Real Fiction
Die Rüden (2018)

Die Rüden

Originaltitel
Die Rüden
Regie
Connie Walther
Darsteller
Nadin Matthews, Ibrahim Al-Kalil, Konstantin-Philippe Benedikt, Ali Khalil, Marcel Andrée, Sabine Winterfeldt
Kinostart:
Deutschland, am 20.08.2020 bei Real Fiction
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
2018
FSK
ab 12 Jahren
Länge
107 min.
IMDB
IMDB
Homepage
https://dierueden-derfilm.de
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brillant  10|
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Psychodrama mit ungewöhnlichem Ansatz
Hundetrainerin Lu (Nadin Matthews) ist neu im Team eines Gefängnisses, in dem gewalttätige Männer ihre Strafe absitzen. Deren primäres Ziel heißt zwei Drittel. Nachdem sie zwei Drittel ihrer Haftzeit abgesessen haben, hoffen sie auf eine zweite Chance und einen Neuanfang in der Gesellschaft. Dafür müssen sie aber nachweisen, dass sie für die Gesellschaft keine Gefahr mehr sind und sich geändert haben. Daher lassen sich vier Männer, die ihre Aggressionen bislang nicht zügeln können, mehr oder minder freiwillig auf das Antigewaltprogramm von Lu ein.

Was die Häftlinge verbrochen haben, will Lu nicht wissen. Sie will ihnen vorurteilsfrei begegnen. Ihr Ziel ist, dass die vier Häftlinge sich den eigenen Ängsten und Traumata durch die Begegnung mit schwer traumatisierten Hunden annähern und sich im Training selbst erfahren. Die skeptische Anstaltspsychologin (Sabine Winterfeldt) und ihr Kollege beobachten die täglichen Begegnungen von Mensch und Tier in einer Art Arena und hinterfragen in Einzelgesprächen die vermeintlichen Fortschritte.
Connie Walthers Film baut auf der These auf, dass der Hund immer das Spiegelbild eines Menschen sei. Sie konzipierte den Film gemeinsam mit der Hundetrainerin und Körperpsychotherapeutin Nadin Matthews, die Hundebesitzern den adäquaten Umgang mit dem Tier lehrt und ihm dabei auch Tipps zur eigenen Haltung gibt. Gedreht wurde "Die Rüden" mit entlassenen Strafgefangenen und aggressiven Hunden.

Sein ungewöhnlicher künstlerischer Ansatz und seine Machart machten das Psychodrama zum Must-see- und meist diskutierten Film beim Festival von Hof 2019. Die heftigen Kontroversen verwundern nicht. Der mit Anlehnungen an das dystopische Szenario mancher Science-Fiction-Filme inszenierte Drama wirkt wie eine Versuchsanordnung, um die These zu beweisen, dass aggressives Verhalten bei Männchen verschiedener Spezies mit den gleichen Methoden kuriert werden kann.

Diesen Ansatz durchschaut der Zuschauer allzu schnell, die Handlung wird dadurch sehr vorhersehbar. Die Männer reagieren, wie Lu und die Psychologen es erwarten. Das Quartett reflektiert präzise und ist in der Lage, seine Gefühle genau auszudrücken. Ihre Reaktion auf Lu und die Hunden spricht für eine soziale Intelligenz, die sie in den Gesprächen mit der Anstaltspsychologin nicht zu erkennen geben.

So wirkt die gezeigte Therapie wie eine Versuchsanordnung aus einem Psychologielehrbuch für das Antiaggressionsverhaltenstraining von Häftlingen mit Hunden. Niemals passiert irgendetwas Überraschendes. Es reicht aber nicht, psychologische Verhaltensmuster zu kennen. Filmdramaturgie bedeutet, das Leben in all seinen Abweichungen und Facetten zu zeigen.

Die sterile Versuchsanordnung wird in eine surreale Umgebung gepackt. Das graue, unwirtliche Rondell, in dem sich die angeleinten Hunde und Menschen begegnen, wäre vor 2.000 Jahren die Trainingsstätte von Gladiatoren gewesen. Die Anstaltsmitarbeiter kleiden sich uniform mit einer geheimnisvollen Kette um den Hals, Ihre sandfarbene Kleidung erinnert im Schnitt an die Uniformen der Crew des Raumschiffes Enterprise. Die Gefangenen tragen nicht Orange, sondern blass-blaue Overalls. Die klassische Erkennungsfarbe der Männer wurde so lange mit Weiß verdünnt, bis sie kaum noch kenntlich ist. Wer klassische Männlichkeitsideale entlarven soll, braucht nicht so plump vorzugehen.

Lu wirkt mit ihren Tätowierungen, ihrer punkig angehauchten Frisur und ihrer schwarzen Kleidung dagegen wie eine Amazone, die in irgendeinem Endzeitepos sofort in den Kampf ziehen würde. Und natürlich verbirgt sie hinter ihrer Unnahbarkeit ihre eigenen Probleme. Aber das kann bei dieser Kopfgeburt auch keinen überraschen.
 
Sein ungewöhnlicher künstlerischer Ansatz machen "Die Rüden" zum viel diskutierten Film.
Real Fiction, Tom Trambow
Die Rüden (2018)
2024