ARD Degeto/Walter Wehner
Familie Sonnenfeld
"Meine Nase habe ich von meiner Mutter"
Interview: Marion Krachts Erfolgsgeheimnis
Marion Kracht stand bereits mit vier Jahren auf der Theaterbühne und vor den Fernsehkameras. Das Gefühl, durch diese frühen Engagements ein Teil ihrer Kindheit eingebüßt zu haben, hat die zweifache Mutter nicht. Heute ist sie nicht nur eine erfolgreiche Schauspielerin, sondern engagiert sich auch für sozial benachteiligte Menschen. Im Münchner Feinschmeckerrestaurant "Käfer" trafen wir Frau Kracht zum Gespräch. Wir sprachen mit ihr über das Geheimnis des Erfolgs der deutschen Familienserie "Familie Sonnenfeld". Mitte Februar 2008 werden in der ARD zwei neue Folgen der mittlerweile siebenteiligen Serie ausgestrahlt.
erschienen am 19. 02. 2008
ARD Degeto/Walter Wehner
Marion Kracht
Ricore: Sie spielen in "Familie Sonnenfeld" eine vierfache Mutter, glückliche Ehefrau und Anwältin, die ihren Beruf zwar nicht mehr ausübt, aber dennoch aktiv ist. Können Sie sich mit ihrer Figur identifizieren?

Marion Kracht: Ja, ich denke, sie hat irgendwann eine Entscheidung getroffen. Ihr Beruf ist die Familie. In der ersten Folge hat sie dagegen protestiert und wollte wieder zurück in den Beruf. Aber das ist nicht so einfach, wenn man 40 ist, da wartet man nicht auf eine Anwältin, die eigentlich keine Praxiserfahrung hat. Insofern denke ich, dass viele Frauen dasselbe Schicksal ereilt. Ich habe für mich persönlich eine andere Entscheidung getroffen. Dennoch finde ich, dass die ganze Problematik in "Familie Sonnenfeld" sehr realitätsnah ist. Auch die Dialoge sind manchmal so, dass man denkt: 'Ach, willkommen zuhause'.

Ricore: Liegt darin der Erfolg der Familienreihe?

Kracht: Ganz bestimmt. Ich denke, es ist Unterhaltung im wahrsten Sinne des Wortes. Allerdings geht es auch um Probleme wie Arbeitslosigkeit, Geldmangel, verwahrloste Kinder, was ist im Moment ein furchtbares Thema ist. Ich bin der Meinung, dass das Publikum gerne gut unterhalten wird und nicht nur blödes Zeug sich ansieht. Und ich glaube, das spiegelt sich im Erfolg der Serie wieder.

Ricore: Sie sind ebenfalls Ehefrau und Mutter. Wie lässt sich dies unter einen Hut bringen? Karriere und Privatleben?

Kracht: Meist wird diese Frage nur weiblichen Schauspielerinnen gestellt, die Mütter sind. Unserer männlichen Kollegen, die mehrfache Väter sind, werden damit seltsamerweise nur selten konfrontiert.

Ricore: Wissen Sie eine Antwort darauf?

Kracht: Das liegt daran, dass man sich bei Frauen immer noch fragt: Wie machen sie das, Kinder, Familie und Haushalt? Und bei Männern sagt man: Die haben einen Beruf, ach die haben ja noch zwei Kinder, aber das macht ja sowieso die Frau.

Ricore: Ich verspreche Ihnen, ich werde diese Frage auch Ihren männlichen Kollegen stellen.

Kracht: Gut, ich denke, dass Familie auch für Männer großen Wert hat, und es kann für sie sehr schwierig sein, alles zu koordinieren. Also, man muss ein Organisationstalent sein und man muss einen Partner haben, der das mitmacht.

Ricore: Sie standen bereits mit vier oder fünf Jahren vor der Kamera. Haben Sie manchmal das Gefühl, keine Kindheit gehabt zu haben?

