlegt, wie wir es am besten machen können. Das war der spaßigste Teil. Da fühlt man sich wie ein Fünfjähriger auf dem Spielplatz.
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Avatar - Aufbruch nach Pandora
Ricore: Ist es in "Clash of the Titans" ähnlich?

Worthington: Ja, alles, was ich hier gelernt habe, habe ich auch in "Terminator" und "Clash of the Titans" verwendet. Bei "Clash" habe ich gesagt, ich schwinge mein Schwert nicht durch die Luft. Gebt mir etwas, das ich treffen kann. Also gaben sie mir einen Mann im grünen Anzug, den ich mit dem Schwert treffen konnte. Der Körper reagiert dann ganz anders. Es sind Details, die etwas Echtes aus dem Nichts machen. Schauspielerei ist etwas Echtes unter imaginären Umständen. Wenn man auf einer grün-grünen Bühne arbeitet, braucht man etwas Echtes.

Ricore: Sehen Sie Pandora im Film zum ersten Mal?

Worthington: Wir hatten Glück, wir hatten viele Bilder um uns herum. Wenn wir uns etwas schwer vorstellen konnten, hat uns James Bilder gezeigt oder einen Sound vorgespielt. Dann bekam man eine Vorstellung, wie laut beispielsweise das Brüllen einer Kreatur ist. Dank der virtuellen Kamera waren wir nie verloren.

Ricore: War es schwierig, sich den amerikanischen Akzent anzueignen?

Worthington: Ja, ich arbeite noch immer daran, den Akzent zu verfeinern. Aber das ist Teil meines Jobs. Ich lerne immer noch.

Ricore: Sie durften während des ganzen Prozesses, der immerhin über mehrere Jahre andauerte, nichts verraten?

Worthington: Ich wollte auch gar nicht. Ich habe großen Respekt vor James Cameron. Ich wollte niemandem verraten, was passiert. Jetzt hat er uns die Erlaubnis gegeben, darüber zu reden, und wir machen das gerne, weil wir das Projekt lieben. Die Dämme sind gebrochen. Aber als ich "Terminator" promotet habe, und über "Avatar" befragt wurde, habe ich aus Respekt vor ihm nichts verraten. Man macht Filme nicht für sich alleine. Wenn man 14 Monate damit verbracht hat, fühlt man sich sehr verbunden. Es ist ganz anders als das, was ich bisher gemacht habe. Man macht keinen James-Cameron-Film, man lebt ihn.
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Sam Worthington
Ricore: "Avatar - Aufbruch nach Pandora" ist der teuerste Film aller Zeiten und James Cameron der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten. Wie hoch ist der Druck?

Worthington: Ich denke, die Erwartungen sind bei James und Jon Landau sehr hoch. Aber ich selbst fühle keinen Druck. Er ist der Boss. Während der Dreharbeiten muss ich für ihn sein Bestes geben. Jetzt präsentiere ich nur noch das Produkt.

Ricore: Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Schauspielerei? Wussten Sie schon immer, dass Sie Schauspieler werden wollten?

Worthington: Nein. Ich war Maurer und habe Häuser gebaut. Ich bin wegen eines Mädchens in die Schauspielerei reingerutscht. Sie wollte zur Schauspielschule gehen. Ich bin zur moralischen Unterstützung mit zu den Vorsprechen gegangen. Ich wurde genommen, sie nicht. Eine Woche später hat sie Schluss gemacht.

Ricore: Gab es einen Punkt, an dem Sie dachten, dass gerade ein Wunder geschieht?

Worthington: Ich habe das Schauspielen immer als Job angesehen, nie als Möglichkeit, um berühmt zu werden. Wenn man berühmt werden will, muss man zu "Big Brother" oder sowas gehen. Für mich ist es mein Job. Ich will die Vision eines Regisseurs umsetzen und ihm alles geben, was ich habe, um sie fertig zu stellen. Das ist einfach.

Ricore: Mussten Sie sich auf die Arbeit mit James Cameron vorbereiten?

