Constantin Film
Sebastian Koch in "Effi Briest"
Sebastian Koch kein Frauenversteher?
Interview: "Effis Mut wird belohnt"
In "Effi Briest" spielt Sebastian Koch Baron von Innstetten, kein Frauenversteher, ganz im Gegenteil. Der Film ist modernisiert, das Ende von Hermine Huntgeburths Romanverfilmung weicht von Fontanes Vorlage und früheren Adaptionen ab. Der Schwabe erklärt uns, weshalb es für ihn keine Negativfiguren gibt und inwiefern Strukturen und zeitlicher Kontext Verhaltensmuster erklären, vielleicht sogar entschulden. Außerdem sprach Koch über die Notwendigkeit, in seinem Beruf Arbeitspausen einzulegen.
erschienen am 17. 02. 2009
Constantin Film
Julia Jentsch, Sebastian Koch
Ricore: Sie spielen in "Effi Briest" den Baron Geert von Innstetten. Man kann nicht sagen, dass die Figur oberflächlich gezeichnet sei.

Sebastian Koch: Nein. Ich finde es spannend, dass von Innstetten nicht von Vornherein ein Arsch ist, nicht so deutlich das Ungeheuer dieses Films ist. Es ist ein innerer Wahnsinn, ein inneres Gefängnis. Das lebt dieser Mann ohne es unbedingt physiognomisch ausstrahlen zu müssen.

Ricore: Man hört durchaus eine gewisse Anteilnahme, Sie sehen den Baron nicht nur als Negativfigur?

Koch: Für mich gibt es so etwas nicht. Von Innstetten ist ein Kind seiner Zeit, das muss man im Zusammenhang sehen. Wenn ich solche Rollen annehme, beschäftige ich mich mit der Zeit und nehme die Personen in Schutz. Nur wenn wir sie verstehen, können wir aus ihren Fehlern lernen. Das ist wichtig. Nehmen Sie von Innstetten. Wenn man sieht, was er für eine Biographie hat, wie er aufgewachsen ist - da gab es keinen Platz für Emotionen. Wenn man daran denkt, dass der große Bruder den kleinen schlagen musste, um ihn abzuhärten. Kaltwasserschocks, "ein Mann weint nicht", all diese Geschichten, mit der diese Generation groß geworden ist. Diese Verhaltensmuster haben doch einen Ursprung. Und die ganze Scheiße wiederholt sich, bis einer mal aussteigt. Doch von Innstetten hat nicht die Power um aus diesem Kreis auszubrechen.

Ricore: Von Innstetten ist ein Kind seiner Zeit. Doch die Figur hat auch etwas Zeitloses. Er konzentriert sich auf seine Karriere, ist ein Emporkömmling, der Negativerlebnisse aus seiner Vergangenheit kompensieren muss.

Koch: Sie sprechen etwas an, was ich als Struktur bezeichne. Im Grunde gibt er das weiter, was er selber erlitten hat. Das ist doch so gängig; dieses Generationsübertragende. Dass man einfach nicht den Mut hat, aus dem Kreis auszubrechen. Er war in eine Frau verliebt, die einen reichen Sack genommen hat und sich nicht getraut hat, ihre Liebe zu leben. Und was macht von Innstetten? Er denkt sich "Ich muss eben jemand werden, um Liebe leben zu können". Das sind diese Grundfehler, die so ein Mensch macht. Ab dem Zeitpunkt gibt es kein Zurück mehr. Das erklärt und entschuldet, mit diesem Hintergrund kann man eine solche Person besser verstehen.
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Sebastian Koch
Ricore: Der Roman vermittelt etwas Endzeitliches. Das letzte verbriefte Duell in Deutschland, die Sozialdemokraten kommen auf. Man spürt diesen Wandel, eine Ära geht zu Ende.