Kracht: Nein, meine Eltern haben immer darauf geachtet, dass ich viel Ferien habe. Ich war kein typisches Filmkind, das dauernd arbeiten musste. Woran ich sicherlich noch arbeite, ist, meine Freizeit zu genießen. Ich habe immer funktioniert und hatte wenig Freizeit in meinem Leben. Das ist aber auch schon der einzig negative Punkt. Ich konnte ja schließlich genau das machen, woran ich soviel Spaß hatte.
Walter Wehner
Manon Straché in einer Szene aus "Familie Sonnenfeld"
Ricore: Wie ließ sich dies mit der Schule vereinbaren?

Kracht: Nun, ich musste eben die Sachen nachholen. Ich musste nicht gut sein in der Schule, ich musste nur funktionieren und einigermaßen mitkommen. Das war die Vorgabe und alles andere habe ich nachgeholt oder nebenher gemacht.

Ricore: Sie sind eine sehr engagierte Schauspielerin. Sie sprechen mehrere Sprachen, unter anderem die Gebärdensprache. Wie kam es dazu?

Kracht: Ich habe "Gottes vergessene Kinder" gespielt. Das ist das Theaterstück, auf dem der Film basiert, der vor zwanzig Jahren sehr erfolgreich war und damals einen Oscar bekam. Dadurch habe ich die deutsche Gebärdensprache erlernt, wobei ich sagen muss, ich kann nicht die gesamte Sprache. Ich habe nur das gelernt, was ich für die Bühne brauchte. Zudem habe ich mit Gehörlosen Kontakt gehabt und konnte mit ihnen kommunizieren. Und wie mit jeder anderen Fremdsprache auch, die man nicht benutzt, kommt man nach längerer Zeit aus der Übung.

Ricore: Gehört das heute zum Schauspielberuf dazu, dass man sehr viel können muss, um an Rollen zu kommen?

Kracht: Das weiß ich nicht. Weil man auch vieles ersetzen kann. Ich habe diese Aufgabe angenommen, weil ich sie sehr reizvoll fand, wie alles, was man neu erlernen darf. Ich finde das aufregend und ich stürze mich gerne in neue Aufgaben.

Ricore: Glauben Sie, dass sich in den letzten 20 oder 30 Jahren im Schauspielberuf etwas verändert hat? Speziell was Frauen betrifft?

Kracht: Nein, ich glaube, das hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Vor zehn oder 15 Jahren waren Frauenrollen ab 40 eher rar. Aber heute werden sie immer mehr. Das hat mit mehreren Dingen zu tun, unter anderem haben die Filmemacher entdeckt, dass Frauen Programm machen, dass sie diejenigen sind, die im Theater als auch im Fernsehbereich jene Dinge einschalten, die sie sehen wollen. Dem muss man heute gerecht werden. Ich will auch nicht nur Filme sehen, in denen es um Probleme von 18-Jährigen geht. Ich finde das langweilig und will Figuren sehen, die meinem Alter entsprechen. So geht es den Zuschauern auch. Und dann hat es natürlich auch mit unserer Altersentwicklung, also der umgedrehten Alterspyramide zu tun, dass es eben mehr Menschen in diesem Alter gibt, als es vielleicht noch vor 30, 40 Jahren war.

Ricore: Sie spielen in Ihrem Film eine Frau, die Probleme mit dem Älterwerden hat.

Kracht: Ich denke, dass ist ein Thema, das Frauen und Männer auch mit 40 haben. Sie fragen sich, was sind das für Falten, ich bin nicht mehr so fit. Früher gingen die Kilos leichter wieder runter. Das sind Probleme, mit denen man konfrontiert wird in dem Alter. Bei manchen Frauen wird dies mehr zum Thema. Sie unterziehen sich Operationen. Bei anderen stellt das Älterwerden gar kein Problem dar. Ich finde das sehr legitim, dass meine Filmfigur damit Probleme hat. Sie stellt sich die Frage nach ihrem Wert: "Was bin ich? Die Kinder sind bald aus dem Haus, der Mann hat sich beruflich entfaltet, ich nicht", Sie schaut in den Spiegel und fragt sich: "Wie sehe ich aus?"

