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Gesine Danckwart
Gesine Danckwart im Kampf
Interview: Vom Theater zum Film
Gesine Danckwart ist Theaterregisseurin mit Hang zum Film. Jetzt gibt sie ihr Debüt als Filmregisseurin mit einem ungewöhnlichen Drama. In "UmdeinLeben" werden sechs Frauen portraitiert, die mit ihrem Alltag kämpfen oder den Kampf gar zum Alltag erklären. Der Zuschauer muss auf einen klassischen Erzählverlauf verzichten, kann aber dafür viel Neues entdecken. Die sechs Frauenfiguren wurden von den Darstellerinnen mitentwickelt.
erschienen am 23. 08. 2009
Karolina Zebrowski/Ricore Text
Gesine Danckwart
Ricore: Frau Danckwart, um was geht es in Ihrem Film "Umdeinleben"?

Gesine Danckwart: Es geht um die unterschiedlichen Überlebensstrategien bestimmter Frauen. Diese Strategien stehen in erster Linie für Frauen, aber auch allgemeiner für Großstadtmenschen. Es geht um den Stress moderner Arbeitswelten. Man sieht die Figuren alle kämpfen, mit dem was sie machen. Es sind nicht existenzielle Dinge im eigentlichen Sinne, aber es sind Dinge, die für uns alle existenziell sind. Der Kampf mit dem Handy, der Kampf irgendwo anzukommen oder vielleicht auch kein Zuhause zu haben. Die Figuren sieht man fast nur alleine. Das heißt, es geht auch um Einsamkeit. Um diese komische Form von Einsamkeit, bei der man zwar ständig am Telefon ist und mit vielen Leuten zu tun hat und am Ende aber doch irgendwie alleine ist.

Ricore: Sie kommen vom Theater. Wieso haben Sie sich entschlossen, einen Film zu machen?

Danckwart: Ich wollte schon lange einen Film machen. Ich habe auch am Theater viel mit Videomaterial gearbeitet. Für mich war das nicht so neu, jetzt einen Film zu drehen. Ich arbeite generell mit verschiedenen Formaten. Ich mache Hörspiele oder inszeniere Theaterstücke, die im Stadtraum spielen. Ich habe mehrere Projekte, die sich mit Orten in der Stadt auseinandersetzten. Das sind Themen, die mich schon immer interessiert haben. Ich fand das Medium richtig. Film ist ein tolles Medium, um Dinge zu erzählen, die in der Außenwelt passieren.

Ricore: In Ihrem Film spielen Sie mit verschiedenen Formen von Raum und Individuum. Eröffnet Film andere Möglichkeiten als Theater?

Danckwart: Ich fand es toll, dass es im Film einen Erzählstrang gibt, der in der realen Welt spielt. Demgegenüber gibt es diese Szenen in einem undefinierbaren weißen Raum, die dagegen geschnitten werden. Die realen Szenen spielen damit, wer nicht rauskommen oder auch nicht reinkommen darf und wie klaustrophobisch diese Orte sind. Der Film lebt von diesen Bildern der Stadt, die man in dieser Form am Theater nicht hat.
Karolina Zebrowski/Ricore Text
Gesine Danckwart
Ricore: Ist die steigende Zahl der Singlehaushalte in Großstädten ein Generationsproblem?

Danckwart: Ich weigere mich mittlerweile das Wort Single zu benutzen, weil sich das nach einem Manko anhört. Es hat natürlich mit der Lebens- und Arbeitsweise heutzutage zu tun. Man muss flexibel sein, an anderen Orten arbeiten können. Man ist darauf getrimmt, in vielen Tätigkeiten individuell zu funktionieren. Das wirkt sich auf die Art der Beziehungen aus, die man führen kann. Das wird im Film sicherlich zugespitzt und überzeichnet dargestellt. Wir hatten überlegt auch andere Lebensbereiche der Frauen zu zeigen, in denen sie nicht allein sind. Eine sieht man mit ihrer Tochter telefonieren, bei anderen ist ein Ansatz von Beziehung zu erahnen. Ich fand es aber wichtig, das auf die einsamen Momente der Individuen zuzuspitzen.

Ricore: Ist die vermittelte Grundstimmung Ihres Films positiv oder negativ?

Danckwart: Ich finde, dass der Film komische Anteile hat und das ist für mich wichtig. Es ist ein ironisches Drama, das mit den Härten, die es zeigt und zeigen will, trotzdem eine gewisse Leichtigkeit besitzt. Das sieht man zum Beispiel an den Figuren, die nicht aufgeben, auch wenn sie ziemlich unten sind. Gerade gegen Ende, als Maren Kroymann ein Lied singt. Das ist ein Überlebenssong und gleichzeitig auch ein Retten in die Schönheit der Kunst. Sie singt: "Das Leben ist so schön, wie man es sich glaubt." Das ist die freudige Botschaft des Films.

