Gebürtig
Opfer-Sohn trifft Täter-Sohn
Feature: Zurück in die Heimat?
"Gebürtig" erschien 1992 als erster Roman des österreichischen Autors Robert Schindel (60), der vor allem als Lyriker und Drehbuchautor arbeitet. Der Film, zehn Jahre nach Erscheinen des Buches entstanden, basiert auf dem Drehbuch, das Schindel zusammen mit dem Dokumentar-Filmer und Drehbuchautor Georg Stefan Troller und mit Regisseur Lukas Stepanik ("Professor Niedlich") geschrieben hat.
erschienen am 18. 04. 2004
Szene aus: Gebürtig
Wien, 1987, es ist noch vor der Wende in Deutschland, vor dem Mauerfall, und in Österreich ist es die Zeit des umstrittenen Kurt Waldheim. In Wien casten sie gerade für eine große amerikanische Filmproduktion, ein Film, der im Konzentrationslager spielt. Jüdisch anmutende Komparsen und Statisten suchen sie, und Daniel Demant (August Zirner), seines Zeichens politischer Kabarettist, er ist den Amis jüdisch genug, steht bald schon mit Maske und gestreiftem KZ-Hemd in Auschwitz. Dort, wo es kalt und klamm und unwirtlich ist, begegnet er, der Sohn eines Opfers, dem Hamburger Journalisten Konrad Sachs (Daniel Olbrychski), dessen Vater einer der relevanten SS-Ärzte war, die an lebenden Menschen experimentierten.

Opfer-Sohn trifft Täter-Sohn. Und beide kommen mit der Gegenwart, die von der Vergangenheit so sehr eingefärbt wird, nicht zurecht. Nicht anders geht es Hermann Gebirtig (Peter Simonischek), der als erfolgreicher Komponist in New York lebt, dort, wo er weit weg von allem ist, was er mit Wien verbindet, etwa die Deportation und Ermordung beider Eltern. Gebirtigs Flucht ist mit seiner geographischen Emigration die größte, er will von all dem nichts mehr wissen. Das ändert sich erst, als sich eines Tages die Journalistin Susanne Ressel (Ruth Rieser) aufmacht, den Komponisten davon zu überzeugen, in einem Wiener Prozess gegen den überlebenden KZ-Mann Pointner auszusagen. Pointner wurde im Lager als "Schädelknacker von Ebbensee" gefürchtet. Gebirtig lehnt erst ab. Dann, plötzlich, gibt er nach und reist fast überhastet nach Wien.
Szene aus: Gebürtig
Die Regie dieser österreichisch-deutsch-polnischen Coproduktion übernahmen Robert Schindel und Lukas Stepanik gemeinsam. Es ist ihnen gelungen, die Vorlage auf einen 110-Minuten-Film zu komprimieren, ohne dass sich das Gefühl einstellt, alle und alles fehlten. Zwar ist der szenische Wechsel mitunter etwas abrupt und nicht immer ganz nachvollziehbar, doch das Atmosphärische, das gelingt ihnen gut. Es ist dieses Unbehagen, das einen unweigerlich überkommt. Ein Unbehagen, verbunden mit Unbehaustsein, diesem Flüchten, Wandern, geistigem wie geographischem.

Das spiegelt sich in den drei männlichen Protagonisten gut wieder, dem Kabarettisten mit seinen Frauengeschichten, dem getriebenen Journalisten mit seinen massiven Selbstzweifeln, und dem Komponisten mit dem großen Gestus. August Zirner, Daniel Olbrychski und Peter Simonischek, sie sind allesamt wunderbar besetzt. Die Frauenfiguren sind deutlich schwächer angelegt, die Ärztin Crissie Kalteisen (Katja Weitzenböck), die sich in den Kabarettisten Daniel verliebt, der noch mit Susanne Ressel zusammen ist, die sich wiederum in New York in Gebirtig verlieben wird. In Gastauftritten sind in "Gebürtig" Otto Tausig und Corinna Harfouch zu sehen. Ein kleines, ein zwar an sich nicht schönes, aber eben eindringliches und glaubwürdiges Drama.
erschienen am 18. April 2004
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