Universal Pictures International Germany (UPI)
Tár (2022)

Tár

Originaltitel
Tár
Regie
Todd Field
Darsteller
Cate Blanchett, Noémie Merlant, Adam Gopnik, Marc-Martin Straub, Egon Brandstetter, Ylva Pollak
Kinostart:
Deutschland, am 02.03.2023 bei Universal Pictures International (UPI)
Kinostart:
Österreich, am 23.02.2023 bei Universal Pictures
Kinostart:
Schweiz, am 23.02.2023 bei Universal Pictures
Genre
Musikfilm
Land
USA
Jahr
2022
FSK
ab 12 Jahren
Länge
158 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
5,0 (Filmreporter)
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Auch Frauen missbrauchen ihre Macht
Lydia Tár (Cate Blanchett) hat es geschafft. Sie ist die Chefdirigentin der Berliner Symphoniker. Mit dem Orchester spielt sie alle Werke Gustav Mahlers neu ein. Es fehlt nur noch die 5. Symphonie. Deren Entstehen ist bekanntlich eng mit dessen Beziehung zu seiner Gattin Alma Mahler-Werfel verbunden, die selbst gerne komponiert hätte. Mahler war allerdings dagegen.

100 Jahre später sieht Lydia Tár dies natürlich anders - ihre Lebenspartnerin (Nina Hoss) spielt die erste Geige im Orchester. Beide haben ein Flüchtlingskind adoptiert. Die Sorge um das Mädchen lenkt Tár von ihrem Alltag am Rande der Proben ab. Der Tagesablauf wird von ihrer Assistentin Francesca (Noémie Merlant) durchgeplant. Die Musikerin behandelt sie von oben herab - fast wie einen lästigen Einrichtungsgegenstand. Francesca organisiert auch die Reisen im Privatjet zur Juilliard School, an der Tár Unterricht für angehende Dirigenten gibt. Einem Student hält sie dessen Wokeness vor. Aber auch in Berlin eckt sie an. Ihren Stellvertreter bei den Philharmonikern will sie etwa loswerden. Ganz nebenbei hat sie ein Auge auf die neue russische Cellistin (Sophie Kauer) geworfen und wird von einer ehemaligen Schülerin gestalkt, der sie vielleicht zu viele Hoffnungen auf eine Karriere in Berlin macht.
Auch Frauen missbrauchen ihre Macht und schaffen psychische Abhängigkeiten bei denen, die in der Hierarchie unter ihnen stehen. Sie sind auch nicht davor gefeit, sexuell übergriffig zu werden. Sie sind Despoten wie Harvey Weinstein, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird. Denn Tár kann die demokratischen Prinzipien, die sich das Orchester für die Zusammenarbeit selbst gegeben hat, nur aushebeln, weil die Musiker selbst sie nicht ernsthaft verteidigen. Auf diesen kurzen Nenner lässt sich der Film von Todd Field bringen, für den Cate Blanchett beim Filmfestival von Venedig 2022 als beste Schauspielerin geehrt wird. Sie ist in fast jeder Szene zu sehen und liefert eine beeindruckende Performance als machtsüchtige Narzisstin ab.

In den letzten Minuten fällt das System Lydia Tár und mit ihm der Film wie ein aufgeblasener Hefekuchen in sich zusammen. Die Einsamkeit, die sie immer spürt, holt sie ein. Ob es zur Katharsis kommt oder sie an anderen Orten einfach weitermacht wie bisher, bleibt offen. Das mag realistisch sein, ist aber auch gefährlich. Westliche Filmemacher sollten sich davor hüten, anderen Ländern vorzuhalten, Menschenrechte wären bei ihnen weniger wert.

Die Schwächen des wie am Reißbrett konstruierten Buches kann sie auch nicht wettmachen. Das Unbehagen beginnt mit der Grundkonstellation - natürlich gibt es keine egozentrische Lydia Tár in der Berliner Musiklandschaft, die sich wie eine Mischung aus verwöhntem Rockstar, Kontrollfreak und Diktator aufführt. Daher mag die Frage schon gestattet sein, warum mit den vielen Anspielungen auf eine Verankerung bei den Berliner Symphonikern eine wahre Geschichte suggeriert wird. Nicht zuletzt auch, weil die Musiker des Berliner Symphonieorchesters gar nicht mitspielen und die sie darstellenden Dresdener Symphoniker übrigens grandios aufspielen.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Videoclip: Tár: Der Trailer
Lydia Tár (Cate Blanchett) ist Chefdirigentin der Berliner Symphoniker. Sie geniest und missbraucht ihre Macht bei dem renommierten...
 
Cate Blanchett liefert eine beeindruckende Performance als machtsüchtige Narzisstin ab.
Universal Pictures International Germany (UPI), Focus Features
Cate Blanchett ("Tár", 2022)
2024