Süddeutsche Zeitung
Erdbeer und Schokolade

Erdbeer und Schokolade (Süddeutsche Zeitung Cinemathek - Berlinale)

Originaltitel
Fresa y chocolate
Alternativ
Erdbeer & Schokolade
Regie
Tomás Gutiérrez Alea, Juan Carlos Tabío
Darsteller
Diana Iris del Puerto, Zolanda Oña, María Elena del Toro, Ricardo Ávila, Antonio Carmona, Andrés Cortina
Medium
DVD
Im Handel ab
09.01.2010 bei Süddeutsche Zeitung
Kinostart Deutschland
Erdbeer und Schokolade
Genre
Komödie, Drama
Land
Kuba, Mexiko, Spanien
Jahr
1994
FSK
ab 12 Jahren
Länge
106 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
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Extras: Berlinale-Trailer
Respekt und Toleranz in Kuba gegenüber Schwulen
In den 90er Jahre sitzt der linientreue Student David (Vladimir Cruz) in dem Eiscafé Havannas. Tief getroffen von der Hochzeit seiner ersten großen Liebe löffelt er unmotiviert in seiner Eiscreme. Das scheint dem selbstbewussten Diego (Jorge Perugorría) aber einerlei. Ohne zu fragen setzt er sich zu dem Leidenden und bringt ihn bald arg in Verlegenheit. Diego, ein homosexueller Künstler und redegewandter Systemkritiker setzt seinen ganzen Charme ein, um den irritierten Jüngling zu verführen. Doch sein Werben stößt auf taube Ohren. Der kommunistische Student beschließt mit seinem Freund und Kameraden Miguel (Francisco Gattorno) den verdächtig erscheinenden Künstler genauer unter die Lupe zu nehmen.

Gegebenenfalls wollen sie den schrägen Vogel als Staatsfeind bloßstellen. Aus der anfänglichen Spionage entwickelt sich aber bald eine tiefe Freundschaft. Diego verstrickt David in immer wildere Debatten, in denen es gleichermaßen um persönliche wie politische Freiheiten geht. Der leidenschaftliche Kulturkenner erinnert David an vergessene Traditionen und zeigt ihm, dass Vaterlandsliebe nichts mit Ideologie zu tun hat. Unter dem Einfluss von Maria Callas, amerikanischen Whisky und englischen Tee, beginnt David die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Nachdem Diegos Pläne für eine politisch riskante Ausstellung scheitern, häufen sich seine Probleme.
Erdbeer- oder Schokoladeneis? Tomás Gutiérrez Alea und Juan Carlos Tabío zeigen, dass auch in Kuba Toleranz und Respekt nicht selbstverständlich sind. Natürlich hat man immer die Wahl, ob man wie zunächst David (Vladimir Cruz) ein Leben lang mit Scheuklappen durch die Welt geht oder einfach das Leben so lebt, wie man es für richtig hält. Letzteres ist im kommunistischen Kuba sicher nicht einfach.

Die lateinamerikanische Sozialstudie zeigt mal bewegt, mal amüsant, wie zwei Künstler, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, Kuba wahrnehmen. Dabei konzentriert sich die Tragikomödie nicht auf die schöne Umgebung und lässt sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit gezielt auf die in Kuba perfektionierte Kunst des Überlebens. Verständlich, dass sie von der staatlichen Zensur verboten wird. Zu Recht wurde "Erdbeer & Schokolade" als erster kubanischer Film für den Oscar nominiert.
Heike Maleschka/Filmreporter.de
2024