Koch: Aus diesem Grund finde ich auch den Schluss des Films legitim, dass Effi überlebt. Sie ist die Einzige, die den Kreis durchbricht und wird für ihren Mut belohnt. Sie riskiert etwas um zu verändern. Von Innstetten steh einfach nur da - und steht wahrscheinlich heute noch an der gleichen Stelle, Unter den Linden. Er konnte sich nicht mehr bewegen, hat alles falsch gemacht, zu wenig Mut gehabt um sich zu befreien. Weil es doch meist solch komplexe Hintergründe gibt, bin ich immer vorsichtig mit Wertigkeiten.

Ricore: Konnte man "Effi Briest" nur mit diesem zeitgemäßen Schluss verfilmen?

Koch: Nein. Man könnte diese Geschichte auch ein weiteres Mal verfilmen und sich an das Ende der Romanvorlage halten. Doch ich finde dieser Schluss ist ein kleines Bonbon. Dass sie dieses enge Korsett von Werten und Erziehung ablegt. Wir haben uns von all dem im Laufe der Zeit befreit. Heute hört man plötzlich überall "Wir brauchen Werte, dringend!" Das hat mich interessiert. Sich zu fragen: Wo kommen wir her? Was können wir mit unserer Freiheit anfangen, was können wir von damals übernehmen? Müssen wir einfach ein paar Dinge übersetzen? Das sind Fragen, die ich extrem spannend finde.

Ricore: Diese Rolle steht in der Tradition ihrer Filme, ihrer Figuren. Sie haben lange Theater gespielt, immer wieder kommen historische Motive vor. Haben Sie ein privates Interesse an der Geschichte?

Koch: Auf diese Frage kann ich doch nicht mit "Nein" antworten…

Ricore: Warum nicht?

Koch: Ich bin in erster Linie Schauspieler. Ich suche mir einfach die besten Rollen aus.
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Effi Briest
Ricore: Sie suchen sich aber nicht unbedingt Rollen in Actionfilmen oder Unterhaltungsfilmen aus. Es ist ein roter Faden erkennbar. Oder etwa nicht?

Koch: Wenn ich das rückblickend betrachte, haben Sie vollkommen Recht. Doch ich wähle nicht danach aus. Ich könnte mir jedoch durchaus vorstellen, einen Batman zu spielen oder einen Joker, doch das gibt es in Deutschland nicht. Ich bin kein völlig vergeistigter Mensch. Die Komödien oder die leichteren Stoffe in Deutschland sind meistens einfach nicht interessant genug für mich. Das heißt aber nicht, dass ich das nicht machen würde, ganz im Gegenteil.

Ricore: Was genau würden Sie gerne machen?

Koch: Das kommt immer auf den Stoff an. Das Drehbuch ist immer das Wichtigste. Gute Bücher sind immer noch selten - sehr selten. Die zu finden und die richtigen Leute dabeizuhaben, darum geht es.

Ricore: Steht diesbezüglich etwas an?

Koch: Jetzt habe ich gerade den "Der Seewolf" gemacht. Das war ein Riesending. Jetzt muss ich Pause machen. Ich kann nur richtig gut arbeiten, wenn eine Rolle eine Herausforderung für mich ist. Wenn ich richtig rein finden muss, arbeiten muss dafür. Wenn man das zu oft macht, geht das nicht, glaube ich. Deshalb mache ich jetzt eine Pause, um wieder Energie zu tanken. Um wieder Lust zu kriegen, so eine Herausforderung anzunehmen.

Ricore: Wie hat man sich das Pausieren vorzustellen?

Koch: Mein Pausieren besteht gerade aus Aufräumen. Ich habe sehr viel gemacht, die letzten Jahre und bin dabei zu ordnen, mich wieder zu organisieren.
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Juliane Köhler und Sebastian Koch
Ricore: Wenn die Dreharbeiten an einem Film abgeschlossen sind, ist er dann für Sie zu Ende, schließen Sie damit ab?

