Senator Film Verleih
Marcus Mittermeier
Marcus Mittermeier: Analyse statt Kritik
Interview: "Du willst das sehen!"
Marcus Mittermeier zeigt in "Short Cut to Hollywood" wie weit drei Freunde gehen, um als Rockstars berühmt zu werden. Dabei wirft er einen satirischen Blick auf Reality-TV-Formate. In unserem Interview erklärt uns Mittermeier, welche Rolle Fernsehsender und Zuschauer dabei spielen. Wir erfahren, dass Mittermeier bei Dreharbeiten bereit ist, sich mit Kollegen das Bett zu teilen. Außerdem erzählt der Regisseur und Schauspieler, warum er sich selbst als Spielertyp sieht.
erschienen am 25. 09. 2009
Senator Film Verleih
Short Cut to Hollywood
Ricore: In welchem mentalen oder psychischen Zustand waren Sie, als Ihnen die Idee zu "Short Cut to Hollywood" kam?

Marcus Mittermeier: Immer scharf und analytisch würde ich sagen. Ich glaube, das Wichtige an dem Film war nicht die krasse Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart. Es war eher ein Versuch, seine Gegenwart aufzunehmen und kritisch- satirisch widerzugeben. Zwei Dinge waren uns dabei sehr wichtig. Erstens wollten wir Stellung beziehen zu den Dingen, die uns umgeben. Zweitens wollten wir unterhalten. Wir sind ja in erster Linie Schauspieler, die in einem ganz profanen Unterhaltungsgewerbe tätig sind.

Ricore: Und für die Verbindung von Unterhaltung und Ernsthaftigkeit war es notwendig daraus eine groteske Satire zu machen?

Mittermeier: Nun, in einer Satire geht es ja darum, Absurditäten, die uns umgeben auf die Spitze zu treiben. Wenn man aus dem Fenster guckt, ins Fernsehen oder Internet da begegnen einem ja noch viel absurdere Sachen, über die man mit dem Kopf schüttelt. Wir haben versucht eine Geschichte zu entwickeln die die Absurdität unserer medialen Gegenwart auf den Punkt zu bringen.

Ricore: War der Film für Sie auch eine willkommene Gelegenheit mal in die Haut des Rockstars mit Sex Drugs & Rock 'n Roll zu schlüpfen?

Mittermeier: Kann man nicht sagen. Wenn man vor und hinter der Kamera agiert und auch noch Drehbuch schreibt ist das knallharte Arbeit. Es ist dabei auch nicht so, dass ich mir bestimmte Rollenbilder aufschreibe, auf die ich gerade Bock habe. Ganz im Gegenteil. Gewalt, Sex oder Exzesse sind vor der Kamera extrem schwer darzustellen. So etwas muss gut vorbereitet werden, weil es sonst nicht glaubhaft wird. Aber Sex, Drugs & Rock 'n Roll sind schon ein Thema bei uns. Denn John Salinger stellt ja eine Wette auf und sagt dabei "Ich will mein Leben nun auf den Punkt bringen". Für uns war das aber immer noch ein romantischer Ansatz. In der heutigen Zeit laufen für den Durchschnittsmenschen die Exzesse nur noch virtuell ab: Leute stellen Fotos von ihren Abstürzen in Facebook. Das findet somit nicht mehr im realen Leben statt. Und deswegen kam uns die Idee mit dem Rockstar. Das ist ja heutzutage Romantik und wir dachten, warum nicht das Leben auf die Spitze treiben. Denn so etwas hat mit unserer Gegenwart nicht mehr viel gemeinsam. Es ist eigentlich nur noch ein Traumbild, das man im Kopf haben kann. Deswegen macht sich dieser Mann auf die Suche nach dem Ideal von seinem Leben
X-Verleih
Muxmäuschenstill
Ricore: Es ist für Sie ja schon die zweite Zusammenarbeit mit Jan Henrik Stahlberg. War es für Sie auch eine angenehme Abwechslung zu Ihren eher biederen TV- und Kinorollen?

Mittermeier: Als Schauspieler bin ich sonst ausführendes Organ für etwas Bestehendes. Mit Jan Henrik ist es anders, denn wir sind ja Schöpfer und Ausführer gleichzeitig. Da empfinde ich es als Riesenluxus, dass man Geschichten zusammen entwickeln kann, die so weit gehen. Wir haben ja sonst als Schauspieler gearbeitet, um unser Brot zu verdienen und unsere Familien zu ernähren. Dann haben wir uns getroffen, um gemeinsam drei Jahre lang an so einem Ding zu arbeiten, und nicht um "das große Geld" zu machen. Unsere Filme sind meistens mit großen persönlichen Entbehrungen entstanden. Wir mussten für "Short Cut to Hollywood" zum Beispiel für drei Monate nach Amerika. Wir haben dort in Doppelzimmern geschlafen. Und dabei geht man sich dann natürlich auf die Nerven. Über die harten Bedingungen waren wir uns vorher bewusst. So etwas rentiert sich dann, wenn man weiß der Preis und das Risiko sind hoch. Für eine Null-Risiko-Nummer würde ich sowas nicht auf mich nehmen.

