20th Century Fox
Frieder Wittich
Erstes Glied in der Kette
Interview: Frieder Wittich mag's komplex
Nachwuchsregisseur Frieder Wittich widmet sich nach der Schulzeit zunächst der Drehbuchgestaltung. Nach dem Regie-Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München verdingt er sich unter anderem als Werbefilmer. Sein Spielfilmdebüt "13 Semester" erzählt humorvoll vom Alltag an der Technischen Universität Darmstadt. Mit uns spricht Wittich über seine Passion fürs Drehbuchschreiben, Vorbildern und der Rolle Loriots bei der Entstehung von "13 Semester".
erschienen am 8. 01. 2010
20th Century Fox
Frieder Wittich
Ricore: Was haben Sie von den Dreharbeiten zu "13 Semester" in Erinnerung?

Frieder Wittich: Eines Morgens aufzustehen in der Hoffnung, dass die Sonne scheint, damit wir die Anschlussszene drehen können. Und dann rieseln dicke Schneeflocken vom Himmel. Das war ein großer Schock. Letztendlich war es dann doch eher ein Geschenk, weil wir dadurch auch echten Schnee im Film hatten. Wir haben kurzfristig umdisponiert und den Drehtag anders gestaltet.

Ricore: Wie sind Sie auf das Universitätsgelände Darmstadt gekommen?

Wittich: Wir hatten von Anfang an geplant, dass wir nicht in eine Großstadt gehen wollen, sondern in eine Stadt in der sich vieles um die Universität dreht. Ausschlaggebend für Darmstadt war, dass der Hessische Rundfunk früh als Kooperationspartner eingestiegen ist. Zudem haben wir Filmförderung aus Hessen erhalten. Darmstadt hat super zum Drehbuch gepasst.

Ricore: Wie entstand die Idee zu "13 Semester"?

Wittich: Mein Koautor Oliver Ziegenbalg hat 13 Semester Wirtschaftsmathematik studiert. Seine Studienzeit hat er in Form eines Romanentwurfs verarbeitet. Nachdem ich es gelesen hatte, war mir klar, dass dies mein Filmdebüt sein wird. Seine Sorge war, dass man sechseinhalb Jahre nicht so einfach in einen Film packen kann. Ich habe aber so lange rumgenölt, bis er weich gekocht war. Danach haben wir das Drehbuch entwickelt.

Ricore: Vicco von Bülow hat in der Vorbereitung zu "13 Semester" die Mentorenschaft übernommen. Wie viel Loriot steckt in dem Film?

Wittich: Das kann man schwer sagen. Es gab ein Treffen, welches ungefähr sechs Stunden gedauert hat. Vicco von Bülow war detailliert vorbereitet und hatte viele Anmerkungen zu der Drehbuchfassung. Letztendlich war es nicht sein Anliegen uns Dialogsätze vorzugeben oder Szenen zu entwickeln. Es ging darum, allgemein über Humor und Komödie zu sprechen. Wann muss ich wie eine Szene brechen, damit sie komisch wird oder an welchen Stellen muss man aufpassen, damit es nicht zu platt wird. Er war uns eine große Hilfe.
20th Century Fox
Frieder Wittich
Ricore: Wie haben Sie Ihre Studienzeit erlebt?

Wittich: Ich muss gestehen, dass ich an der Hochschule für Fernsehen und Film München insgesamt 14 Semester Regie studiert habe, womit ich den Protagonisten aus "13 Semester" noch toppe. Es ist dort anders als an einer Technischen Hochschule. Alles ist kleiner und überschaubarer. Bei uns gab es kein Audimax wo 700 Leute Platz finden. Wir waren zu zehnt im Semester und ich habe die Studienzeit total genossen. Man konnte sich neben dem Studium mit ganz vielen anderen Dingen beschäftigen. Im Nachhinein war es eine sehr wichtige Zeit was die individuelle Orientierung angeht.

Ricore: Gab es Raum und Zeit fürs studentische Lotterleben?

Wittich: Die Frage ist, ob man sich die Zeit dafür nimmt oder eben nicht. Total rumgelottert habe ich persönlich nicht. Natürlich gab es eine Zeit in der man nicht nur seine Scheine runtergeschrubbt hat, sondern sich die Zeit genommen hat, Kurzgeschichten zu entwickeln. Das funktioniert nicht auf Knopfdruck. Oft entwickelt man während einer Reise Ideen. Der Freiraum ist wichtig, um Dinge zu reflektieren und sich auf die eigene Suche zu begeben.

Ricore: Sind Sie Streber oder Rebell?

Wittich: Eher eine Mischung.

Ricore: Wie ist Ihr Verhältnis zum Rampenlicht?