Worthington: Natürlich muss man sich darauf vorbereiten, weil er selbst hundertprozentig vorbereitet ist. Man kann nicht auftauchen ohne etwas anbieten zu können. So arbeitet er nicht. Er ist immer vorbereitet. Er wusste jeden Tag, wo die Szene hinführen sollte, und ließ den Dingen ihren Lauf. Ich hing viel mit James' Bruder ab, der früher Marine war. Ich dachte, das wäre eine gute Basis für die Rolle. Ich habe herausgefunden, dass Marines viel für sich behalten und nur wenig nach außen dringen lassen. Das nahm ich als Anfangspunkt für Jake Sully, bei dem man nie weiß, was wirklich in ihm vorgeht. Wenn Pandora fürs Publikum anfängt zu blühen, blüht auch er auf. Er fängt an sich zu öffnen. Die Essenz daraus habe ich auf meinen neunjährigen Neffen aufgebaut, der die Augen immer für die große weite Welt offen hält. Er ist mutig und unsicher zugleich. Das wollte ich dem Publikum vermitteln. Der Zuschauer sieht ebenfalls eine völlig neue Welt. Da ist ein Held, den auch ein Zwölfähriger als Helden akzeptieren kann, nicht als knallharter Marine, sondern als jemand, mit dem er sich identifizieren kann und dem er folgen kann. Man kann über und mit Jake Sully lachen.
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Sam Worthington am Set von "Avatar - Aufbruch nach Pandora"
Ricore: Mussten Sie sich auch körperlich vorbereiten?

Worthington: Mehr in dem Sinne, dass ich herausfinden musste, wie man auf den Kreaturen fliegt. Das kann man nirgends lernen. Man versucht es einfach. Das ist sehr körperlich. Jeder Test, der Jake Sully gestellt wird, wird auch Sam gestellt. Wie man sich runter schwingt oder hochklettert. Ich habe Jim gefragt, wie ich es machen soll, und Jim sagte: "Mach es, wie du willst. Das ist ja der Sinn daran!".

Ricore: Sie haben gemeinsam mit Daniel Craig für "Casino Royale" vorgesprochen. Tat es Ihnen am Ende leid, dass Sie nicht der neue James Bond wurden?

Worthington: Daniel und ich waren unter den letzten drei. Und sie haben den perfekten Mann für James Bond ausgesucht. Zu der Zeit war ich mental und emotional zu jung, um etwas von dem Kaliber anzunehmen.

Ricore: Bedauern Sie es nicht, dass Sie nicht genommen wurden?

Worthington: Nicht besonders.

Ricore: Hat James Cameron Ihnen den Unterschied zwischen der "Beowulf"-Technik und dieser erklärt?

Worthington: Der größte Unterschied ist, dass wir die virtuelle Kamera benutzen. So können wir die Welt direkt sehen. Die anderen haben sieben oder acht Monate gewartet. Wenn sie bei den Dreharbeiten durch einen Sumpf laufen mussten, gingen sie danach nach Hause und dachten sich, aha, heute bin ich also durch einen Sumpf gelaufen. Wenn uns gesagt wurde, wir sind hoch oben in einem Baum, und ich gefragt habe, wie hoch, konnte Jim es mir mit der Kamera zeigen. Was man für etwa 100 Meter hoch hält, ist eigentlich zehn Mal so hoch wie das Empire State Building. Meine Reaktion, wenn ich an den Rand des Baumes klettere, ist anders. Es lässt einen mehr ins Detail gehen. Wenn man ans Ufer geht, gibt es einen purpurnen Fleck, der Moos sein soll. Moos ist rutschig, also legen wir etwas auf den Boden, das mich davon abhält, auszurutschen. Durch die Benutzung der virtuellen Kamera kann man als Schauspieler und als Regisseur detaillierter arbeiten. Das ist der Unterschied bei den Dreharbeiten von "Beowulf" und uns. Abgesehen von der Animation, die dazu kommt.
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Sam Worthington und Kollegin Zoë Saldaña
Ricore: Dann waren James und Sie immer in Pandora?