Koch: Am "Seewolf" hing von der ersten Sekunde alles Herzblut dran. Das kann ich nicht beschreiben. Es ist ein unglaublich faszinierender Roman, ein unfassbar kluges Buch. Es ist sehr romantisch, sehr emotional. Das hat mich von Anfang an gepackt, da kann man nicht so einfach loslassen, auch nicht nach dem Drehen.

Ricore: Wollen Sie mal selbst Regie führen?

Koch: Ich denke so etwas kommt zu einem. Ich kann mir generell vorstellen, das mal zu machen. Aber nicht in naher Zukunft, da gibt es keine Pläne. So etwas entwickelt sich, ich denke nicht, dass man das forcieren sollte. Nicht in meinem Fall.

Ricore: Sie meinen eine konsequente Karriereplanung ist nicht förderlich?

Koch: So etwas mache ich nicht. Ich versuche die Sachen zu machen, die wichtig sind für mich. Ich will Sachen nicht neu abwickeln, keine Kopien machen. Jetzt können Sie natürlich sagen, dass "Der Seewolf" eine Kopie ist. Das ist nicht so. Dieser Film hat einen ganz anderen Ansatz als sein Vorgänger.

Ricore: War Ihnen gleich klar, dass die Rolle des Baron von Innstetten etwas für Sie ist, als Sie das Drehbuch von "Effi Briest" lasen?

Koch: Nein, eigentlich nicht. Ich habe überlegt, ob ich das mache, fand die Rolle dann aber spannend. Ich versuche meine Rollen nicht zu wiederholen, was natürlich immer schwieriger wird, je länger man in dem Beruf drinsteckt. Ich bin kein Schauspieler, der auf eine Werbeschiene hüpft und auf Geld spekuliert. Ich bin Vollblutschauspieler, ich will jedes Mal etwas neu erfinden. Das macht mir Spaß und so lange es etwas neu zu erfinden gibt, bin ich dabei.
Jean-François Martin/Ricore Text
Sebastian Koch (Venedig 2006)
Ricore: War das bei der Rolle des Seewolfs etwas anderes?

Koch: Von mir zum Seewolf, das ist eine weite Reise. Toll und aufregend, aber es verlangt mir extrem viel Kraft ab. Engagement und Energie, das ist nicht unendlich vorhanden. Das muss wieder neu entstehen, die Lust an so etwas. Dass man Bock hat etwas zu reißen.

Ricore: So eine Rolle kann man nicht einfach an- und ausschalten, sagen viele Schauspieler. Wie ist das bei Ihnen, sind Sie am Set nach dem Drehen noch in Ihrer Rolle?

Koch: Es geht, so etwas läuft von selbst. Ich kann nicht der Seewolf sein und am Abend eine Milch trinken!

Koch: Ich bin nicht so Teil von diesem Zirkus. Man kann sich da zurückziehen oder man kann auf das Karussell aufspringen. Ich mache das, was wichtig ist, was Teil meines Berufes ist. Der Beruf des Schauspielers ist nun mal ein öffentlicher. Es gibt Leute, die sind auf jeder Party. Ohne das zu bewerten, ich bin eher ruhig, habe es gern einfach. Die paar Sachen, die ich dann mache, machen mir auch Spaß.

Ricore: Wo haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt?

Koch: In Berlin.

Ricore: Ist eine Pause wichtig für Freundschaften, müssen diese nach einer Unterbrechung erst wieder angekurbelt werden?

Koch: Es ist schwierig. Freundschaften brauchen Zeit. Wenn man zu wenig Zeit hat, ist es tatsächlich wieder ein Ankurbeln. Manchmal auch ein Anstottern. Das ist einer der Gründe, weshalb ich jetzt eine lange Pause brauche. Sonst wird das gefährlich, was Freundschaften angeht. Man muss seine Kontakte pflegen.
erschienen am 17. Februar 2009
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