Ulrich Blanché /Ricore Text
Ulrich Tukur auf der Berlinale
"Es gibt nichts, das ich nicht spiele"
Starfeature: Ulrich Tukur: das Normale im Bösen
Sieht man sich die Filmauswahl von Ulrich Tukur an, entdeckt man in seinen Rollen viele historische Persönlichkeiten. Fast scheint es als sei er auf deutsche Zeitgeschichte abonniert. Seine erste Filmrolle bekam der preiskrönte Theaterschauspieler noch zu Studienzeiten. In Michael Verhoevens "Die weiße Rose" spielte Tukur den antifaschistischen Studenten Willi Graf. Ob als Andreas Baader, SS-Obersturmführer Kurt Gerstein, Helmut Schmidt oder Friedrich Bonhoeffer, Tukur sucht den Menschen hinter der historischen Figur. In seinen Rollen spiegeln sich die Widersprüche der deutschen Geschichte wieder.
erschienen am 2. 04. 2009
Majestic
Ulrich Tukur in "John Rabe"
Nichts Menschliches fremd?
Nichts Menschliches scheint Ulrich Tukur fremd zu sein. Problemlos wechselt er zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsystemen, zwischen der Darstellung von Politikern und Triebtätern. Immer wieder spielt er widersprüchliche Figuren und lässt ihnen ihre Ambivalenz. Er verfällt nicht der Versuchung sich für eine Seite zu entscheiden. Er beherrscht die Kunst mit einer Miene gleichzeitig zu lügen und die Wahrheit zu sagen.

Schon vor seiner Rolle als John Rabe im gleichnamigen Drama, verkörperte er einen Nationalsozialisten, der sich durch die gegeben Umstände gezwungen sieht, seine Menschlichkeit zu entdecken und zu handeln. In Constantin Costa-Gavras' "Der Stellvertreter" spielt Tukur den SS-Obersturmführer Kurt Gerstein, eine historische Person, deren Aufgabenbereich von der Desinfektion auf die Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern verlegt wurde. Entsetzt über das Ausmaß der Vernichtung, suchte Gerstein die Hilfe der katholischen Kirche, um das Verbrechen zu stoppen. Der Hamburger Kaufmann John Rabe ist erneut eine ambivalente Figur. Eigentlich ein überzeugter Nationalsozialist, rettet er dennoch über 250.000 Chinesen das Leben. 2002 stellte die Verkörperung eines guten Nazis für Tukur noch ein Problem dar, doch aktuell, im Jahr 2009, sieht er die Dinge etwas gelassener. Gerade die Darstellung von Figuren, die nicht nur gut oder nur böse waren, reizt ihn. Geschichte ist eben nicht nur schwarz-weiß.
Concorde Filmverleih
Der Stellvertreter
Nostalgisch, aber nicht rückwärtsgewandt
Er verspüre Sehnsucht nach einer Zeit, "…in der Schönes zelebriert wurde, ähnlich dem Feiern des Lebens kurz nach dem Untergang…", sagte Tukur in einem Interview. Das mag auf der einen Seite seine Rollenauswahl erläutern, erklärt aber auf jeden Fall seine Liebe zum Schlager der 1920er und 1930er Jahre. Mit seiner Band "Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys" veröffentlichte er mehrere Tonträger und geht auf Tournee. Es gibt noch ein weiteres Anzeichen für Anflüge von Nostalgie in Tukurs Leben. Seine Töchter aus erster Ehe heißen aus Liebe zu Ufa-Melodramen und alten Platten Lili und Marlene. Sein Wohnort schließlich ist der ultimative Hinweis auf Tukurs Wunsch nach alten Zeiten. Mit seiner zweiten Frau lebt er seit 1999 im Ort nostalgischer Reiseträume schlechthin - Venedig. Für ihn hat die Stadt das Privileg, sich nicht verändern zu müssen. Ein Kompliment, das man Ulrich Tukur zurückgeben möchte.
erschienen am 2. April 2009
Zum Thema
Schauspieler, Musiker und Schriftssteller Ulrich Tukur wird 1957 als Ulrich Scheurlen in der Nähe von Mannheim geboren. Über die Musik kommt er zum Theater, wo er große Erfolge feiert Er tourt auch mit seiner Band "Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys" und schreibt 2007 einen Erzählband über Venedig. 2013 veröffentlicht er die die Novelle "Die Spieluhr", in der er seine Erlebnisse während eines Filmdrehs in Frankreich verarbeitet.Das Leben der Anderen" zu sehen. 2007 verkörpert er einen Baron in..
John Rabe (Kinofilm)
Nationalsozialist John Rabe (Ulrich Tukur) versucht im von den Japanern besetzten chinesischen Nanking 1937 unter widrigsten Umständen, hunderttausenden Chinesen das Leben zu retten. In dem international besetzten Weltkriegsdrama des deutschen Regisseurs Florian Gallenberger ist ein Nazi der Held. Die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte besticht durch ihre glaubhafte Inszenierung und die exzellenten Darsteller.
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