Wittich: Schwierig. Das ist auch der Grund, warum ich hinter der Kamera stehe und nicht davor. Ich bin schon aufgeregt wenn es losgeht, jedoch mache ich keine Filme, um im Rampenlicht zu stehen, sondern um Geschichten zu erzählen. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Es ist nicht so, dass ich mich dagegen wehre und mich in den Keller sperre. Wir wollen viele Menschen auf "13 Semester" aufmerksam machen, dafür muss man raus ins Rampenlicht, denn wir haben viele Jahre an dem Projekt gearbeitet.

Ricore: Warum sind Sie Regisseur geworden?

Wittich: Film ist eine komplexe Angelegenheit, ein Zusammenspiel aus Drehbuchschreiben, Besetzung, Inszenierung, aber auch Kamerasprache, Ausstattung, Kostüm, Schnitt, Musik usw. Als Regisseur bin ich ein Team-Mensch. Ich arbeite mit allen Abteilungen zusammen, ohne immer der Fachmann auf diesen Gebieten zu sein. Diese Vielfältigkeit fasziniert mich.
20th Century Fox
13 Semester
Ricore: Haben Sie Vorbilder?

Wittich: Ganz viele. Paul Thomas Anderson bewundere ich sehr. Er macht sehr unterschiedliche Filme und trotzdem trägt jeder einzelne seine Handschrift. "Punch-Drunk Love" versus "Magnolia" versus "Boogie Nights". Ich mag Michel Gondry, Hans-Christian Schmid oder Andreas Dresen. Es ist aber nicht so das ich ein Idol habe in dessen Fußstapfen ich treten möchte.

Ricore: Haben Sie als Nachwuchsregisseur schon eine eigene Handschrift entwickelt?

Wittich: Das kann ein Außenstehender besser beurteilen. Ich habe gewisse Vorlieben wie Authentizität oder tiefgründigen Humor. Nebenbei mache ich Werbefilme, um Geld zu verdienen, aber auch aus Spaß und um zu üben. Eine Handschrift entsteht eher unbewusst. Mit der Zeit kriegt man heraus, was funktioniert und was nicht.

Ricore: Was wäre aus Ihnen geworden, wenn es als Regisseur nicht geklappt hätte?

Wittich: Dann wäre ich Drehbuchautor geworden. Damit hat es bei mir auch angefangen. Nach dem Abitur habe ich zwei oder drei Jahre Drehbücher geschrieben, habe in dem Bereich assistiert und Praktika gemacht. Das Tolle am Schreiben ist, dass man das erste Glied in der Kette ist. Es gibt zudem noch keine Vorgaben.

Ricore: Wie sehen Ihre nächsten Projekte aus?

Wittich: Es gibt etwas Konkretes. Ich werde mich gemeinsam mit meinem Koautor Oliver und den Produzenten von "13 Semester" Benedict Wells Roman "Becks letzter Sommer" annehmen. Die Geschichte ist ein Schritt reifer als "13 Semester". Der Protagonist ist Mitte 30 und stellt sich die Frage, ob da wo er steht schon das Ende der Fahnenstange sein kann. Er ist ein Musiklehrer, der früher mal eine Band hatte und trifft in seiner Klasse auf einen Jungen aus Litauen. Der entpuppt sich als Musikgenie und der Protagonist sieht auf einmal doch noch die Chance, die Bühnen dieser Welt zu erobern. Er will den Jungen managen, Songs für ihn schreiben und aus seinem Lehreralltag entfliehen. Die Frage die sich für ihn stellt lautet: mach ich es konsequent mit vollem Risiko oder lieber nicht? Die Geschichte ist etwas ernster als "13 Semester", hat aber trotzdem viel Witz zwischen den Zeilen. Wahrscheinlich werden wir 2011 mit den Dreharbeiten beginnen.

Ricore: Herr Wittich, ich bedanke mich für das Gespräch.
erschienen am 8. Januar 2010
Zum Thema
Regisseur Frieder Wittich wird 1974 in Stuttgart geboren und beginnt nach der Schulzeit mit dem Drehbuchschreiben. Er arbeitet unter Anderem als Kameraassistent, bevor er das Regiestudium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München beginnt. Vor allem mit Werbefilmen hat er bisher auf sich aufmerksam gemacht. Sein Spielfilmdebüt "13 Semester" beschreibt humorvoll den Universitätsalltag an einer deutschen Hochschule.
13 Semester (Kinofilm)
Der ereignisreiche Studentenalltag eines angehenden Jungakademikers. Moritz (Max Riemelt) fühlt sich von Lernstress, Wohnungssuche und unerfüllter Liebe geplagt. Zusammen mit Kerstin (Claudia Eisinger), Dirk (Robert Gwisdek) und Bernd (Alexander Fehling) stellt er sich dem Leben. Mit Situationskomik und überzeugender Schauspielleistung gelingt Regisseur Frieder Wittich ein gelungenes Spielfilmdebüt.
2024