Ricore: Das hört sich einerseits tragisch an aber andererseits auch nach Spielernatur.

Mittermeier: Ja, man muss auch ein Spieler sein um Schauzuspielen. Man kann bei einem 20:15 TV-Film natürlich auch nicht so einen Stil machen, wie wir bei einer Kinoproduktion. Da können wir eine ganz andere Aufmerksamkeit erregen und ganz andere Leute mit ansprechen. "Short Cut to Hollywood" war für mich ein Experiment, bei dem ich bereit bin, mehr auf Risiko zu gehen. Bei anderen Geschichten sind die Ecken und Kanten oft zu sehr abgebürstet. Die taugen dann zwar für eine größere Masse, verlieren aber auch einen gewissen Reiz. Bei unseren eigenen Produktionen können wir ganz andere Geschichten erzählen und unsere Idealvorstellungen verwirklichen.

Ricore: Würden Sie solches Risiko auch mit jemandem auf sich nehmen, den Sie nicht so gut kennen wie Jan Henrik Stahlberg?

Mittermeier: Das hängt vom Projekt und seiner Ausgestaltung ab und natürlich von der Möglichkeit darauf Einfluss zu behalten. Wenn dies gegeben ist und die Sache vielversprechend ist, würde ich es machen.
Berlinale 2009
Marcus Mittermeier
Ricore: Wie war die Reaktion in den USA?

Mittermeier: Für denjenigen, der unser Drehbuch liest, können die Vorstellungen natürlich viel schrecklicher sein, als das was wir uns gedacht hatten. Was man dem Film jedoch nicht absprechen kann, ist seine Komik. Diesen Unterhaltungsaspekt haben die Leute dort alle begriffen. Sie haben uns auch bestätigt, dass heutige Reality-TV-Sendungen einen wichtigen Anlass bieten, so einen Film zu machen.

Ricore: Würden Sie denn sagen, dass Ihr Film dieses Thema kritisch auf die Spitze treibt?

Mittermeier: Ich glaube, es ist wichtiger, sich analytisch damit auseinanderzusetzen, als kritisch. Der Zuschauer soll dazu angeregt werden zu überlegen, wie er selbst dazu steht. Es ging uns nicht darum, darzustellen, dass es einen bösen Fernsehsender gibt, der die Kandidaten als die armen Opfer ausnutzt. Stattdessen wollen wir den Zuschauer ansprechen und ihm dabei sagen: "Momentmal, Du als Zuschauer willst das doch sehen. Gib es doch zu, dass du wissen willst, wie die Sache ausgeht." Das halte ich für wichtiger als kritisch als Filmemacher nur zu sagen wie schrecklich ich es finde, was da im Fernsehen passiert.

Ricore: Zur Männerfreundschaft in "Short Cut to Hollywood": hat die Freundschaft einen höheren Stellenwert als die Liebe?

Mittermeier: Das finde ich schwer zu beantworten. Denn in dem Moment, als diese Idee kommt ist der Sumpf um diese Sache für die drei Jungs so stark, dass es nicht mehr um Freundschaft oder Liebe geht. Stattdessen steht das Unternehmen im Vordergrund. Von da an lautet ihr Ziel "Wir ziehen das Ding durch", was ja auch eine typisch deutsche Haltung ist. Das ist ihnen dann viel wichtiger als über Freundschaft oder Liebe nachzudenken. Obwohl meine Figur Matt die Sache analysiert und feststellt, dass es nicht die wahre Liebe gibt. Die wahre Liebe gibt es seiner Meinung nach ja nur zu den Fans. Da steckt schon eine tragische aber auch sehr romantische Einstellung hinter.

Ricore: Immerhin ist Matt der erste, der sich von dieser Freundschaft verabschiedet.

Mittermeier: Aber es ist ganz perfide, wie er es anstellt. Man wundert sich als Zuschauer und denkt "Häh? Was ist jetzt los?"

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. September 2009
Zum Thema
Marcus Mittermeier beginnt zunächst als Regisseur am Theater Ingolstadt. Als Darsteller wirkt er in TV-Serien mit, darunter "Samt und Seide". "Muxmäuschenstill" mit Jan Henrik Stahlberg ist seine erste Filmregie und gleich ein großer Erfolg. Er erhält den Max-Ophüls-Preis. Bei "Short Cut to Hollywood" arbeitet er erneut mit Stahlberg zusammen, sowohl vor, als auch hinter der Kamera.
Endlich richtig leben, diesen Wunsch haben Johannes Selinger (Jan Henrik Stahlberg) und seine Freunde Mattias Welbinger (Marcus Mittermeier) und Christian Hannawald (Christoph Kottenkamp). Da sie nicht jünger werden und der Plan mit der Rockstarkarriere nicht aufgehen will, ziehen sie alle Register, um es noch mal allen zu zeigen. Mit bösartigem Humor werden die Mechanismen des Medienrummels unter die Lupe genommen, ohne zwischen Täter- und Opferrollen zu unterscheiden.
2024