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Regisseur Andrew Horn von "The Nomi Song"
Andrew Horn über den 'Außerirdischen' Klaus Nomi
Interview: Überrascht und begeistert
Weißes, maskenartiges Gesicht, schräges Kostüm: So tritt Klaus Nomi in den 1970er Jahren in New Yorker Clubs auf. In der schrillen Aufmachung gibt der Countertenor seine hohe Opernstimme zum Besten. Kein Wunder, dass der als Klaus Sperber geborene Musiker durch seine außergewöhnlichen Performance wie ein Wesen aus dem All erscheint. Mit der Zeit wurde er immer populärer, stand sogar mit David Bowie auf der Bühne. Doch bevor der schwule Künstler den Höhepunkt seiner Karriere erreichte, starb er 1983 an Aids. Regisseur Andrew Horn inszeniert ein äußerst aufschlussreiches Porträt des sensationellen New-Wave-Star. Der Wahl-Berliner kannte Klaus Nomi persönlich und erlebte die ersten Auftritte des grellen Sängers hautnah mit. Mit Ricore Medien sprach er über seinen Film und das Mysterium Klaus Nomi.
erschienen am 23. 03. 2005
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Was steckt hinter der Maske von Klaus Nomi?
Ricore: Sie wohnen seit 1989 in Berlin, stammen aber ursprünglich aus New York. Was hat sie nach Berlin verschlagen?

Andrew Horn: Ich war zu Gast beim DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) Ursprünglich wollte ich nur für sechs Monate in Deutschland bleiben. Danach bin ich einfach hier geblieben, ohne wirklich viel darüber nachzudenken.

Ricore: Was hat Ihnen an Berlin oder Deutschland so gut gefallen, dass Sie nicht mehr zurück in die USA gehen wollten?

Horn: Es war eine gute Gelegenheit für mich, etwas Neues auszuprobieren. Ich fühlte mich in Berlin sehr wohl. Vor allem nach dem Mauerfall, strotzte die Stadt vor Energie. Ich erhielt immer mehr Aufträge und bekam schließlich eine Aufenthaltgenehmigung angeboten. Das Leben hier hat mich sozusagen "geschluckt". Ich wohnte seit den 1970ern in dem New Yorker "East Village". Zu dem Zeitpunkt als ich damals New York verließ, löste sich die dortige Szene immer mehr auf. In Berlin dagegen wurde etwas Neues aufgebaut. Es gab nun eine ganz andere Verbindung zum Osten und ich hatte das Gefühl, dass dies mir auch beruflich viele Möglichkeiten bat. Ich arbeitete einige Zeit als Journalist. Ich glaube, dass ich in Amerika nie im Leben die Möglichkeit gehabt hätte eine Dokumentation über sozialistische Musicals ("East Side Story" handelt von populären Musikfilmen der ehemaligen DDR) zu machen. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass auch "The Nomi Song" in Amerika nicht so leicht zustande gekommen wäre.

Ricore: Kannten Sie Klaus Nomi persönlich?

Horn: Ja, er war aber nur ein Bekannter von mir, nie mein fester Freund. Ich lernte ihn 1977 kennen. Damals arbeitete ich gerade an einem Theaterstück mit, eine Version von Richard Wagners "Der Ring der Nibelungen". Klaus sprang damals kurzfristig für eine der Darstellerinnen ein. Danach begegneten Klaus und ich uns oft zufällig auf der Straße. Wir waren befreundet, aber richtig gut kannte ich ihn eigentlich nicht. Ich dachte er wäre ein Opernsänger oder besser gesagt eine Oper Queen. Einmal erzählt er mir, dass er gerne mit einer Rockband zusammen arbeiten möchte. Ich fand diese Vorstellung sehr komisch. Die Opernsänger, die versuchen Pop Musik zu singen, wirken meistens peinlich. Als ich Klaus das erste Mal als Klaus Nomi auftreten sah, waren ich und alle anderen im Publikum von seiner außergewöhnlichen Performance überrascht und begeistert. Viele Leute heulten sogar, als sie Klaus singen hörten.
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"Er war der Außenseiter der Außenseiter", so Andrew Horn über das Schicksal des musikalischen Exoten
Ricore: Was fasziniert Sie an Klaus Nomi?

