Film Revue
Oskar Werner und Martine Carol im Bierkeller
Von Gumpendorf nach Hollywood
Retro Feature: Wechselhafte Karriere: Oskar Werner
An der Pforte zu seinem Grundstück im österreichischen Thallern hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Gewähret dass ich ersuche, bitte keine unangemeldeten Besuche!" Oskar Werner gilt als einer der führenden Film- und Theaterschauspieler seiner Generation. Sein exzentrisches Auftreten und selbstzerstörerisches Wesen machen die Zusammenarbeit mit ihm allerdings nicht leicht. Trotz aller Widrigkeiten legt der charismatische Darsteller einen langen Karriereweg zurück, der ihn von der Tristesse des 6. Wiener Bezirks, bis ins Mekka der US-amerikanischen Filmindustrie führt.
erschienen am 30. 07. 2023
Filmrevue
Oskar Werner in einer Szene aus "Hamlet".
Bewegte Kindheit
Oskar Josef Bschließmayer wird 1922 in Wien geboren und wächst unter einfachen Verhältnissen in Gumpendorf im 6. Stadtbezirk auf. Seine Mutter ist Fabrikarbeiterin, während sein Vater als Versicherungsvertreter sein Geld verdient. Die Liebe zwischen den Eltern erkaltet bald, weshalb der kleine Oskar bei Mutter und Großmutter heranwächst. Als der Junge acht Jahre alt ist, versucht sich die Mutter, verzweifelt ob ihrer Lebensumstände, das Leben zu nehmen. Am 9. November 1938 ist der mittlerweile 15-jährige Zeuge der nationalsozialistischen Novemberpogrome in Wien. Ein Erlebnis welches ihn zeitlebens prägt und zum pazifistischen Antifaschisten werden ließ.
Film Revue
Oskar Werner mimt den österreichischen Komponisten
Kriegs-Theater
Bereits während der Schulzeit begeistert sich Oskar für das Schauspiel. Übers Schultheater, als Komparse beim Film und mit Sprechrollen im Rundfunk kommt er dem Beruf des Schauspielers näher. Die Schule muss er schließlich ohne Abschluss verlassen, was das renommierte Wiener Burgtheater 1941 jedoch nicht davon abhält, Werner als Ensemblemitglied zu engagieren. Während dem zweiten Weltkrieges wird die Anstellung allerdings wiederholt durch Werners Einberufung zum Dienst im Heer unterbrochen. Auch weil seine damalige Lebenspartnerin Elisabeth Kallina nach den Nürnberger Rassegesetzen als Halbjüdin gilt, desertiert er 1944 mit Frau und Tochter Eleonore und versagt der Wehrmacht endgültig den Dienst. Nach Kriegsende bleibt er dem Burgtheater treu und heiratet seine große Liebe Elisabeth. Dabei legt er seinen bürgerlichen Familiennamen offiziell ab.
StudioCanal Germany
Jules und Jim (Jules et Jim, 1961)
Beginn der Filmkarriere
Im Jahr 1949 ist Werner erstmals auf der Kinoleinwand zu sehen. "Der Engel mit der Posaune" wird zu einem großen Erfolg und bringt zugleich den Durchbruch für den jungen Schauspieler. Kurz darauf unterschreibt er einen Vertrag über eine mehrjährige Zusammenarbeit mit dem legendären Hollywood-Produzenten Darryl F. Zanuck - der Kontrakt wird allerdings schon im darauffolgenden Jahr in beidseitigem Einvernehmen wieder aufgelöst. 1962 ist Werner in François Truffauts "Jules und Jim" zu sehen. Die erste Zusammenarbeit mit dem französischen Regisseur ist zugleich der Beginn einer engen Freundschaft. Es folgen Rollen in "Das Narrenschiff" und "Der Spion, der aus der Kälte kam", die Werners darstellerisches Leistungsvermögen aufzeigen.
UIP
Oskar Werner in "Fahrenheit 451"
Ende einer Freundschaft
In Truffauts Verfilmung von Ray Bradburys Zukunftsvision "Fahrenheit 451" ist Oskar als Feuerwehrmann Guy Montag zu sehen, der beauftragt ist Bücher zu verbrennen, bevor er gegen das totalitäre System rebelliert. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in Bezug auf seine Rolle, kommt es zum Bruch mit dem Regisseur. Gegen Ende der Dreharbeiten ist ihr Verhältnis so stark belastet, dass Truffaut seinem Hauptdarsteller gar Sabotageabsichten unterstellt.
Der Spiegel
Oskar Werner und Julie Christie
Verlockendes Angebot
Obwohl eine Zusammenarbeit mit Werner unter Filmschaffenden als schwierig gilt, bietet ihm Stanley Kubrick die Hauptrolle in seiner geplanten Verfilmung der Lebensgeschichte von Napoléon Bonaparte an. Das Projekt platzt in letzter Sekunde, weil die renommierte Produktionsgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer horrende Produktionskosten für das Mammutprojekt fürchtet. Ab 1968 ist Oskar Werner nur noch zweimal vor der Kamera zu sehen. 1975 agiert er als Gegenspieler von Peter Falk in einer Episode der US-Krimiserie "Columbo", im Jahr darauf spielt er in Stuart Rosenbergs "Reise der Verdammten" schließlich seine letzte Filmrolle. Exzentrisches Auftreten, Alkoholexzesse, wechselnde Lebensgefährtinnen und Depressionsschübe machen aus Oskar Werner einen unzuverlässlichen Schauspieler. Er zieht sich zunehmend aus der öffentlichen Wahrnehmung zurück. Mit Lesungen und eher erfolglosen Regiearbeiten fürs Theater hält er sich nach der Schauspielkarriere über Wasser. Während einer Lesereise stirbt Oskar Werner am 23. Oktober 1984 in einem Marburger Hotel an einem Herzinfarkt. Er hinterlässt das Bild eines Mannes, der sich zeitlebens auf dem schmalen Grad zwischen Erfolg und Misserfolg, zwischen Bewunderung und Selbstzerstörung bewegt.
erschienen am 30. Juli 2023
Zum Thema
Über Oskar Werner kann man viel erzählen. Er war Pazifist, Deserteur im zweiten Weltkrieg, liebte die Einsamkeit und galt als exzentrisch. Mit François Truffaut verband ihn eine enge Freundschaft, denn schließlich feierte Werner mit dessen Kultfilm "Jules und Jim" 1962 seinen Durchbruch als Schauspieler. Aber schon 1966 sollte diese Freundschaft in Brüche gehen, ausgerechnet bei den Dreharbeiten zu "Fahrenheit 451". Wie schon Protagonist Guy Montag liebte auch der Darsteller seine Bücher...
Weitere Retrofeatures
Charmanter Raufbold: Terence Hill
Wechselhafter Rudolf Platte
2024