Ulrich Blanché/Ricore Medien
Joachim Fuchsberger
Blacky ist weiser geworden
Interview: Joachim Fuchsberger blickt zurück
Joachim Fuchsberger hat viele Facetten: den Schauspieler aus den Edgar-Wallace Filmen, den Fernseh-Star oder den Moderator von Quiz-Shows und Australien-Dokumentationen. In der ARD-Dokumentation "Kriegskinder" erzählt Fuchsberger von seiner Zeit als Teenager und "Kriegsheld" während des Zweiten Weltkriegs und was ihn mit 82 Jahren noch Freude am Leben gibt.
erschienen am 24. 03. 2009
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Joachim Fuchsberger
Ricore: Wie reagieren Sie auf Leute, die über die momentane Wirtschaftlage klagen?

Joachim Fuchsberger: Wenn ich höre, wie die Menschen nur noch jammern und klagen, weil es ihren schlecht geht, denke ich mir, dass ich da schon durch Schlimmeres gegangen bin. Ich rate denen, sich diese Dokumentation anzusehen. So sieht die Realität aus. Klagen ist für mich heutzutage nur noch ein Prozess der temporären Erleichterung. Aber der echten Klage muss die Überlegung folgen, wie man sich aus dieser Lage befreien kann.

Ricore: Was folgt daraus?

Fuchsberger: Man darf nicht auf irgendjemand warten, der einem helfen soll. Der einzige Weg aus unserer momentanen Misere ist folgender: Vergesst die Zeit, wo man immer etwas auf andere schieben konnte. Heute muss jeder selbst entscheiden, selbst Verantwortung übernehmen. Ich muss einsehen, dass die fetten Jahre vorbei sind. Ich muss also etwas tun, um aus meiner Behäbigkeit aufzuwachen.

Ricore: Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an der Dokumentation "Kriegskinder"?

Fuchsberger: Ich traue mich nie, ein Urteil über etwas zu fällen, dass ich nur in Ausschnitten gesehen habe. Die 38 Minuten, die ich sah, sind von einer unglaublichen dokumentarischen Dichte. Sie sind so kommentiert und dargestellt, dass man nicht das gefühlt hat, dass übertrieben wird. Stattdessen wird dokumentarisch schlicht gearbeitet, das wirkt am allermeisten.
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Joachim Fuchsberger
Ricore: Sie haben nun schon viel über den Zweiten Weltkrieg gesprochen. Können Sie Ihre Gefühle über Ihre Zeit als Kriegskind noch einmal zusammenfassen?

Fuchsberger: Wir hatten den anfänglichen Glauben, dass wir unsere Heimat gegen eine böse Welt verteidigen müssen. Der wich der Erkenntnis, dass wir unser Treiben für sinnlos hielten bis über den Punkt hinaus wo die ersten Attentatsversuche auf Adolf Hitler unternommen wurden. Am Ende war unser kindlicher, dann jugendlicher und schließlich erwachsener Idealismus abgetötet. Als der Krieg vorbei war, fragten wir uns, ob wir Kriegsverbrecher sind, wie die ganze Welt behauptete oder nicht. An dieser Stelle begannen sich viele zu wehren. Wir erkannten jedoch, dass wir uns gezwungenermaßen an Etwas beteiligt haben, was diese Welt in ein entsetzliches Unglück stürzte.

Ricore: Wie sehr wurde man durch die nationalsozialistische Propaganda beeinflusst?

Fuchsberger: Total - vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Einige brachten es gerade noch soweit, dass ihr Abendgebet nicht mit "Gott schütze Adolf Hitler, unsern Führer" endete. Die Organisation und das System nahm einen vollständig in Beschlag. Man konnte nicht entkommen. Wer in der Deutschen Demokratischen Republik aufwuchs, erlebte das wohl ähnlich.

Ricore: Hatten Sie dennoch eine schöne Kindheit?

Fuchsberger: Das ist ja das Furchtbare: Ich kann nicht umhin zu sagen, dass mir vieles auch Spaß machte damals. Vieles war wie ein Karl-May-Abenteuer. Ich genoss es, im Zeltlager mit Kameraden abends ums Lagerfeuer zu sitzen - ohne Eltern im Nacken zu haben, die einen ins Bett scheuchen wollen. Weiter fand ich toll, als Zehnjähriger in einer Stadt wie Düsseldorf an einem so genannten Geländespiel teilzunehmen, wo uns die Passanten auf der Straße als vollwertige Soldaten ansehen mussten und auswichen, wenn wir riefen: "Dort ist der Feind!" Es war Kindergarten! Das waren alles kindliche Hochgefühle, wo man noch nicht wusste, was dahinter steckt.
Constantin Film
Neues vom Wixxer (2007)
Ricore: War der soziale Zusammenhang besser?

