Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Jim Morris auf der Weltpremiere von "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf"
Unbegrenzte Möglichkeiten des Kinos
Interview: Jim Morris' fabelhafte Welt
Als Spezialist für visuelle Effekte hat Jim Morris Filmgeschichte geschrieben. Für Filme wie "Terminator 2 - Tag der Abrechnung", "Jurassic Park" und "Mission: Impossible" hat er phantastische Welten kreiert und damit die wildesten Fantasien der Regisseure verwirklicht. Dass Animationen eines Tages reale Schauspieler und Kulissen ersetzen werden, bezweifelt er jedoch. Warum, verrät der Produzent von "John Carter - Zwischen zwei Welten 3D" im Interview mit Filmreporter.de.
erschienen am 6. 03. 2012
Walt Disney
John Carter - Zwischen zwei Welten 3D
Ricore: Sie waren bei vielen erfolgreichen Filmen für die visuellen Effekte verantwortlich. Was fasziniert Sie an phantastischen Stoffen?

Jim Morris: Ich habe mich immer von der phantastischen, der Georges Méliès-Seite des Filmemachens angezogen gefühlt. Mein erster Film, eine Adaption von Franz Kafkas "Der Kübelreiter", enthielt auch viele Spezialeffekte.

Ricore: Welche Filme haben Sie am meisten geprägt?

Morris: Mich haben vor allem Filme wie "Notlandung im Weltraum", "James Bond 007: Goldfinger" und Die "Dollar"-Trilogie von Sergio Leone stark beeinflusst. Außerdem liebte ich alle Projekte, an denen Ray Harryhausen beteiligt war.

Ricore: Haben Sie eine Methode, mit der Sie an Ihre Arbeit herangehen?

Morris: Man kann den Geschmack der Zuschauer nur schwer voraussagen. Deswegen mache ich meine Arbeit so, wie ich sie mag und hoffe, dass die Menschen sie auch mögen. Anders kann man an seine Arbeit nicht herangehen. Man muss einen inneren Kompass haben, der einen auf den richtigen Weg führt.

Ricore: Was hat "John Carter - Zwischen zwei Welten 3D" an Spezial-Effekten zu bieten, die es vorher nicht gab.

Morris: Vieles, was wir hier ausprobiert haben, hat man hier und da schon mal gesehen. Wir konnten den Film nicht neu erfinden. Wenn man sich die Geschichte der Spezial-Effekte als einen Baum mit vielen Ästen vorstellt, dann ist "John Carter" ein weiterer Zweig. Wir haben in diesem Film Techniken angewandt, mit denen schon George Lucas und James Cameron experimentiert hatten. Ihre Filme, wie auch die Arbeit anderer großartiger Regisseure, haben die Vorarbeit geleistet, ohne die wir einen Film wie "John Carter" nicht hätten machen können.

Ricore: Stimmt es, dass Sie Fachleute aus den Pixar Animation Studios für die Spezial-Effekt-Abteilung gewinnen wollten?

Morris: Das hatten wir tatsächlich vor, doch aus verschiedenen Gründen haben wir die Idee aufgegeben. Die Leute von Pixar sind sehr gut darin, Animationsfilme herzustellen. Doch der Unterschied zwischen Animationen und fotorealistischen Effekten ist beträchtlich. Aus diesem Grund setzten wir auf jene Kräfte, die mit Realfilmen Erfahrung haben.
20th Century Fox
Star Wars Episode 4 - Eine neue Hoffnung (AKA Krieg der Sterne)
Ricore: Regisseur Andrew Stanton hat vorher für Pixar gearbeitet. Wie hat Ihre Zusammenarbeit mit ihm in "John Carter" funktioniert?

Morris: Andrew wollte schon lange einen Realfilm machen. Als er zur Verfügung stand, entschieden wir uns, zusammen in diese Richtung zu gehen. Auch Disney hatte viel Vertrauen in seine Fähigkeiten als Geschichtenerzähler, was zusammen mit meiner Erfahrung im Bereich der visuellen Effekte die Verantwortlichen dazu bewogen hat, das Risiko einzugehen.

Ricore: Wie groß ist der Druck, wenn man einen so kostspieligen Film realisiert?

Morris: Wie bei jedem teuren Film ist auch bei "John Carter" der Erfolgsdruck enorm. Filme sind immer ein spekulatives Unternehmen, es gibt keine Garantien. Um den Erfolgsdruck zu minimieren, haben wir die besten Leute ins Team geholt. Wir können nur hoffen, dass wir mit unseren Entscheidungen richtig lagen und die Zuschauer das Ergebnis mögen.

