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Catherine Deneuve verliebt
Im Bett mit einem Gorilla
Interview: Catherine Deneuve vernachlässigt
In dem belgischen Kinofilm "Das brandneue Testament" verkörpert Catherine Deneuve eine vernachlässigte Ehefrau, die sich in einen Gorilla verliebt. Neben dieser animalischen Anekdote, hinterfragt das Werk von Regisseur Jaco van Dormael komödiantisch die Allmacht Gottes. Mit dieser markanten Rolle unterstreicht Deneuve erneut ihre Vorliebe für unkonventionelle Figuren. Mit uns spricht die französische Schauspiel-Ikone in Hamburg am Rande des Filmfestes über Tierliebe, Religion und Rainer Werner Fassbinder.
erschienen am 25. 01. 2016
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Das brandneue Testament (Le tout nouveau testament, 2015)
Religion spielt keine Rolle mehr
Ricore Text: Wenn Sie allmächtig wären, was würden Sie zuerst verändern?

Catherine Deneuve: Es wären generelle Dinge, die aktuell scheinbar unveränderbar scheinen - weil Sie eventuell fest in der menschlichen Natur verankert sind. Ich würde beispielsweise dafür sorgen, dass alle Menschen in Freiheit leben können und niemandem Unterdrückung widerfährt. Es gibt immer noch zu wenig Demokratie auf der Welt.

Ricore Text: Sind Sie ein religiöser Mensch?

Deneuve: Nicht in dem Sinne, dass ich Religion aktiv praktiziere. Ich wurde katholisch erzogen, als ich jedoch mit der Schule fertig war, ließ der religiöse Einfluss auf mein Leben nach. Auch in der Erziehung meiner Kinder spielte Religion keine Rolle. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht Dinge gibt, an die ich glaube. Zudem gehe ich sehr gerne in Kirchen. Für mich sind es Orte des Friedens und der Besinnung. Dort fühle ich mich sehr wohl.

Ricore Text: Welche Funktion kann Religion heute ausüben?

Deneuve: Religion gibt den Menschen eine Orientierung. Es ist dabei eine sehr persönliche Entscheidung, wie viel Raum man Religion in seinem Leben einräumen möchte. Religion schützt darüber hinaus auch vor Einsamkeit.

Ricore Text: Der Tod wird in unserer Gesellschaft zumeist thematisch ausgespart. Glauben Sie, dass wir anders leben würden, wenn dem Tod eine größere Aufmerksamkeit zuteil werden würde?

Deneuve: Mit Sicherheit. Unsere Vorstellung vom Tod ist zwangsläufig abstrakt. Vielleicht sollten wir nicht zu viel in die Zukunft gucken, sondern uns eine gewisse Sorglosigkeit erhalten. Ich weiß auch nicht, ob Religion die passenden Antworten bereit hält oder ob man diese Fragestellung nicht eher philosophisch betrachten sollte.

Ricore Text: Sind Sie eine Verfechterin vom 'Leben im Moment'?

Deneuve: Das wäre übertrieben, denn es wäre zugleich ein sehr selbstbezogener Ansatz. Ich bin schon sehr froh darüber, dass es genug Menschen gibt, die sich die passenden Gedanken über die Zukunft machen.

Ricore Text: Sie sind eine sehr wandelbare Schauspielerin. Wie haben Sie es geschafft, den Stereotypen bei der Besetzung zu entkommen?

Deneuve: Natürlich wird man schnell in eine Schubladen gesteckt und es gibt ein grundlegendes Interesse daran, Schauspielern ein richtungsweisendes Image zu verpassen. Das hat aber nichts mit mir zu tun, sondern mit dem Eindruck den Menschen von mir haben. Letztendlich muss ich sagen, dass ich sehr viel Glück gehabt habe. Ich habe früh angefangen Filme zu drehen und konnte im Laufe der Jahre sehr wertvolle Erfahrungen sammeln. Insgesamt fühlte ich mich immer anerkannt innerhalb der Branche. Das macht mich sehr glücklich.