Ricore: Haben Sie sich denn schon mal einer Schönheitsoperationen unterzogen.

Kracht: Schauen Sie mich an. Obwohl dieser Verdacht bei meiner Nase schon nahe leigt. Man könnte mich fragen, "Wo haben Sie die denn machen lassen." Ich würde dann antworten: "Bei meiner Mutter". (lacht) Aber sie scheint so zu sein, eine Modellnase. Nein, ich habe keine Straffungen gemacht, Zähne gezogen oder was man sonst noch so alles macht.

Ricore: Würden Sie das unter bestimmten Umständen machen?

Kracht: Ich finde es legitim, wenn man das macht, wenn das für einen selbst wichtig ist. Das ist das einzige Kriterium. Allerdings finde ich es schrecklich, wenn es zu einem Diktat wird und wenn Frauen sich damit verstümmeln. Wenn eine Frau mit 40 versucht auszusehen, als ob sie 18 wäre, ist das in meinen Augen peinlich. Für mich ist das nicht erstrebenswert. Also, wenn man schon eine Schönheitsoperation macht, dann soll es so sein, dass es einen schöner macht. Und nicht, dass jeder vor dir erschreckt und denkt: "Hat die eins auf die Nase gekriegt, oder warum sieht das so aus?"
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Marion Kracht und Helmut Zierl in "Familie Sonnenfeld"
Ricore: Der Jugendwahn ist vor allem in Hollywood sehr verbreitet. Hat das bereits in Deutschland Einzug gehalten?

Kracht: Ich glaube, in Hollywood müssen alle gleich aussehen. Es gibt auch keine Männer, die graue Haare haben. Da darf man mit 60 nicht grauhaarig sein. Was ich absolut albern finde. Das kann superschick und elegant aussehen. In Hollywood muss jeder aussehen wie der andere. Und das ist, Gott sei Dank, bei uns nicht so.

Ricore: Sie haben mit den "Drombuschs" große Erfolge gefeiert. Nervt es Sie, dass Sie heute immer noch darauf angesprochen werden, obwohl das schon so lange her ist?

Kracht: Das hat mich nie genervt. Die Produktion war gut, sie hat mich in meiner Jugend, in meiner Entwicklung begleitet. Und ich freue mich darüber, wenn es nach wie vor Leute gibt die sagen: "Ach, das war ja toll", oder: "Das hat mich begleitet in meiner Jugend." Sowas finde ich prima. Wenn ich nichts anderes dazwischen gemacht hätte und man sich nur darauf beziehen würde, dann würde ich sicher genervt sein. Aber ich habe inzwischen viele andere Dinge gemacht, die auch bemerkt wurden.

Ricore: Sie haben beispielsweise das Bundesverdienstkreuz und weitere Preise gekriegt. Wie wichtig sind diese Auszeichnungen für Sie?

Kracht: Es ist für mich wichtiger, dass das Publikum mich und meine Sachen annimmt. Bei dem Bundesverdienstkreuz habe ich lange gedacht, dass sei versteckte Kamera. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Es hat mich sehr gefreut, weil es in Verbindung mit der Gehörlosenarbeit war. Das war ein besonderer Moment, da ich entdeckt habe, in welcher katastrophalen Situation Gehörlose in Deutschland waren. Mit dem Bundesverdienstkreuz wurde auch ein sozialer Aspekt geehrt und ich setze mich gerne für so etwas ein.

Ricore: Was ist Ihre Lebensphilosophie?

Kracht: Für mich ist es wichtig, dass ich mutig und neugierig bin. Das ist es auch, was ich meinen Kindern vermittle. Nicht Angst vor neuen Dingen zu haben, sondern neugierig darauf zu zugehen. Ich habe auch von meiner Mutter gelernt, dass man für sozial Benachteiligte etwas tut. In welcher Form auch immer. Leider habe ich nicht soviel Zeit, dass ich sehr viel persönlich machen kann. Ich habe beispielsweise Lesungen in Altersheimen gemacht, aber das war in einer Zeit, in der ich beruflich nicht so engagiert war. Gerade in den letzten Jahren habe ich sehr viel gearbeitet und habe mein soziales Engagement vor allem auf meine Kinder gerichtet. Aber egal welche Mittel man zur Verfügung hat, sollte man immer sozial Schwächere unterstützen. Das finde ich sehr wichtig.