Fuchsberger: Ich würde mich sehr hüten, einen derartigen Vergleich zu kommentieren. Das wird oft getan und sofort falsch und böswillig ausgelegt. Genauso wie es viele Ex-DDR-Bürger gibt, die heute der Ansicht sind, dass damals alles besser war.

Ricore: Was war das negativste in Ihrer Kindheit?

Fuchsberger: Die totale Bevormundung durch den Staat! Jeder Sport, jede Bewegung war auf einen zukünftigen Krieg ausgerichtet. Was fängt ein Neunjähriger mit der "Heimholung Saargebietes ins Deutsche Reich" an? Was fängt ein Elfjähriger mit einem Hitler an, der auf dem Balkon der Wiener Hofburg steht und den "Vollzug der Heimholung seiner Heimat ins Deutsche Reich" verkündet? Davor stehen 200.000 Menschen und brüllen: "Sieg Heil". Was fängt man damit an? Es gibt heute neunmalkluge Menschen, die sagen, alle hätten mitgemacht. Wenn er dabei gewesen wäre, hätte er vielleicht auch mit geschrien. Es geht eher um die Frage, wann man aufwachte. Es gibt keinen, der es nicht wusste, obwohl das viele noch heute behaupten. Es ist schlicht nicht wahr.

Ricore: Was treibt Sie heute noch an? Wenn Sie Ihr Leben mit damals vergleichen, welche Ziele haben Sie heute noch?

Fuchsberger: Sie wissen, dass ich 82 Jahre alt bin. Ich lebe noch gerne, weil mein Kopf noch funktioniert. Auch kann ich bestimmte Aufgaben in meinem Beruf noch lösen. Es erfüllt mich mit einer ungeheuren Freude, dass ich 55 Jahre mit der gleichen Frau verheiratet bin. Das sind alles sehr positive Sachen in meinem Leben. Ich freue mich gar nicht darüber, dass meine Beine nicht mehr so gut funktionieren, aber mein Kopf funktioniert und das ist das Wichtigste.
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Joachim Fuchsberger
Ricore: Haben Sie ein Motto?

Fuchsberger: Ich lebe nach dem Motto, dass mir mein früh verstorbener Freund Peter Ustinov mit auf den Weg gab: "Blacky vergiss niemals: Wir alten Männer sind gefährlich, wir haben keine Angst mehr vor der Zukunft. Wir können sagen was wir wollen, wer will uns denn dafür bestrafen?" Das sind alles Dinge, die mir jeden Tag erlebens- und lebenswert machen. Ich liebe es, neben meiner Frau aufzuwachen und zu merken, dass es uns noch gibt.

Ricore: Sie mussten schon in Ihrer frühen Jugend kämpfen. War es Ihnen da vorgezeichnet, Schauspieler zu werden?

Fuchsberger: Kämpfen ist wieder so ein großes Wort. Ich denke nicht, dass es mir vorgezeichnet war. Ich hatte jedoch immer sehr viel Glück. Zuerst hatte ich schon das Glück, den Krieg überlebt zu haben. Das hatten Millionen nicht. Weiter hatte ich Glück, sehr interessante Menschen und Situationen kennenzulernen. Dadurch wurde ich gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Ich dachte nicht einmal im Traum daran, Schauspieler zu werden.

Ricore: Was war dann Ihr Berufswunsch?

Fuchsberger: Eigentlich wollte ich wie mein Vater Techniker werden, was ich auch eine Zeit lang war: Spezialmonteur für Setzmaschinen. Einen wesentlichen Beitrag für meine innere "Ausstattung" habe ich habe ich jedoch im Bergwerk gelernt: Dort erfuhr ich, was Zuverlässigkeit, harte Arbeit und Einstehen für Kameraden bedeutet. Dort lernte ich auch, Verantwortung für andere zu übernehmen. Das half mir später sehr.
Gong
Gong, 21. 11. 1954, Heft 47, S. 8, Joachim Fuchsberger
Ricore: Wie wurden Sie entdeckt?