Ricore: Warum haben Sie vor diesem Hintergrund den Film nicht mit zugkräftigen Schauspielern besetzt?

Morris: Ich fand es wichtig, dass dem Film keine berühmten Schauspieler vorstehen. In diesem Punkt haben wir uns von George Lucas' "Star Wars"-Reihe inspirieren lassen. Ein unbekannter Schauspieler kann mit einer Figur des Films besser verschmelzen als ein Star, der mit anderen Rollen oder einem bestimmten Image vorbelastet ist.

Ricore: Dennoch hat Andrew Stanton viele Leute aus seinen Lieblings-Fernsehsendungen mitgebracht.

Morris: [lacht] Ja, tatsächlich. Alle, die Serien wie "Rom" mögen, werden auf bekannte Gesichter stoßen. Abgesehen davon, wollten wir, dass ein Teil des Casts von englischen Schauspielern besetzt wird. Immerhin wurde der Film auch in London gedreht.

Ricore: Die Roman-Reihe über John Carter hat viele Filmemacher inspiriert, in der breiten Masse ist der Stoff nicht so bekannt. Woran liegt das?

Morris: Das stimmt, "John Carter" hat nicht den Rückhalt von Lesern, wie sie etwa die "Harry Potter"-Verfilmungen hatten. Der Grund, wieso so viele Filmemacher und Autoren von der Vorlage beeinflusst wurden, liegt an den Geschichten und den fantastischen Welten, die die Romane kreieren. So gesehen war es Andrews Aufgabe, das Interesse des modernen Publikums für diese Welten zu wecken.
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Jim Morris auf der Deutschlandpremiere von "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf"
Ricore: Konnten Sie als Produzent auch kreativ auf die Produktion einwirken?

Morris: Wenn man mit jemandem wie Andrew arbeitet, hat man einen guten Rückhalt. Mein Einfluss beschränkte sich eher auf die Besetzung von Cast und Crew sowie auf Entscheidungen während der Postproduktion. Was das Inhaltliche angeht, gab ich Andrew allenfalls die Richtung vor, in die er sich bewegen sollte. Als Produzent hatte ich also eher eine chiropraktische als eine kreative Funktion inne. Wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas fehlte, teilte ich Andrew meine Bedenken mit.

Ricore: Gab es auch Punkte, bei denen Sie sich uneinig waren?

Morris: Sicher gab es die eine oder andere Unstimmigkeit, aber die hielten sich in Grenzen. Zum Beispiel bin ich schon immer ein großer Fan von Mark Strong gewesen und wollte ihn unbedingt für die Rolle des Matai Shang besetzen. Andrew kannte sich weniger mit Marks Arbeit aus und sah ihn deshalb nicht von Anfang an in diesem Part.

Ricore: Es heißt immer, in der Hollywood-Industrie hat der Produzent das Sagen und nicht der Regisseur. Würden Sie dem zustimmen?

Morris: "John Carter" ist der zweite Film, bei dem ich mit Andrew zusammengearbeitet habe. Ich denke, wir ergänzen uns sehr gut. Es gibt viele Dinge, die ich gerne tun würde, mit denen er nicht einverstanden ist und umgekehrt.

Ricore: Wie eng haben Sie sich an die Buchvorlage gehalten?

Morris: Wir haben uns zwar nicht wortwörtlich an die Vorlage gehalten, wollten aber die Stimmung des Romans wiedergeben. Wir wollten die Seele des Buches einfangen.

Ricore: Wird daraus ein neues Franchise?

Morris: Wir haben tatsächlich bereits zwei Treatments verfasst, die auf die Romane "Die Götter des Mars" und "Der Kriegsherr des Mars" basieren. Wir taten es nicht, weil wir bereits an Sequels von "John Carter - Zwischen zwei Welten 3D" dachten, sondern weil wir uns diese Optionen offenhalten und uns mit dem ersten Teil nicht in eine Sackgasse manövrieren wollten. Ungeachtet dessen ist "John Carter" ein in sich abgeschlossener Film ohne Cliffhanger oder Verweise auf eventuelle Fortsetzungen.
Walt Disney
Taylor Kitsch in "John Carter - Zwischen zwei Welten 3D"
Ricore: Warum ist John Carter für die heutige Zeit ein besserer Held als etwa Tarzan, die andere berühmte Erfindung des Autors Edgar Rice Burroughs?

Morris: Ich glaube nicht, dass John Carter ein besserer Held als Tarzan ist. Er ist einfach nur Teil einer Geschichte, die die Menschen seit Generationen fasziniert. John Carter ist der Archetyp vieler Heldengeschichten, die es seitdem gegeben hat. Seine Abenteuer haben Comichelden wie Flash Gordon und Superman, aber auch Filme wie "Star Wars" und "Avatar - Aufbruch nach Pandora" maßgeblich beeinflusst.

