The Walt Disney Company (Germany)
Poor Things (2023)

Poor Things

Originaltitel
Poor Things
Regie
Yorgos Lanthimos
Darsteller
Emma Stone, Willem Dafoe, Vicki Pepperdine, Ramy Youssef, Jack Barton, Charlie Hiscock
Kinostart:
Deutschland, am 18.01.2024 bei The Walt Disney Company (Germany)
Kinostart:
Österreich, am 18.01.2024 bei The Walt Disney Company Austria
Kinostart:
Schweiz, am 18.01.2024 bei The Walt Disney Company Switzerland
Genre
Romanze, Science Fiction
Land
USA, Irland, Großbritannien
Jahr
2023
FSK
ab 16 Jahren
Länge
141 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Frankenstein mit einer Prise Pygmalion
Max McCandless (Ramy Youssef) ist noch Student, als ihn Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe), Spitzname Gott, als Assistent anheuert. Max soll die Fortschritte von Baxters vorgeblichen Mündels Bella (Emma Stone) dokumentieren. Die junge Schönheit benimmt sich wie ein trotziges Kind und darf das Haus nie verlassen.

Langsam kommt McCandles hinter die Geheimnisse von Bellas Dasein: Die äußere Hülle gehört einer jungen Frau, die sich hochschwanger in der Themse ertränken wollte. Der Mediziner belebte sie wieder, zuvor hatte er ihr das Gehirn des ungeborenen Kindes eingepflanzt. Bella entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit vom Kleinkind zu einer Teenagerin und zur jungen Frau. Bald entdeckt sie ihre sexuellen Bedürfnisse.

Sie lebt diese ungezügelt mit Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) aus, doch wird sie bald der Enge der Beziehung mit dem Lebemann müde. Da ihr der bürgerliche Moralkompass fehlt, verkauft sie ihren Körper mit großer Naivität in einem Bordell. Dort kommt sie auch mit den Ideen von Kommunismus und Feminismus in Kontakt.
Yorgos Lanthimos würzt Mary Shelleys Frankenstein mit einer Prise von George Bernard Shaws "Pygmalion". Dafür wird er auf den Filmfestspielen von Venedig 2023 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Sein "Poor Things" basiert auf dem Roman "Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D. Scottish Public Health Officer" des Schotten Alasdair Gray aus dem Jahr 1992. Der Science-Fiction knüpft inhaltlich durch die erneute Verwendung des Motivs der in gesellschaftlichen Konventionen eingesperrten Frau an frühere Werke von Lanthimos an, ist durch seine künstlerische Struktur aber wesentlich verständlicher für den Zuschauer als viele verkopfte Filme des seit Jahren gefeierten Regisseurs. Die Klarheit dürfte auch der erneuten Zusammenarbeit mit dem australischen Autor Australier Tony McNamara zu verdanken sein, der auch bei Lanthimos' "The Favourite - Intrigen und Irrsinn" (2018) Koautor ist.

Obwohl die Handlung der bizarr-makabren Komödie nach der Hälfte der Laufzeit aus dem pittoresk ausgestatten viktorianischen England in eine Fantasiewelt wechselt, die den verzerrten Vorstellungen der britischen Oberschicht des damaligen Europa entspricht, ist die Story scheinbar zeitlos. Lanthimos bettet die Emanzipationsgeschichte Bellas in Diskussionen ein, die Medizin, Wissenschaft und Gesellschaft seit mehr als 100 Jahren intensiv beschäftigen. Im Zentrum steht dabei unübersehbar die Frage, inwieweit der Mensch ein Produkt der Natur ist und welchen Einfluss Erziehung und Erfahrung auf die Entwicklung haben. Dafür konstruiert er zwei Grundtypen: da ist zum ersten Baxter, unübersehbar von den Grausamkeiten seines eigenen Vaters psychisch und physisch gezeichnet. Bella hatte keine richtige Kindheit und Erziehung. Baxter wollte sie formen, hat aber den Eigensinn und die Freiheitsliebe der jungen einst verstorbenen und wiederbelebten Engländerin unterschätzt. Der Einfluss ihres Ziehvaters scheint spurlos an ihr vorbeizugehen.

Getragen wird der Film von Emma Stone, die Bella eine entwaffnende, primitive Naivität gibt. Sie spiel ein junges Mädchen, das zu einer Frau reift, die ihre Sexualität natürlich auslebt und keinerlei gesellschaftliche Konventionen kennt. Einmal entdeckt, bedeutet ihr die eigene Freiheit alles. Doch sie versteht auch, dass sie nicht im Luftleeren Raum lebt und ergreift die Gelegenheiten, die die nähere Umwelt bietet.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
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2024