Ricore: Das könnte man aber auch negativ verstehen, nach dem Motto: Alles ist eine Frage der Einbildung.

Danckwart: Ja, das ist es auch. Da muss man nicht drum herum reden. (lacht)

Ricore: Man könnte den Filmerzählstrang als ein Tag begreifen. Haben Sie das als Mittel gewählt?

Danckwart: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es ein Tag ist. Erstens gibt es eine Nacht und den nächsten Morgen und zudem verschiedene Jahreszeiten. Eher ist es ein symbolischer Tag, in dem vieles zusammenfällt. Es gibt zwar eine Zeitstruktur, anhand der Geschichte von Caroline Peters, die morgens anfängt und am Ende irgendwo landet. Gleichzeitig wird die Aufhebung der Zeit thematisiert. Die Rolle von Kathrin Angerer in ihrem Kneipenjob, wo es kein Anfang und kein Ende gibt. In dem Sinne spielt der Film stark damit, Zeit in Frage zu stellen. Wie lange dauert Zeit in welchen Dingen, die man erlebt.
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UmdeinLeben
Ricore: Sie haben über ein Jahr an den einzelnen Figuren mit den Schauspielerinnen gearbeitet. Wie konnten Sie das Projekt stemmen?

Danckwart: Wir haben mit der Finanzierung Glück gehabt, die wir für diesen Low-Budget-Bereich relativ schnell zusammen bekommen haben. Dann haben wir über ein Jahr gedreht. Das lag daran, dass die sechs Schauspielerinnen mit Theaterauftritten oder Filmdreharbeiten wahnsinnig beschäftigt sind. Wir haben alle zwei bis drei Monate gedreht, in der Zwischenzeit geschnitten und während des Drehs die Figuren gemeinsam verändert. Das ist eine Freiheit, die ich mir nehmen kann, weil ich vom Theater komme. Da ist man es gewöhnt, anders zu arbeiten. Ich wollte bei diesem Film eng mit den Darstellerinnen arbeiten. Wir hatten am Anfang ein Drehbuch, das wir ziemlich schnell beerdigt haben.

Ricore: Warum das?

Danckwart: Wir haben gemerkt, dass es interessanter war, ohne Vorgaben zu entwickeln. Teilweise haben wir erst vor der laufenden Kamera die Dinge geändert und neu inszeniert. Die Schauspielerinnen hatten neue Ideen oder ich, das haben wir in der Arbeit berücksichtigt. Meiner Meinung nach ist es ein toller Schauspielerinnen-Film geworden, trotz der teilweise sperrigen Texte und den untypischen Situationen. Sie mussten zum Beispiel allein vor der Kamera Text sprechen, was beim Film ungewöhnlich ist

Ricore: War es eine psychische Anstrengung, mit Unterbrechungen zu arbeiten?

Danckwart: Ja, eine geistige und motorische. Einerseits hatten wir nur wenige Drehtage zu stemmen, andererseits mussten wir immer wieder den ganzen Drehapparat anschaffen, mit allen Beteiligten aus allen Orten und Ecken. Das war anstrengend, aber zugleich hatte man dann das Gefühl, es geht weiter.

Ricore: Parallel dazu haben Sie am Theater gearbeitet?

Danckwart: Ja. Ich habe lange in China ein Projekt gehabt, wo ich in den letzten drei oder vier Jahre immer wieder war. Es kam schon vor, dass ich den Film teilweise von China aus vorbereiten oder auch andere Projekte in deutscher Sprache betreuen musste.
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Anna Ratte-Polle versinkt als Emske im Chaos
Ricore: Hatten Sie zuerst die Figuren oder die Schauspielerinnen im Kopf?

Danckwart: Wir haben uns am Anfang überlegt, wie viele Figuren der Film verträgt und welche Art von Schauspielerinnen passen. Es gab Optionen von Tätigkeiten und Problematiken, die im Raum standen. Ich hatte aber schon eine Idee, mit welchen Kolleginnen ich gern arbeiten würde. Ich kannte sie teilweise vom Theater. Maren Kroymann ist erst spät dazu gekommen. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas fehlt und als ich sie kennen gelernt habe, fand ich sie toll und war froh, als ihre Mitarbeit klappte.

Ricore: Haben Sie ihre Figur in die Geschichte integriert?

Danckwart: Die Position war offen, weil klar war, dass noch was fehlt.

Ricore: Sie haben den Film zusammen mit Britta Hansen selbst produziert. War das notwendig, um die künstlerische Freiheit zu behalten?