Ricore: Wie gehen Ihre Kinder damit um, dass sie eine dermaßen berühmte Mutter haben?

Kracht: Meine Kinder sehen sich das nicht an. Sie wissen zwar, dass ich Schauspielerin bin. Als Leute auf mich zukamen und nach Autogrammen gefragt haben, haben sie das nicht verstanden. Das ist aber auch kein Thema bei uns zu Hause. Sie bekommen es mittlerweile natürlich mehr mit, weil sie größer sind, aber sie haben mich einmal auf der Bühne gesehen und ein, zwei Mal im Fernsehen.
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Helmut Zierl in "Familie Sonnenfeld"
Ricore: Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Rollen aus?

Kracht: Danach, ob es eine interessante Figur ist, eine vielschichtige Figur, eine, der man gerne zusieht. Keine platte Blondine. Das finde ich langweilig. Und dann natürlich immer auch in Verbindung damit, welche Kollegen oder welcher Regisseur mit am Werk ist. Was bringt mir die Rolle? Oder, was kann ich damit anstellen?

Ricore: Hat man als Schauspieler/in Einfluss auf die Rolle oder auf den Regisseur? Kann man selbst Veränderungen vornehmen?

Kracht: Das ist unterschiedlich. Ab und zu kann man Wünsche äußern. Das kommt ganz auf das Projekt an. Manchmal wird einem auch etwas auf den Leib geschrieben.

Ricore: Wird es eine Fortsetzung geben von "Familie Sonnenfeld"?

Kracht: Ich denke ja. Die Serie ist sehr erfolgreich. Außer, uns will keiner mehr sehen. Das ist immer der Quotenwahnsinn. Aber ich denke schon, dass es weiter geht.

Ricore: Es ist ja auch eine nette Geschichte mit lauter Sympathieträgern.

Kracht: Es erzählt auch mal die Geschichte einer intakten Familie, keiner Patch-Work-Familie, oder so, die ihre alltäglichen Probleme hat und sie gemeinsam meistert. Da sind wir eigentlich die einzigen.

Ricore: Ist es nicht manchmal zu harmonisch zwischen Ihrer Rolle und der Helmut Zierls?

Kracht: Haben Sie es denn gesehen?

Ricore: Ja, die letzten beiden Teile…

Kracht: Ja, aber das ist eben auch unterschiedlich. Es gab nämlich Folgen, wo wir uns furchtbar gekracht haben. Das kommt auf die Problematik an, ob man etwas gemeinsam meistert, wie jetzt die Krankheit mit Tiffi, wo man sich nicht zerfleischt, sondern an einem gemeinsamen Strang zieht, oder ob es um andere Dinge geht.

Ricore: Ist man als Schauspieler manchmal über das Ergebnis sehr überrascht?

Kracht: Ja, manchmal schon, aber in diesem Fall nicht. Die Regisseurin war großartig. Sie hat ein unwahrscheinliches Gefühl für Timing, was eine sehr wichtige Sache ist. Sie hat ein gutes Gefühl für den Unterschied zwischen komischen und ernsten Momenten.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. Februar 2008
Zum Thema
Marion Kracht wird am 5. Dezember 1962 als Tochter des Dramaturgen und Autors Dr. Fritz-André Kracht in München geboren, wo sie auch aufwuchs. Mit fünf Jahren spielt sie ihre erste Filmrolle und wechselt fortan zwischen Schule und Filmstudio. Größere Bekanntheit erlangt die ehemalige Kinderdarstellerin durch die Fernsehserie "Diese Drombuschs". Die begeisterte Tänzerin und Klavierspielerin tritt nicht nur im Fernsehen auf, sondern ist auch im Kino und auf der Theaterbühne zu sehen. Mit ihrem..
2024