Worthington: Ja, immer. Der graue Bühnenraum wurde zu Pandora. James hat ein Terrain aufgebaut. Man läuft durch Blätter. Wenn etwas explodierte, spürte man die Trümmer. Man hatte immer etwas, auf das man reagieren konnte.

Ricore: Hat er gesagt, warum er den Planeten Pandora genannt hat?

Worthington: Das ist doch offensichtlich, oder? Jim ist ein traditioneller Romantiker. Er hat viele Dinge hineingesteckt, die wir vorher schon in anderen Filmen gesehen haben. Er macht daraus ein Märchen. Für mich öffnet er damit wirklich eine Box.

Ricore: Wie gut kannten Sie sich vor den Dreharbeiten zu "Clash of the Titans" mit griechischer Mythologie aus?

Worthington: Ich habe sie aus dem Fenster geschmissen (lacht). Ich habe ein bisschen reingelesen und dann weggelegt.

Ricore: Haben Sie den Original-Film gesehen?

Worthington: Ja. Die Blogger hassen mich, weil ich ihn nicht mag. Ich denke, zu der Zeit war der Film und die damit verbundene Technik gut. James ist ein großer Fan von Ray Harryhausen, der das Original 1981 drehte. Mir war aber langweilig, als ich den Film gesehen habe. Die Blogger sagen jetzt wieder: "Wie kann der arrogante Australier es nur wagen" (lacht).
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Sam Worthington
Ricore: Was ist der Grund dafür, dass viele Australier so erfolgreich sind?

Worthington: Es liegt glaube ich daran, dass wir in unserem Land alles machen müssen. Auch Theater und Fernsehen - um die Miete zu bezahlen. Es ist eine kleine Industrie. Wenn wir nach Amerika kommen, um mit den großen Jungs zu spielen, dauert es 15 Stunden, um hinzukommen. Da will man seine Zeit nicht verschwenden, und auch nicht deren Zeit. Unsere Arbeitsmoral ist anders und wir können jederzeit zurück gehen. Das gibt uns eine gewisse Freiheit und Mut. Wir Australier sagen, was wir fühlen. Das gibt oft Ärger, aber auch oft das Gegenteil.

Ricore: Wo wohnen Sie derzeit?

Worthington: In Hotelzimmern. Seit "Avatar" hatte ich keine Freizeit. Ich habe fünf Filme hintereinander gedreht.

Ricore: Wo ist Ihr Zuhause?

Worthington: In Sydney. Wenn ich ein paar Tage frei habe, gehe ich zurück nach Sydney.

Ricore: Dann haben Sie keine Familie und Kinder?

Worthington: Nein. Keine, von denen ich weiß. Vielleicht gibt es sie irgendwo.

Ricore: Reparieren Sie als Maurer Dinge zuhause selbst?

Worthington: Ich nutze das mauern oft bei meiner Arbeit. Schauspielen ist wie Maurern. Jeder Film ist ein Gebäude. Wenn man den Film dreht, ist jeder Tag und jede Szene ein Baustein. Wir bauen einen Film, den die Leute anschauen können.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 18. Dezember 2009
Zum Thema
Sam Worthington wächst in Australien auf und macht nach der Schule eine Ausbildung zum Maurer. Durch seine Freundin kommt er zur Schauspielerei und beginnt eine Ausbildung am Pierce Brosnan gehandelt - diese Rolle allerdings geht an Daniel Craig. Dies bereut er aber nicht. Immerhin ergattert er 2007 die Hauptrolle in James Camerons "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Seitdem ist er in zahlreichen Action-Blockbustern zu sehen.
Bereits in den 1990er Jahren entwickelt James Cameron ("Titanic") die Idee zu einem farbenprächtigen Abenteuerspektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts sah er die Zeit gekommen, um mit den technischen Möglichkeiten seine Vision von Pandora umzusetzen. Ins Zentrum der Handlung steckt er einen querschnittsgelähmten, von der Welt und dem Leben enttäuschten jungen Mann. Mit seinem Avatar lernt er auf Pandora neue Lebensfreude kennen. Allerdings stürzt ihn..
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