Ricore Text: Wie wählen Sie Ihre Rollen aus?

Deneuve: Ich wähle nie die Rolle aus, sondern immer das Drehbuch. Diese Vorgehensweise hat sich in all den Jahren meiner Karriere nie geändert.
Jean-François Martin/Ricore Text
Catherine Deneuve (Cannes 2008)
Catherine Deneuve: oft guter Anfang ausschlaggebend
Ricore Text: Was macht ein gutes Drehbuch aus?

Deneuve: Das ist unmöglich pauschal zu beantworten, sonst gäbe es ja nur gute Drehbücher. Die Bewertung von Drehbüchern ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Wenn ich beispielsweise ein Buch lese und es gut finde, bedeutet es nicht zwangsläufig, dass es anderen auch gefällt. Für mich ist oft ein guter Anfang der Geschichte ausschlaggebend.

Ricore Text: Inwieweit beziehen Sie bei Ihrer Rollenauswahl auch Ihren Status als Film-Ikone mit ein?

Deneuve: Ich sehe mich nicht als Film-Ikone. Karriere ist zudem ein Wort, das für mich erst in der Rückbetrachtung Sinn ergibt - aktuell fühle ich mich allerdings noch mittendrin. Natürlich gehe ich auch mal ironisch mit mir und einer Rolle um, aber nur, weil es Teil meines Charakters ist. Ich möchte nicht langweilig werden und mich auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen. RicoreText : In "Das brandneue Testament" verlieben Sie sich in einen Gorilla. Haben Sie eine Vorliebe für unkonventionelle Rollen? Catherine

Deneuve: Es geht mir nicht in erster Linie um das Unkonventionelle einer Rollenfigur, sondern um mein grundsätzliches Interesse an spannenden Projekten und um Figuren, die ich in meiner bisherigen Karriere noch nicht verkörpert habe. Aus der Evolutionsperspektive betrachtet, ist der Gorilla dem Menschen zudem sehr ähnlich, von daher erscheint die Liaison nicht mehr ganz so unkonventionell.

Ricore Text: Was ist für Sie das Hauptmerkmal von Filmen aus Belgien?

Deneuve: Der unglaubliche Sinn für Humor. Ihr spezielles Verständnis von Komik unterscheidet sich sehr von französischen oder englischsprachigen Produktionen. Filme aus Belgien sind oft spöttisch, ironisch und authentisch zugleich - ich mag das sehr.

Ricore Text: Was halten Sie von Tierliebe?

Deneuve: Tierliebe ist sehr verbreitet. Es gibt viele Menschen die sich Haustiere halten. Diese Zuneigung kann sehr stark sein. Ähnlich wie meine Rollenfigur in "Das brandneue Testament", sind diese Menschen oft sehr einsam und versuchen durch die Zuneigung zu einem Tier ihr Alleinsein zu kompensieren.

Ricore Text: Frauen spielen in "Das brandneue Testament" eine starke Rolle. Sind Frauen die besseren Menschen?

Deneuve: Frauen sind emotionaler als Männer und haben andere Eigenschaften, aber deshalb sind sie nicht besser. Frauen sind immer noch unterrepräsentiert in wichtigen Positionen der Arbeitswelt. Sie müssen deshalb mehr kämpfen, um dieser grundsätzlichen Ungerechtigkeit entgegenzutreten. Das gilt auch für die Schauspielerei, auch wenn sich vieles schon verbessert hat. Es gibt speziell in den USA immer mehr Frauen, die als Filmproduzentinnen tätig sind.
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Catherine Deneuve liebt in "Das brandneue Testament" einen Gorilla
Unerschrockenheit nicht antrainiert
Ricore Text: Was denken Sie über die deutsche Filmlandschaft? Gibt es einen deutschen Regisseur mit dem Sie gerne zusammengearbeitet hätten?

