Prokino Filmverleih
Regisseur Pablo Trapero ("El Clan")
Seit 2007 am Thema...
Interview: Pablo Trapero zu "El Clan"
"El Clan" gewinnt überraschend den Regiepreis bei der Mostra in Venedig 2015, im Oscar-Rennen schafft es der Thriller auf die Short List. Der argentinische Regisseur Pablo Trapero rekonstruiert die dunklen Verbrechen der Familie Puccio. Die Günstlinge der Junta erpressen zu Beginn der 1980er Jahre immer wieder Lösegeld. Als Lockvogel dient dem skrupellosen Patriarch Arquímedes sein eigener Sohn Alejandro. Der Spieler der Rugby-Nationalmannschaft späht die Opfer aus.
erschienen am 11. 03. 2016
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Regisseur Pablo Trapero am Set von "El Clan"
Erfolgreicher Aufklärer
Ricore Text: Haben Sie in Ihren kühnsten Träumen mit dem Erfolg des Films gerechnet?

Pablo Trapero: Die nationale und internationale Resonanz hat mich bestätigt. Ich bin seit 2007 an dem Thema dran. Ich wurde als Nestbeschmutzer beschimpft und mir wurde vorausgesagt, dass den Film keiner sehen will. Das Gegenteil trat ein. In Argentinien hat "El Clan" an der Kinokasse alle Rekorde gebrochen. Drei Millionen Tickets wurden verkauft und am ersten Tag zog er mehr Zuschauer an als jeder Hollywood-Blockbuster zuvor. Das hat selbst mich überrascht, weil der Film erst ab 16 Jahren zugelassen ist.

Ricore: Warum glaubten Sie fest an das Thema?

Trapero: Ich bin vom Filmfan zum Regisseur geworden, weil ich Filme drehen wollte, die unterhalten und das Publikum auf bestimmt Phänomene stoßen. Dieses Potential sah ich im Schicksal dieses Familienclans.

Ricore: Sie sind ungefähr im gleichen Alter wie die Jungs der Familie. Erinnern Sie sich an die Aufdeckung der Verbrechen?

Trapero: Meine Freunde und ich aus einem kleinbürgerlichen Vorort Buenos Aires waren schockiert, weil die Familie aus einem wohlhabenden Vorort stammte. Wir hätten nie vermutet, dass die Familien sich selbst die Hände bei Entführungen und Schutzgelderpressungen schmutzig machen. Wir wurden auch den Eindruck nicht los, dass die Umgebung das Geschehen zumindest stillschweigend geduldet hatte. Die Nachbarn haben die Familie nach der Verhaftung unterstützt und lange behauptet, alles wäre ein Missverständnis. Auch Alejandros Mannschaftskameraden haben sich sehr für ihn eingesetzt.
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Regisseur Pablo Trapero ("El Clan")
Pablo Trapero:
Ricore: War der Klassiker "Der Pate" Vorbild für den Film?

Trapero: Der Vergleich ist für mich ein großes Kompliment. Natürlich habe ich solche Vorbilder im Hinterkopf. Letztlich ergab sich die Dramaturgie aus dem Herz der Geschichte, dem Verhältnis von Vater-und Sohn. Trotz des politischen Backgrounds erzählt "El Clan" mit einem Mix aus surrealem Melodram, Thriller und Film Noir eine Familientragödie.

Ricore: Hatten die fünf Kinder überhaupt eine Chance, sich der Autorität des Vaters zu widersetzen?

Trapero: Die Gerichtsakten und unsere Gespräche mit Anwälten, den Angehörigen der Opfer sowie mit Teamkameraden und Trainern von Alejandro lassen vermuten, dass sie begrenzt waren. Ich werte das als Schutzbehauptung. Bis zu einem gewissen Alter waren die Kinder Opfer des Vaters, das will ich nicht leugnen. Die ganze Familie tanzt nach seiner Pfeife. Die Kinder konnten ihren Vater nicht bei der Polizei oder den Militärs anzeigen. Sie wussten, dass sie unter einer Decke steckten. Und trotzdem gibt es für jeden immer wieder die Möglichkeit, aus diesem mörderischen System auszusteigen. Der Film deutet sie an.

Ricore: Inwieweit reflektiert Ihr Film die argentinische Gesellschaft vor und nach der Diktatur?

Trapero: Der Vater konnte nur in diesem speziellen Kontext der argentinischen Militärdiktatur so agieren. Und natürlich werden die Kinder von der Umgebung geprägt, sie verinnerlichen diesen Kreislauf der Gewalt und halten ihn für selbstverständlich. Das lässt sich im Übrigen auch gut an der Selbstverständlichkeit ablesen, mit denen die Bürger der USA den Waffengebrauch rechtfertigen. Das Denken ändert sich erst, wenn Politiker das Stehvermögen haben, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Daher geht es in meinem Film nicht nur um Argentinien, sondern um alle Gesellschaften, die die Realität ausblenden. Wenn sich eine Gesellschaft ihre Probleme nicht ernst nimmt, werden sie schlimmer.

Ricore: Danke für das Gespräch
erschienen am 11. März 2016
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El Clan (Kinofilm)
Argentinien zu Beginn der 1980er Jahre. Die Puccios erscheinen als normale Familie, die in einem wohlhabenden Stadtteil von Buenos Aires lebt. Ihr Reichtum ist aber teuer bezahlt. Denn Patriarch Arquimedes (Guillermo Francella) führt die Familiengeschäfte mit skrupelloser Hand. Als sein ihm zunächst ergebener Sohn Alejandro (Peter Lanzani) eine Methoden zu kritisieren beginnt, wird die Ordnung empfindlich gestört. Ausgehend von wahren Begebenheiten hat Pablo Trapero mit "El Clan" ein düsteres..
2024