Danckwart: Ich glaube ja. Aber sicher weiß ich das nicht. Ich habe es am Anfang gar nicht auf anderem Wege probiert. Gemeinsam zu produzieren lag nahe, da Britta Hansen und ich das Projekt zusammen machen wollten. Ich würde das wieder so machen. Beim Theater ist das normal, sich auch als Produzentin zu verantworten und ich finde das gut so. Klar gab es Debatten zwischen Peter und mir. Aber ich glaube, mich würde das ziemlich frustrieren, wenn man beim Schnitt dann von der Produktion überstimmt wird. Deswegen macht man kleine Filme, um die Rechte nicht aus der Hand zu geben.
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Szene aus "UmdeinLeben"
Ricore: Ist die Figur der Ringerin in Ihrem Film als Metapher für das tägliche Durchkämpfen zu verstehen?

Danckwart: Ich fand es toll, dass es sowas als echte Tätigkeit gibt. Männer und Frauen, die in Hotels zusammen ringen. Ein tolles Bild dafür, dass man keinen Sex hat, sondern miteinander seine Kräfte misst. Durch die Erfahrung von Esther Röhrborn wirkt das authentisch. Es hat mit körperlicher Nähe zu tun, aber mit einer kämpferischen Nähe. In diesem Sinne könnte man es auch als Symbol sehen. Alle Figuren haben etwas Symbolhaftes an sich. Ob sie ausgeschlossen oder irgendwo eingeschlossen sind, sich aus einer Situation nicht lösen können, das wiederholt sich als Bild bei allen Figuren.

Ricore: Das wird auch dadurch deutlich, dass die Figuren am Anfang in verschiedenen Konstellationen in einem weißen Raum auftreten. Warum haben Sie sich für diese unorthodoxe Einführung entschieden?

Danckwart: Das hat sich erst beim Schneiden entwickelt, weil wir diesen weißen Raum so stark fanden. Das hat gut funktioniert, darüber alle Figuren vorzustellen. Das ist schon ein spröder Anfang, auf den man sich einlassen muss. Dafür guckt man den Film nach dieser Einführung auch anders. Ich fand das komisch, diese erste Szene mit Caroline Peters. Das ist so ein Anti-Filmanfang, was mir gut gefällt. Mich interessieren konservative Erzählweisen nicht. Der Film hat etwas Permatives. Die Spannung erzeugt sich aus dem nicht vorangetriebenen Handeln. Der Hauptkonflikt ist nicht die Beziehungskiste, sondern das diese nicht mehr da ist. Oder wenn sie da wäre, das auch nichts mehr ändern würde. Es ging mir darum, typische Erzählstrukturen aufzubrechen und der Einstieg macht das zu Anfang deutlich. Ohne diesen Einstieg würde der Zuschauer länger brauchen, um zu merken, dass es auf eine bestimmte Weise nicht um Handlung geht.

Ricore: Was würden Sie sich wünschen, was die Menschen aus Ihrem Film mitnehmen?

Danckwart: Im Film geht es um Gegenwärtiges, wie das Leben in Städten, aber nicht nur. Ich hoffe, dass er darüber hinaus etwas erzählt über Menschsein und Lebensnotwendigkeiten. In diesem Sinne hoffe ich, dass er ein größeres Spektrum trifft, als nur Großstädter. Vor allem aber, dass er nicht nur Frauen interessiert, sondern auch Männer. Was etwas schwierig ist, da es Männern schwer fällt, diese Übertragungsarbeit zu leisten. Etwas auf sich zu beziehen, was von Frauen dargestellt wird. Frauen dagegen beziehen andauernd Männerschicksale auf sich. Außerdem finde ich den Film komisch und hart und hoffe, dass die Menschen sich darauf einlassen. Auch diejenigen, die eher konventionelle Filme gewöhnt sind.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. August 2009
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UmdeinLeben (Kinofilm)
HB (Caroline Peters) hat wirklich viel zu tun. Ihr Arbeits- und ihr Privathandy klingeln ohne Unterbrechung, während sie eine Taxifahrt nach der andern fährt und nie anzukommen scheint. Auch ihre Gespräche sind eine Schleife von Wiederholungen, die keinen Sinn ergeben. Zeit für eigene Gedanken und Gefühle bleibt kaum, HB muss weitermachen. So wie sie müssen versuchen auch die anderen fünf Frauen aus "Umdeinleben" ständig weiter am Ball zu bleiben. Der Zuschauer folgt atemlos...
Gesine Danckwart, 1969 in Elmshorn geboren, ist studierte Theaterwissenschaftlerin, Gründerin eines freien Theaters in Berlin, Regisseurin und Dramatikerin. 1999 gelingt ihr der Durchbruch mit "Girlsnightout", danach ist sie sowohl im In- als auch im Ausland als Regisseurin und Autorin gefragt. 2009 wagt sie den Sprung ins Filmgeschäft und gibt mit "UmdeinLeben" ihr Debüt als Filmregisseurin und Produzentin.
2024