Horn: Er war der Außenseiter der Außenseiter. Mich faszinierte, dass er wagte gegen den Strom zu schwimmen. Klaus ignorierte die Regeln der Pop Musik einfach.

Ricore: Nomis Outfit war sehr schräg. Sein Gesicht war weiß geschminkt, seine Kostüme sehr ausgefallen. Hat er hinter dieser Aufmachung seine eigene Persönlichkeit - den wahren Klaus - verborgen?

Horn: Er verwandelte sich regelrecht in die Nomi-Figur, nahm seine Züge an. Seine deutsche Mitbewohnerin Gabriele LaFari (Schauspielerin) meint, dass Klaus Sperber in dem Moment verschwand als er das erste Mal Klaus Nomi wurde. Seit diesem Zeitpunkt nannte sich Klaus nie wieder Sperber, sondern nur noch Nomi. Wenn man ihn auf der Straße traf, in einem Restaurant oder in der Schlange im Postamt, war er natürlich immer noch ein ganz normaler Mensch, mit dem man reden konnte. Er war kein Fremder - aber trotzdem eigenartig.

Ricore: Klaus Nomi war ein Außenseiter der Außenseiter? Warum war er so anders als all die anderen?

Horn: Anfangs sprach er kein gutes Englisch. In dem East Village war es für jemanden ungewöhnlich Opern zu mögen. Außerdem war er zehn Jahre älter als die meisten von uns. Für seine Andersartigkeit gibt es viele verschiedene Gründe.

Ricore: Warum zog er nach New York?

Horn: Er lebte sieben Jahre lang in Berlin, konnte dort beruflich aber nicht viel auf die Beine stellen. Er wollte unbedingt als Countertenor auftreten. Damals gab es für einen Mann dafür keine Möglichkeit. Die in Frage kommenden Rollen wurden damals alle von Frauen gespielt. Klaus hatte das Gefühl, dass er sein Ziel in Deutschland nicht erreichen konnte. Schließlich lernte er jemanden aus New York kennen, in den er wohl auch verliebt war und folgte ihm nach New York.

Ricore: Am Anfang und Ende des Films werden Ausschnitte aus einem Science-Fiction-Film gezeigt. Warum beginnt und endet "The Nomi Song" auf diese Weise?

Horn: Klaus Nomi präsentierte sich als Außerirdischer. Ich wollte, dass der Film Klaus Ästhetik so weit wie möglich wider spiegelt. Deswegen stelle auch ich ihn als ein Wesen des Alls da.
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Klaus Nomi ignorierte die Regeln der Popmusik! Schräg, schräger, Klaus Nomi
Ricore: Trotz seines zunehmenden Erfolges war Klaus Nomi unglücklich. Was waren die Gründe für seine Niedergedrücktheit?

Horn: Sein Leben war zwiespältig. Er war nur bedingt erfolgreich, hatte nicht viel Geld. Viele Leute versuchten ihn zu manipulieren. Er hatte Angst um seine Zukunft, wusste nicht wie sein Weg aussehen würde. In dem East Village von New York war er ein Star. Aber in anderen Orten wie etwa in New Jersey war er völlig verpönt.

Ricore: Klaus Nomi war ja ganz offensichtlich ein Außenseiter. Fühlte er sich wegen seiner Homosexualität von manchen Teilen der Gesellschaft ausgeschlossen?

Horn: In New York war dies damals überhaupt kein Problem. Schwul sein war akzeptiert.

Ricore: War das ein Grund, warum Klaus nach New York zog? Waren die Leute dort toleranter?

