Ricore: Wird Serbien ihrer Meinung nach seinen Platz in der Europäischen Union finden?
Golubović: Natürlich gehört Serbien kulturell zu Europa. Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Serben wollen das, doch der Weg dahin wird noch sehr lang und hart. Serbien hat mit einer großen Schuld zu kämpfen, wir müssen mit dieser Schuld leben und sie uns eingestehen. Die Serben sind an vielen Dingen Schuld, vor allem, was sich in den letzten 15 Jahren zugetragen hat. Natürlich sind wir Serben nicht an allem Übel dieser Welt Schuld. Aber wir müssen die Katharsis finden, ohne eine Katharsis kann man in der heutigen Gesellschaft nicht überleben. Vielleicht haben Sie von den letzten Wahlen in Serbien gehört, wobei eine radikale Partei, die der von Milošević sehr ähnlich ist, die stärkste Partei wurde. Sie werden zwar nicht die Regierung bilden, sind aber dennoch die stärkste Partei. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir in den letzten sechs Jahren nicht mutig genug waren. Wir waren nicht mutig genug, vor unserer Tür zu kehren und zu sagen: "Ok, wir sind Schuld an vielen schrecklichen Dingen. Nun wollen wir anders leben, uns Werte der westlichen Zivilisation aneignen." Ich glaube, dass der serbische Beitritt in die Europäischen Union ausschließlich ein moralisches Problem ist. Das müssen wir klären und aus der Welt schaffen. Dafür brauchen wir aber Zeit.
Ricore: Ein großes Problem für die Zuschauer von "Klopka" ist vielleicht, dass sie wenig über das heutige Serbien wissen.
Golubović: Ich habe versucht alles realistisch darzustellen. Manchmal werde ich auf andere serbische Regisseur wütend, die es mit der Darstellung nicht so genau nehmen. Obwohl meine Hauptfiguren eher ärmlich sind, ist ihre Schuldbildung gut, das Apartment sieht gut aus, sie hören gute Musik, Soul aus den 1970ern. Belgrad ist eine große Stadt. Viele Teile Belgrads sind sehr schön. Belgrad sticht durch seine besondere Atmosphäre hervor. Heute ist Belgrad zwar immer noch eine sehr schöne Stadt - im Gegensatz zu kroatischen Großstädten, hat sie jedoch eine eher traurige Atmosphäre. So wollte ich die Stadt auch darstellen. Ich liebe diese Stadt, denn ich wurde dort auch geboren. Gerade im Kontrast zu dieser schönen Stadt steht der Hauptdarsteller. Er hat eine kaputte Persönlichkeit.
Ricore: Wie ist Ihre Meinung bezüglich des Unabhängigkeitsprozesses?
Golubović: Das ist ein sehr problematisches Gebiet. Meine Meinung dazu ist sehr persönlich. Ich bin nicht so sehr an territorialen Aufteilungen interessiert, mich interessiert viel mehr der Schutz der serbischen Bevölkerung im Kosovo. Ich denke, das sollte die Hauptaufgabe der serbischen Regierung sein. Außerdem leben viele Ukrainer in Serbien. Wir müssen die serbische Bevölkerung beschützen, ebenso Klöster und ähnliche Einrichtungen und lernen, vorausschauend zu denken. Man kann eben nicht nur von der Geschichte leben. Das ist nicht das wahre Leben.
Ricore: Was ist ihrer Meinung nach das größte Vorurteil gegenüber Serbien?
Golubović: Da bin ich mir nicht so sicher. In Serbien im Allgemeinen und in Belgrad im Spezifischen gibt es viele Gelehrte. Belgrad ist eine sehr europäische Stadt. Als Serbien noch zu Jugoslawien gehörte, war das Land in einen Ost- und einen Westteil geteilt. Wir lebten damals ganz anders. Natürlich, Serbien hat viele schlimme Dinge getan, was auch ein schlechtes Bild aus Serbien macht und vielleicht Vorurteile schürt. Und so müssen wir Außenstehenden oftmals erklären, dass wir auch normale Menschen sind, die sich normal verhalten und normal denken. Wir sind weder besser noch schlechter als andere, wir sind normal. Es gehört auch zu meinen Aufgaben, den Menschen zu erklären, dass wir durchschnittlich und gewöhnlich sind. Wissen Sie, im serbischen fatalistischen Denken gibt es entweder das Beste oder das Schlechteste. Es gibt nichts dazwischen. Für uns serbische Bürger sollte das einzige Ziel sein, normal zu sein.
Ricore: Was können Sie zu Ihrer Arbeit vor "Klopka" sagen?
Golubović: Ich habe 2001 einen Film namens "
Apsolutnih sto" gedreht. Er wurde auf Festivals in San Sebastian, danach in Toronto und in Cottbus vorgestellt. Damit habe ich viele Preise gewonnen, darunter zehn internationale Preise. Mein erster Film war für mich ein großer Erfolg, der mir viel Anerkennung einbrachte. Das half mir sehr.