Ricore: In den 1980er Jahren hat es schon mal Versuche gegeben, die "John Carter"-Romane zu adaptieren. Warum ist es damals nicht dazu gekommen?

Morris: Das kann ich nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass in den späten 1980er Jahren John McTiernan einen Versuch unternommen hatte, den Stoff zu verfilmen. Es existierte bereits eine Drehbuchfassung und Disney sollte das Projekt finanzieren. Tom Cruise war für die Rolle John Carters vorgesehen. McTiernan plante eine viel konventionellere Verfilmung, die sich eng an die Vorlage halten wollte. Dass das Projekt nicht zustande kam, mag einerseits an den hohen Produktionskosten, andererseits am Bedenken des Studios gegenüber dem ganzen Vorhaben gelegen haben. Später versuchten andere Regisseure, das Projekt unter dem Dach von Paramount zu realisieren, doch auch das kam aus irgendwelchen Gründen nicht zustande.

Ricore: Heute kann man mit Hilfe von Computergenerierten Effekten nahezu jede Idee realisieren. Gibt es noch viele Drehbücher in den Schubladen Hollywoods, die aufgrund der visuellen Effekte erst jetzt umgesetzt werden könnten?

Morris: [lacht] Nachdem "Jurassic Park" in die Kinos kam, haben nicht wenige Produzenten alte Drehbücher abgestaubt, von denen sie dachten, dass sie niemals realisiert werden könnten. Heute weiß man, dass nahezu jede Idee mit Hilfe von Computertechnik umgesetzt werden kann. Es gibt kaum ein Projekt, das man nicht auf die Leinwand bringen kann.

Ricore: Welche Computergenerierten Effekte sind besonders teuer?

Morris: Es gibt unterschiedliche CGI-Kategorien und dieser Unterschied spiegelt sich auch in den Kosten wider. Animationen von Charakteren zum Beispiel sind sehr teuer. Ausstattungen dagegen kann man relativ kostengünstig animieren. Solche Effekte findet man heutzutage nahezu in jedem Film. Kaum eine Produktion, ob es sich um eine Romanze oder eine Komödie von Woody Allen handelt, kommt noch ohne so genannte 'Set-Verlängerungen' aus.

Ricore: Finden Sie es wichtig, dass trotz der CGI-Möglichkeiten Charaktere noch von echten Schauspielern dargestellt werden und Filme in realen Kulissen spielen?

Morris: Ja, in "John Carter" zum Beispiel legten wir Wert darauf, dass ein Großteil des Films in realen Kulissen gedreht wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Filme irgendwann ohne Schauspieler auskommen werden. Die Magie, die von ihnen ausgeht, kann man nicht künstlich produzieren. Die Zwischentöne, die Willem Dafoe etwa seinem Charakter in bestimmten Szenen von "John Carter" verleiht, kann man nicht mit Animationen erreichen.

Ricore: Könnte es in Zukunft einen Oscar in der Kategorie 'Beste animierte Schauspielleistung' geben?

Morris: Es gab tatsächlich vor einigen Jahren den Vorschlag, dass Andy Serkis eine Nominierung als bester Nebendarsteller für seine Rolle in "Herr der Ringe" bekommt. Die US-Filmakademie entwickelt sich jedenfalls immer weiter und ich wäre nicht überrascht, wenn es in zehn Jahren tatsächlich diese Kategorie gibt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 6. März 2012
Zum Thema
1987 wird Jim Morris von George Lucas - ist er für die visuellen Effekte großer Hollywoodproduktionen verantwortlich. Unter seiner Leitung entstehen die Spezial-Effekte für Filme wie "Abyss - Abgrund des Todes", "Terminator 2 - Tag der Abrechnung" und "Hook". Später arbeitet er als Generaldirektor bei Oben" und "Toy Story 3".
Der frühere US-Offizier John Carter (Taylor Kitsch) gerät auf unerklärliche Weise auf einen fremden Planeten, deren Bewohner sich gegenseitig bekriegen. Unverschuldet gerät er hier zwischen die Fronten. "John Carter - Zwischen zwei Welten 3D" ist die Verfilmung des Romans "Die Prinzessin vom Mars" von Edgar Rice Burroughs. Das Buch ist Teil eines mehrere Bände umfassenden Science-Fiction-Zyklus John "Carter vom Mars", der unter anderem für George Lucas' "Star Wars" Pate stand.
2024