Deneuve: Es ist nicht so, dass ich Tag und Nacht an Filmproduktionen aus Deutschland denke. Ich hätte jedoch große Lust gehabt mit Rainer Werner Fassbinder zusammenzuarbeiten. Seine Filme haben mich beeindruckt. Generell ist das aber schwer zu beantworten, weil Fassbinder vor allem postum verehrt und zu einem Idol verklärt wurde. Vielleicht hätte er ja auch gar keine Lust gehabt mich zu besetzen. Ich weiß jedoch um seine Vorliebe für starke Schauspielerinnen, wie beispielsweise Hanna Schygulla.

Ricore Text: Sie wirken mutig und unabhängig. Woher kommt das?

Deneuve: Unerschrockenheit habe ich mir nicht antrainiert, dies gehört zu meinen Charaktereigenschaften. Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen und dort musste ich mir meinen Platz erkämpfen. Bereits in jungen Jahren wollte ich ein selbstbestimmtes Leben führen - das war immer mein Ziel.

Ricore Text: Wie gehen Sie mit Komplimenten um?

Deneuve: Ich finde Komplimente nett und höre natürlich auch gerne Lobpreisungen, aber ich weiß genau wie sie einzuordnen sind: Allzu oft werden Komplimente idealistisch vorgetragen, ohne die Person dahinter wirklich zu kennen. Ich weiß genau wer ich bin und habe mich davon noch nie verrückt machen lassen.

Ricore Text: Was hat sich für junge Schauspielerinnen heutzutage verändert, verglichen mit Ihren Anfängen?

Deneuve: Heute ist es wahrscheinlich viel schwieriger für junge Schauspielerinnen, allein weil es kaum noch Rückzugsräume und Geheimnisse gibt. In Zeiten von Handykameras und Social Media ist es nicht leicht, mit Fehltritten diskret umzugehen. Andererseits werden heute junge Menschen prominent, ohne etwas zu können - einfach nur weil sie omnipräsent sind.

Ricore Text: Sind Sie manchmal überrascht von Ihrem Werdegang?

Deneuve: Ich weniger, aber die Menschen um mich herum. Die Art wie Menschen mich beurteilen, hat sich im Laufe der Jahre verändert. Das überrascht mich manchmal. Ich lese gerne Kritiken und versuche daraus zu lernen. Insgesamt mache ich mir aber nicht so viele Gedanken über mich, weil ich meist sehr beschäftigt bin.

Ricore Text: Sie sind immer noch oft auf der Leinwand zu sehen. Was bedeutet Arbeit für Sie?

Deneuve: Arbeit bedeutet Leben. Das Zusammentreffen mit Menschen hält mich jung. Im Jahr 2015 habe ich aber beispielsweise noch keinen Film gedreht, aber trotzdem bin ich immer in Sachen Film unterwegs. Ich besuche Festivals, unterhalte mich mit Leuten aus der Branche oder gebe Interviews.

Ricore Text: Frau Deneuve, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 25. Januar 2016
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Catherine Deneuve wird als Tochter eines Schauspieler-Ehepaares am 22 Oktober 1943 in Paris geboren. Auch ihre Schwester Françoise tritt in die Fußstapfen der Eltern. Als 13-jährige feiert Catherine ihr Filmdebüt. Der Durchbruch gelingt ihr 1964 mit "Die Regenschirme von Cherbourg". 1965 folgt die Hauptrolle in Roman Polanskis "Ekel", in dem sie eine wahnsinnige Mörderin spielt.Luis Buñuels "Belle de Jour - Schöne des Tages" brilliert sie beispielsweise als Prostituierte, während sie in "Die..
Gott (Benoît Poelvoorde) lebt in Brüssel und ist von despotischer Natur. Er piesakt die Menschheit mit allerhand Gemeinheiten. Dies bringt ihm mächtig Ärger mit seiner rebellischen Tochter Ea (Pili Groyne) ein. Diese möchte ihren Vater entmachten und ein brandneues Testament etablieren. Origineller Filmbeitrag vom belgischen Regisseur Jaco van Dormael. Mit eigenwilligem Humor und philosophischem Tiefgang wird der Zuschauer gekonnt eingefangen.
2024