Auf der Adamant

Nach dem hochgelobten Dokumentarfilm "Sein und Haben - Être et avoir" aus dem Jahr 2004, in der er eine Dorfschulklasse eines Lehrers proträtiert, der Schüler von vier bis 12 Jahren gleichzeitig unterrichtet, legt Regisseur Nicolas Philibert seine zweite filmische Sozialstudie vor. Auch hier zeigt er die Gleichwertigkeit aller Menschen und proträtiert für deren Gleichbehandlung. Der Lehrer im 200-Seelen-Örtchen Saint-Étienne-sur-Usson muss alle Kinder unterrichten, egal aus welcher Familie sie stammen und welche individuellen Stärken sie haben. Ebenso sollen, das ist die Botschaft des Films, Menschen mit psychischen Krankheiten ihre Fähigkeiten entfalten können und nicht ausgegrenzt werden.

Der Film wird mit dem Goldenen Bären des Wettbewerbs der Berlinale 2023 ausgezeichnet. Künstlerisch knüpft er an "Sein und Haben" durchaus an. Die Kamera ist auch in dieser Langzeitbeobachtung stiller Beobachter in diesem Zufluchtsort, der zugleich ein Ruhepol von der Hektik der Großstadt ist. Die Kunst von Nicolas Philibert ist es, den Menschen nahe zu kommen, damit sie Auskunft über sich geben. Auf einen einordneten Kommentar verzichtet er.

Diese beobachtende Form des Dokumentarfilms, bei dem der Zuschauer quasi durch ein Schlüsselloch blickt, beherrscht der Regisseur meisterhaft. Allerdings stellt sich bald ein Gefühl der Ermüdung beim Schauen des Films durch den gleichförmigen Rhythmus des Films sowie die sich ähnelnden Bilder und Aussagen der Bewohner des Schiffes ein. Wirklich Neues über die Situation von psychisch Kranken erfährt der Zuschauer ebenso wenig, wie einst über die Dorfschule. Eher bewahrt er eine Momentaufnahme für die Nachwelt.