Walt Disney
Der Schatzplanet
Bilderverliebter Schatzplanet
Feature: Disneys neustes Trickabenteuer
"Der Schatzplanet" will Eindruck schinden - was Disneys neuem Trickfilmabenteuer auch gelingt. Doch der in seine eigene Optik verliebte Film, der den Roman "Die Schatzinsel" ins Weltall transferiert, hat andere Schwächen, die man von den erfahrenen Machern nicht erwartet hätte.
erschienen am 28. 11. 2002
The Walt Disney Company (Germany)
"Der Schatzplanet"
"Aladdin", "Die kleine Meerjungfrau" und "Herkules": Ron Clements und John Musker sind für drei der großen Trickfilm-Hits verantwortlich, die Disney in den 90er-Jahren aus der Krise halfen. Mit ihren Leinwand-Musicals begeisterten die beiden Regisseure seinerzeit ein breites Publikum von Jung bis Alt, denn Musicals - so lautet eine Binsenweisheit - sind für sämtliche Altergruppen attraktiv.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Diese Zeiten sind vorbei, das Trickfilm-Genre definiert sich seit fünf Jahren neu. Angeführt von Produktionsfirmen mit High-Tech-Namen wie Pacific Data Images und Pixar verdrängen im Computer generierte Helden die traditionell gezeichneten Figuren. Das zweidimensionale Trickfilmkino von "Schneewittchen" scheint vom Aussterben bedroht.

Doch Disney und die Konkurrenz von DreamWorks halten für ausgewählte Filmprojekte vorerst noch an der konventionellen Zeichentechnik fest - allerdings unterstützt von 3D-Software und Grafikcomputern. Disneys "Der Schatzplanet" ist so ein Zwitter: ein Übergangsprojekt, das sich bemüht, Alt und Neu technisch und inhaltlich zu verbinden und das Genre dabei neu zu definieren.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Immerhin haben Ron Clements und John Musker dieses Kunststück vor gut 13 Jahren mit "Die kleine Meerjungfrau" schon einmal vollbracht. Es folgten "Aladdin" und "Herkules", und viele Bilder und Ideen dieser Filme werden in "Der Schatzplanet" zitiert. Auf der Strecke ist dabei der Musical-Aspekt geblieben, es gibt nur einen unspektakulären Song im Hintergrund der Handlung.

Diese Handlung ist, man ahnt es längst, eine Replik von Robert Louis Stevensons Jugendroman "Die Schatzinsel", verlegt in eine Science-Fiction-Welt, wo Galeonen durch den Weltraum segeln und einbeinige Piraten sich als unholdige Cyborgs outen, die sogar dem Terminator trotzen könnten.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus
Jim Hawkins (dt. Stimme: Robert Stadlober) heißt demnach der wuselige Held des Films: ein vaterloser Teenager, der seiner Mutti (Carin C. Tietze) Sorgen macht, weil er in seinem jungen Leben scheinbar nichts gebacken kriegt. Jims Kindheitstraum ist es, das Weltall auf der Suche nach dem sagenhaften Schatz von Flint, einem Piratenkapitän, zu durchkreuzen - ein Traum, der in greifbare Nähe rückt, als Jim durch Zufall in den Besitz der Schatzkarte gelangt.

Zusammen mit dem Astronomen Dr. Doppler (Thomas Fritsch) chartert Jim eine Weltraumgaleone unter dem Kommando von Captain Amelia (Suzanne von Borsody) und wird an Bord dem zwielichtigen Schiffskoch zugeteilt - dem knurrigen John Silver (Jochen Striebeck), der halb Mensch und halb Maschine ist. Silver entwickelt sich für Jim zum Mentor und Vaterersatz, übernimmt dann allerdings das Schiff in einer Meuterei - er will den Schatz für sich alleine. Doch Jim hat Freunde in der Not, etwa den durchgeknallten Androiden B.E.N (Mirco Nontschew), dessen Festplatte ein paar Lücken hat.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Die Zwitterwelt des "Schatzplaneten", bei der Vergangenheit und Zukunft oft spektakulär zusammenprallen, ist synonym für das Gemisch an Produktionstechnik, das dem Betrachter auf der Leinwand dargeboten wird. Da vermengen sich dreidimensionale virtuelle Kamerafahrten mit konventionell gezeichneten 2D-Figuren, und wenn hölzerne Segelschiffe durch den Weltraum gleiten und unsere Helden gegen Supernoven, Schwarze Löcher, Cyborgs und Mutanten kämpfen, kommen auch abgebrühte Trickfilmfans ins Staunen, jedoch nicht unbedingt ins Schwärmen.

Staunen allein ist freilich nicht genug. Der Schlüssel zu einem gelungenen Film besteht darin, den Zuschauer emotional am Handlungsverlauf zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass er sich mit den Helden identifiziert. Hier aber greift "Der Schatzplanet" zu kurz, ist wohl ein wenig zu verliebt in seine eigene Optik.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Schlimmer noch: Im Gegensatz zu früheren - besseren - Disney-Trickfilmproduktionen fehlt dem Film ein ausgefeiltes Drehbuch, dessen Witz und Ironie nicht nur die Kleinen, sondern auch die Erwachsenen begeistert. Und abgesehen von dem Einfall, eine historische Piratenwelt mit Elementen einer fernen Zukunft zu vermählen, sind sämtliche Handlungselemente und Ideen dieses Streifens abgekupfert: "Star Trek", "Stargate" und "Alarm im Weltall" lassen grüßen.

Dieser Mangel an Originalität macht den technisch ambitionierten Film zu einem für erwachsene Trickfilmfreunde uninspirierenden Erlebnis. Immerhin: Disneys missratenes "Atlantis" übertrifft "Der Schatzplanet" um Längen - auch wenn weder subtiler Witz noch überdrehter Slapstick zu den Stärken des auf die Grundidee sowie die eindrucksvolle Optik vertrauenden Streifens zählen. Kein Wunder, dass Disney den Film parallel zum offiziellen Kinostart in einer IMAX-Fassung präsentiert, deren riesenhaftes, ultrascharfes Bild den Ah-Effekt intensivieren wird. Wer bitte will dann noch an eine originelle, ausgefeilte Handlung denken?
erschienen am 28. November 2002
Zum Thema
Disneys Trickfilmabenteuer schindet mit zahlreichen Effekten Eindruck. Doch der in seine Optik verliebte Film hat Schwächen, die man von den erfahrenen Machern nicht erwartet hätte. Grundlage ist Robert Louis Stevensons "Schatzinsel", die Story wurde jedoch in die Weiten des Raumes in eine ferne Zeit transferiert.
Robert Stadlober, 1982 im österreichischen Frisach geboren, ist ein geschätzter Schauspieler, Mitbegründer des kleinen Musiklabels Sonnenallee" (1999) und dem Coming-of-Age-Drama "Crazy" (2000).
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