Fuchsberger: Eines Tages sagte der berühmte Regisseur Paul May, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen im Krieg die Hauptrolle in diesem Kriegsfilm übernehmen soll. Ich sollte in Hans Hellmut Kirsts "08/15" den Gefreiten Asch spielen. Ich antwortete, dass ich kein Schauspieler sei. Er meinte darauf, dass er der beste Regisseur der Welt sei, was er dann auch war. Das war der Beginn meiner Karriere als Schauspieler.

Ricore: Was raten Sie der jungen Generation?

Fuchsberger: Haltet Augen und Ohren offen. Jeden Tag laufen Möglichkeiten an einem vorbei. Man muss sie nur erkennen. Man muss wach genug sein, um sie zu sehen und mutig genug, um danach zu greifen.

Ricore: Sie haben relativ lange kaum gedreht. Doch jetzt drehten Sie "Neues vom Wixxer" und "Live is Life" mit Wolfgang Murnberger.

Fuchsberger: Das ist doch einiges, oder? Sie haben mich überzeugt, indem Sie mir ein gutes Drehbuch lieferten. Beim ersten "Wixxer" habe ich abgelehnt, was ich später sehr bedauert habe. Das war eine Verkettung unglücklicher Versuche, die alte Edgar-Wallace-Zeit aufleben zu lassen. Oliver Kalkofe schickte mir die DVD nach Australien, woraufhin meine Frau und ich begeistert waren. Das habe ich ihm geschrieben. Als er mich daraufhin fragte, ob ich beim nächsten mitmachen würde, sagte ich: "Schick mir doch das Drehbuch! Wenn du eine gute Rolle hast, sage ich ja." Dann kam Wolfgang Murnberger mit seinem Angebot. Jetzt kriege ich nur aufgrund meines Alters wunderbare Rollen vorgelegt. Die alten Leute werden plötzlich wieder entdeckt, weil die Jugend mit ihren Problemen vom Alter lernen kann. Je älter ich werde, umso besser wird es.
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Joachim Fuchsberger
Ricore: Wie gefiel Ihnen "Kriegskinder"

Fuchsberger: Dieter Hallervorden sagt in der Dokumentation: "Wer einmal ein Kriegskind war, bleibt das sein Leben lang." Das sehe ich genauso. Was ich sah war ungeheuerlich. Einige Male blieb mir der Atem stehen. Mir fiel auf, dass eigentlich alle Zeitzeugen jünger als ich waren. Ich bin Jahrgang 1927 und wurde durch diese Zeit stark geprägt. Dieter Hallervorden sagte auch, dass diese Zeit uns Kriegskinder hart gemacht hat. Das erinnert mich an das Buch "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt", das Interviews mit unserem ehemaligen fabelhaften Bundeskanzler beinhaltet. Der sagte irgendwann über die Generation, die nicht durch diese Zeit ging: "Die vermissen etwas. Müssen die denn auch einen Krieg durchmachen?" Das stimmt hoffentlich nicht. Aber wir, die Kriegsgeneration, waren ziemlich immun gegen alles, was danach noch kam.

Ricore: Wurde nach 1945 viel über den Krieg gesprochen?

Fuchsberger: Als ich kurz nach dem Krieg im Bergwerk arbeitete, fuhren wir Schicht. Wir sprachen nicht über den Krieg, wir reden nur darüber, wo wir den Inhalt unseres Care-Pakets am gewinnbringendsten verkaufen können. Wo gehst du hin? Wo kriegst du das meiste? Ich habe mit dem Geld, das ich da verdiente, meine Mutter und meine zwei Brüder ernährt. Unser Tag war vom Aufstehen bis zum Schlafengehen mit dem Gedanken ans Überleben erfüllt. Zwar drohte uns nicht mehr das Erschossen werden, dafür aber das Verhungern.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 24. März 2009
Zum Thema
Schauspieler und Entertainer Joachim Fuchsberger erhielt trotz seines jungen Alters als Soldat im Zweiten Weltkrieg mehrere Auszeichnungen. Regisseur Paul May ließ ihn in seinem Kriegsfilm "08/15" die Hauptrolle des gefreiten Asch spielen, was den Beginn einer langen Karriere im Showgeschäft markierte. Fuchsberger, der schon zu Armee-Zeiten Blacky genannt wurde, hatte in den 1950er und 1960er Jahren als Kommissar der "Edgar Wallace"-Reihe großen Erfolg. Später moderierte er Fernseh-Shows wie..
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