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Verlorene Illusionen ("Illusions perdues", 2021)

Verlorene Illusionen

Originaltitel
Illusions perdues
Alternativ
Lost Illusions
Regie
Xavier Giannoli
Darsteller
Benjamin Voisin, Cécile de France, Vincent Lacoste, Xavier Dolan, Salomé Dewaels, Jeanne Balibar
Kinostart:
Deutschland, am 22.12.2022 bei Cinemien
Kinostart:
Österreich, am 20.10.2022 bei Cinemien
Kinostart:
Schweiz, am 14.07.2022 bei Pathé Films
Genre
Romanze
Land
Frankreich, Belgien
Jahr
2021
FSK
ab 12 Jahren
Länge
149 min.
IMDB
IMDB
Homepage
https://cinemien.de/film/verlorene-illusionen/
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Satire über Auswüchse des Boulevard-Journalismus
Paris, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Metropole an der Seine ist für den ehrgeizigen Schriftsteller und Journalisten Lucien (Benjamin Voisin) das Ziel der Träume. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil seine Liaison mit seiner verheirateten Gönnerin Louise (Cécile de France) in der Provinz aufgeflogen ist. Natürlich ist auch sie in den Salons der französischen Hauptstadt präsent. Deshalb hofft der begabte Schreiberling, sie wiederzusehen. Außerdem findet er dort den Stoff für seine Berichte aus der Welt der Reichen und Schönen.
BR>Die geneigte Leserschaft schätzt auch seine gehässigen Verrisse von Romanen und schlüpfrigen Portraits berühmter Persönlichkeiten. Einem kleinen Geschenk oder einem Zuwachs in seinem Geldbeutel ist der leichtgläubige wie skrupellose Klatschjournalist nie abgeneigt, um selbst von seiner spitzen Feder verschont zu bleiben oder die Diffamierung des Erzfeindes auszulösen. Andere Spender können sich einer guten Kritik einer Theateraufführung sicher sein. Seinen Reichtum stellt Lucien offen zur Schau, was seinen Feinden genügend Nahrung gibt. Der Emporkömmling rückt bald selbst ins Scheinwerferlicht des Boulevards, der bekanntlich keine Gnade kennt.
Der dreibändige Roman von Honoré de Balzac entsteht zwischen 1837 und 1843. Die harte zeitgenössische Gesellschaftskritik gilt bis heute als eine der treffendsten und scharfsinnigsten Beobachtungen der Auswüchse des Journalismus nach der französischen Revolution und der biederen Gesellschaft der französischen Hauptstadt.

Obwohl die Verfilmung die flirrende Atmosphäre in den Salons und der Redaktionen authentisch nachstellt, sind die Parallelen zu unserer Gegenwart nicht zu übersehen. Noch immer schreibt der Boulevard seine Helden hoch, noch heute blickt er gnadenlos durch jedes Schlüsselloch und lässt die einst Gefeierten irgendwann wie eine heiße Kartoffel fallen. Konkurrenz bekommt er heute von Influencern, die die Hand aufhalten und deren flachen, kritikfreien Ergüsse viele mit echtem Journalismus verwechseln.

Ganz nebenbei entlarvt Balzac schon damals die Mär vom Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär, an die bis heute viele glauben. Doch so ganz zünden will das Sittengemälde nie, bei dem sichtbar viel Geld in Ausstattung und Kostüme fließt. Es fehlt eine zeitgemäße, dramaturgisch schlüssige Übersetzung des Geschehens. Der Erzählfluss wabert zu behäbig vor sich hin. Von vielen toll fotografierten Szenen kann sich der Regisseur nicht trennen, obwohl sie die Handlung nicht voranbringen. Hier hat offenbar der zähe Stil vieler Streaming-Serien abgefärbt, die nie recht zu Potte kommen.

Aber auch inhaltlich entgleiten ihm die Zügel. Spätestens nach der Hälfte der Laufzeit hat der Zuschauer kapiert, worum es geht. Der Rest ist Wiederholung und der erwartete Abstieg, bei dem selbst der geneigte Zuschauer unruhig auf seinem Kinostuhl rumrutscht und das Ende des Films herbeisehnt.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Honoré de Balzacs Gesellschaftskritik gilt bis heute als eine der scharfsinnigsten Beobachtungen der Auswüchse des Journalismus nach der...
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