Horn: Vielleicht. Aber damals gab es auch hier eine große Schwulenszene. Berlin war lange Zeit ein Brennpunkt für Außenseiter. Berlin und New York sind sich in dieser Beziehung sehr ähnlich. New York ist anders als das restliche Amerika. Genauso verhält es sich mit Berlin. Berlin ist ein Magnet für alle Leute, die irgendwie verrückt sind - genau wie der Big Apple. Hierher kamen immer alle, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurden.

Ricore: "The Nomi Song" spielt Klaus Krankheit eine große Rolle. Er war einer der ersten Künstler, die an Aids starben. Wann haben Sie das erste Mal in ihrem Leben von dieser Krankheit gehört?

Horn: Das erste Mal als ich davon hörte wurde die Krankheit noch als GRID (Gay-Related Immune Deficiency) bezeichnet. Ich hatte keine Ahnung, was es damit auf sich hatte. Auch der Bekannte, der mir davon erzählte, wusste ziemlich wenig darüber. Ich kannte damals jemanden, der ständig krank war. Die Ärzte konnten ihm nicht sagen was mit ihm los war. Einige Jahre später starb er und ich erfuhr, dass er an Aids gelitten hatte. 1986 und 1987 fand dann jede Woche eine Trauerfeier statt.
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1983 fiel Nomi kurz vor dem Höhepunkt seiner Karriere der Aids-Erkrankung zum Opfer
Ricore: Anfangs wurde Aids als "Schwulenpest" bezeichnet. Wie weit hat sich die öffentliche Meinung in der Zwischenzeit verändert?

Horn: Natürlich gibt es auch heute noch viele, die an derartigen Vorurteilen festhalten. Sie haben einfach keine Lust ihren Horizont zu öffnen. Der Grund warum ich mich in dem Film so sehr auf das Thema Aids konzentriere ist, dass alle die ich dazu interviewte, damals große Ängste ausstanden. Das machte mich selbst sehr betroffen. Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert. Damals war man über die Krankheit nicht richtig informiert, hatte deshalb Angst davor und war verunsichert.

Ricore: Wie hätte sich seine Karriere weiterentwickelt, wenn er nicht gestorben wäre?

Horn: Dazu gibt es viele verschiedenen Meinungen. Manche Leute glauben, dass er Opernsänger geworden wäre. Ich persönlich glaube, dass er ein Performance Künstler geworden wäre. Ich kenne auch jemand, der meint, dass Nomi eine Show am Broadway gemacht hätte.

Ricore: Ihr Film zeigt, dass Klaus Nomi vor seinem Tod von vielen seiner Bekannten allein gelassen wurde. Als er im Krankenhaus war, haben ihn viele seiner Freunde nicht ein Mal besucht...

Horn: Obwohl ihn viele im Stich ließen, gab es doch wenigsten ein paar Freunde, die ihn regelmäßig besuchten.
erschienen am 23. März 2005
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The Nomi Song (Kinofilm)
Mit einem maskenartigen, weiß geschminkten Gesicht und einem schrillen Kostüm, so tritt Klaus Nomi in der New Yorker Underground-Szene der 1970er Jahre auf. Seine musikalische Darbietung, eine Mischung aus Pop und Oper, bringt sein Publikum schon damals zu extremen Gefühlsausbrüchen. Regisseur Andrew Horn bereitet das Leben des bizarren Künstlers anhand von Archivaufnahmen und Zeitzeugenberichten publikumsgerecht auf. Seine Dokumentation ist nicht nur informativ, sondern schlicht mitreißend.
In der New-Wave und Punkszene New Yorks ist Klaus Nomi in den 1970er Jahren und Anfang der 1980er bekannt wie ein bunter Hund. In den Nachtclubs der East Village gab der Deutsche Musiker mit der hohen Stimme umwerfende Shows zum Besten. Mit maskenartigem, weiß geschminkten Gesicht und schrillem Kostüm präsentierte er sich auf der Bühne als Außerirdischer. In diesem Aufzug sang der geschulte Countertenor Stücke, die sich aus Oper- und Popmusik sowie synthetischen Klängen zusammensetzten. Mit..
2024