Tobis Film
Der Mauretanier ("The Mauritanian", 2020)

Der Mauretanier

(K)eine Frage der Gerechtigkeit
Originaltitel
The Mauritanian
Alternativ
Guantanamo Diary; Prisoner 760
Regie
Kevin Macdonald
Darsteller
Tahar Rahim, Nouhe Hamady Bari, Saadna Hamoud, Mohamed Yeslem Mousse, Mohamed Abderrahmane Arava, Aly Deyde
Kinostart:
Deutschland, am 10.06.2021 bei TOBIS Film
Genre
Thriller
Land
Großbritannien, USA
Jahr
2021
FSK
ab 12 Jahren
Länge
129 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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Solide inszenierter Thriller von Kevin Macdonald
Der Mauretanier Mohamedou Ould Salahi (Tahar Rahim) wird von seiner Regierung 2001 an die US-Behörden ausgeliefert, weil sein Cousin nach den Anschlägen des 11. September 2001 gesucht wird. Nach einer Odyssee über mehrere geheime Lager landet er 2003 in Guantanamo. Mittlerweile hat ihn ein Mitglied der Terrorzelle von Al-Qaida als Anwerber der deutschen Todespiloten denunziert.

Seine Angehörigen suchen für ihn 2005 rechtlichen Beistand in den USA. Nancy Hollander (Jodie Foster), seit dem Vietnam-Krieg als engagierte Verteidigerin bekannt, und ihre junge Mitarbeiterin Teri Duncan (Shailene Woodley), die bei der ersten Begegnung mit Slahi ein wenig mit ihm flirtet und einen guten Draht aufbaut, übernehmen das Mandat. Sie wollen die amerikanische Regierung dazu bringen, einen Haftprüfungstermin festzulegen und den Prozess zu eröffnen.

Während sie um die Herausgabe der Beweise für Slahis Schuld kämpfen und öffentlich angefeindet werden, bereitet Staatsanwalt Lt. Colonel Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) die Anklage vor. Er steht enorm unter Druck, die Todesstrafe für Slahi durchzufechten. Dafür kämpft er ebenso wie Hollander um die Herausgabe der original Verhörprotokolle.
Wenn beide unabhängig voneinander die Aufzeichnungen zu Mohamedou Ould Salahis unter Folter erzwungenem Geständnis lesen, gehört dies zu den emotional stärksten Szenen des solide inszenierten Polit-Thrillers. Genre-Spezialist Kevin Macdonald macht die Folter über den Schnitt und die Toneffekte für den Zuschauer auch physisch erlebbar.

Der Schotte stützt sich auf Slahis in etliche Sprachen übersetzte Erinnerungen "Guantánamo Diary". Die Gefühle des Gefangenen stehen stets im Zentrum des menschlichen Dramas, was "Der Mauretanier" innerhalb des Genres zum Solitär macht. Jodie Foster und Benedict Cumberbatch sind wie immer brillant. Sie überlassen Tahar Rahim die Bühne. Ihre Figuren wirken ein wenig klischeehaft als stramme, heldenhafte Verteidiger amerikanischer Grundwerte. Andererseits übernahmen wohl nur Menschen, die sich damals nicht vom Zorn und Racheschwur anstecken lassen, die Verteidigung der Inhaftierten bzw. bestehen als Ankläger auf gerichtsfesten Beweisen.

Der Zuschauer kann auch die patriotische Verteidigungsrede Slahis mit ihrem Loblied auf die amerikanische Justiz zu Beginn des Prozesses als zu dick aufgetragen empfinden. Sie wird aber klug von MacDonald eingeführt, wenn der Afrikaner von all den amerikanischen TV-Serien erzählt, die sein Bild vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten prägen.

Der Film beschränkt sich darauf, ausschließlich die Menschen auf Slahis Seite zu porträtieren. Denn schnell ist klar, dass Staatsanwalt Lt. Colonel Stuart Couch seine Prinzipien über die Staatsräson stellt. Diese Dramaturgie mag irritieren, weil ein klassischer Antagonist fehlt, unterstreicht aber letztlich die Situation der Drei. Sie stehen einer perfekt geölten Maschinerie ohne Namen und Gesicht gegenüber, in der jeder die Verantwortung auf George W. Bush Jr. und Donald Rumsfeld abschiebt. Ihr Gefühl, gegen eine gläserne Wand zu rennen, überträgt sich peu à peu auf den Zuschauer.

Dass Slahi nach dem Freispruch am Anfang der Präsidentschaft des Friedensnobelpreisträger Barack Obama bis zu deren Ende weiter in Guantanamo sitzt und auf das Ergebnis der von der Regierung angestrebten Revision wartet, macht seinen Fall auch politisch so spektakulär. Und letztlich erinnert der Film daran, dass das Lager auf Kuba trotz aller Versprechen noch immer nicht geschlossen ist. 40 Menschen sitzen dort seit knapp 20 Jahren ein ohne je verurteilt worden zu sein.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Mohamedou Ould Salahi gerät in die Mühlen der US-Folterkratie. Leider auf wahrer Begebenheit basierender Politthriller.
 
Die Szenenbilder des solide inszenierten Polit-Thrillers.
Tobis Film
Tahar Rahin & Jodie Foster in "Der Mauretanier" ("The Mauritanian", 2020)
2024