Ricore
Peter Lohmeyer: die Komplexität des Alters
Interview: Der Tod des Kinos
Jährlich lockt das Oktoberfest Millionen Besucher auf die Theresienwiese. Der ehemalige Bildhauer Johannes Brunner nahm dieses Phänomen als Ausgangslage und beleuchtet in seinem Episodenfilm "Oktoberfest" sieben Schicksale von Volksfestbesuchern und Schaustellern. Nicht auf der Wies'n, sondern im Rahmen des Münchner Filmfests trafen wir Hauptdarsteller Peter Lohmeyer (43) zum Gespräch.
erschienen am 4. 09. 2005
Movienet Film
Peter Lohmeyer in: "Oktoberfest"
Ricore: Herr Lohmeyer, ein Dreh auf dem Oktoberfest ist ein komplexes und vor allem schwieriges Unterfangen. Lag in dieser Herausforderung der Grund für Ihre Zusage?

Peter Lohmeyer: Mitunter sicherlich, aber eigentlich hat mich in erster Linie das Drehbuch und der Inhalt der verschiedenen Einzelepisoden fasziniert. Außerdem ist der Regisseur Johannes Brunner eigentlich Bildhauer und erzählt Geschichten ohne die sonst so übliche Filmroutine. Für mich war das ein sehr erfrischendes Arbeiten. Über das Oktoberfest an sich weiß ich nicht viel. Vor dem Dreh bin ich nämlich noch nie dort gewesen.

Ricore: Haben Sie das größte Volksfest der Welt bewusst gemieden?

Lohmeyer: Es hat einfach nie geklappt. Entweder meine Tochter hatte Geburtstag oder wir waren in Herbstferien. Jetzt, nach dem Dreh, verstehe ich wenigstens die oberste Grundregel: Wirklichen Spaß hat man dort erst, wenn man mindestens zwei Maß intus hat. (lacht)

Ricore: Hat Ihnen die Atmosphäre gefallen?

Lohmeyer: Doch schon, aber mein Ding ist es nicht. Zum einen bin ich eher Weintrinker, zum anderen stehe ich mehr auf Kölner Karneval und Weiberfastnacht. Ich bin auch keiner von den Typen, der sich mit Bier zuknallt und dann auf den Tischen tanzt. Aber die Stimmung vor Ort war trotzdem klasse.

Ricore: Eines zentrales Thema Ihres Films ist das Attentat von 1980, bei dem dutzende Menschen ums Leben kamen. Haben Sie noch Erinnerungen an damals?

Lohmeyer: Ich weiß nicht mehr genau, wo ich zu dem Zeitpunkt war, aber geschockt waren wir alle. Der Begriff "Selbstmordattentäter" war für uns etwas völlig neues, etwas, mit dem keiner gerechnet hat. Ich fand es befremdlich, dass am nächsten Tag die Fahrgeschäfte wieder gefahren sind - so als wäre nichts gewesen. Aber so eine Finanzmaschine muss offenbar weiter rollen.

Ricore: Sie spielen einen gestressten Familienvater, der mit seinen Kindern einige unbeschwerte Stunden auf dem Volksfest verbringen möchte. Wie schaffen Sie privat die Balance zwischen Familie und Beruf?

Lohmeyer: Man muss sich immer seiner Verantwortung bewusst sein. Ich versuche immer, etwa sechs Monate pro Jahr nicht zu arbeiten, um für meine Kinder da zu sein. Am Theater ist man auch mehr Sklave des Regisseurs als an einem Filmset. Das war mitunter der Grund, warum ich die Arbeit an der Bühne aufgegeben habe. Ich möchte genau wissen, wann ich meine Familie sehe und wann ich längere Zeit nicht da sein werde. Ich muss planen können. Falls ich mal zuviel gearbeitet habe, sage ich auch ohne weiteres einen lukrativen Job in der Karibik ab. In solchen Fällen bin ich kategorisch.
Senator Film Verleih
Peter Lohmeyer in: Das Wunder von Bern
Ricore: Ihre Frau - eine Kameraassistentin - ist ebenfalls im Filmbereich tätig. Kann man so eine Art von Job dann wirklich ausblenden?

Lohmeyer: Natürlich ist es vorteilhaft, dass sie meine Arbeit nachvollziehen kann. Sie weiß, wie sehr ein sechzehnstündiger Drehtag belastet. Sie weiß, dass es manchmal einfach keinen Sinn macht, die Familie für zwei Monate mit an einen Drehort zu nehmen. Aber eigentlich grenzen wir das Thema einfach aus unseren Gesprächen aus. Schließlich bin ich nicht mit meinem Job verheiratet.

Ricore: Eigentlich definieren sich Männer doch oft über ihre Arbeit!

Lohmeyer: Mein Problem ist, dass ich viel zu viele Interessen habe. Ich mache neuerdings Musik, habe mit Malerei begonnen und muss mich ganz nebenbei noch um meine vier Racker kümmern.

Ricore: Wird das Leben wirklich - wie Sie in "Oktoberfest" behaupten - mit zunehmendem Alter komplizierter?

Lohmeyer: Man kann das natürlich nicht kategorisch behaupten, aber in meinem Fall stimmt es eigentlich schon. Wenn man jung ist, sind Probleme oft Haus gemacht, wenn die Kinder da sind, sind sie nicht mehr wegzuleugnen. Das soll nun gar nicht negativ klingen, denn Kinder haben mehr als genug Vorzüge, aber die Verpflichtungen nehmen schon enorm zu. Kindergarten, Schule, Sprechstunde, Musikunterricht... Wenn man wie ich vier Kinder von zwei Frauen hat, kann man sich vorstellen, dass mein Leben nicht völlig unkompliziert abläuft. Aber genauso weiß ich, dass sie irgendwann auf eigenen Füßen stehen werden und ich dann auch wieder mehr Zeit für mich habe.

Ricore: Wie entspannen Sie?

Lohmeyer: Manchmal träume ich ganz bewusst. Dann sitze ich an meinem Schreibtisch und genieße die Langeweile. Meinetwegen sogar für ein paar Stunden, ich betrachte das als den ultimativen Luxus. Natürlich verschleppe ich dadurch auch Dinge, wie etwa auf meinem Schreibtisch Ordnung zu halten. Umso besser ist dafür mein aktueller Tagtraum: Ich hätte gerne einen eigenen Fußballplatz. Langeweile an sich hat also etwas ganz Großes!

Ricore: Ihre letzten beiden Filme "Playa del Futuro - Suche nach dem Glück" und "Am Tag als Bobby Ewing starb" fanden mit 17.000 bzw. 52.000 Zuschauern eher verhaltenen Anklang. Sind Sie persönlich mit dem Ergebnis zufrieden?

Lohmeyer: Auch wenn der Kopienschnitt von "Am Tag als Bobby Ewing starb" zeitweise "Star Wars: Episode III" geschlagen hat, hätte ich mir bei beiden Filmen mehr erwartet. Zugegebenermaßen bin ich auch etwas enttäuscht. Aber Erfolg oder Misserfolg lässt sich einfach nicht voraussehen. Ich hoffe nur, dass in Zukunft wieder mehr Zuschauer in die Kinos gehen. Die Lage ist äußerst kritisch geworden. Ob uns der Tod des Kinos bevorsteht? Hoffentlich nicht. Die Leinwand ist meine Heimat und davon lasse ich mich nicht vertreiben.
erschienen am 4. September 2005
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2024