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Judd Apatow
Judd Apatow: Komiker sind keine Idioten!
Interview: Stand-Up gegen Depression
Innerhalb weniger Jahre schaffte es Comedian und Witzeschreiber Judd Apatow zu einem der angesehensten Regisseure Hollywoods. Seine Geschichte liest sich wie ein Märchen: Angefangen als Tellerwäscher in einem Comedy-Club, interviewte er schon bald Komiker wie Steve Martin und Jerry Seinfeld. Diese Gespräche dienten aber nur einem Zweck! Welchen, das erfahren Sie in unserem Interview, das wir mit dem Regisseur zu "Wie das Leben so spielt" in Berlin geführt haben.
erschienen am 18. 09. 2009
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Wie das Leben so spielt
Ricore: Wie würden Sie Ihre Filme selbst einordnen?

Judd Apatow: Ich weiß es nicht. "Wie das Leben so spielt" ist eine Geschichte über Komiker und zeigt ihren täglichen Kampf um den besten Witz. In dem Sinne ist dies eine andere Art von Film, als ich es bisher gemacht habe. Es geht auch um Probleme und diese sind alles andere als witzig. Auch wie die Figuren versuchen, das Beste aus der Show herauszuholen und immer witzig sein zu müssen, ist eigentlich gar nicht witzig. Natürlich kommt jede Menge Stand-up-Comedy vor. Man sieht also, ich kann beides: Komödie und Drama.

Ricore: Sie sympathisieren nicht immer mit ihren Charakteren...

Apatow: Ja, das war so gewollt. Adam hat mir auch bei der Entstehung seiner Figur nie reingeredet oder gesagt, hör mal, das ist zu nahe an der Realität. Er hat sich komplett und blindlings in meine Hände begeben. Er hat mir vertraut. Das war sehr schön. Natürlich hat er auch mitgewirkt und dazu beigetragen, dass seine Figur so ist, wie sie heute auf der Leinwand zu sehen ist. Er durfte auch improvisieren. Wichtig war aber, dass er sich mit allen Entscheidungen, die ich als Regisseur über seine Figur getroffen habe, wohl gefühlt hat.

Ricore: Hat er seinen Job gut gemacht?

Apatow: Klar. Ich denke, dass viele unterschätzen, welch grandiose Schauspieler Comedians sind. Viele wissen gar nicht, wie schwer es ist, eine Komödie zu drehen oder komische Figuren darzustellen. Was Adam in diesem Film leistet, ist bemerkenswert. Denn es ist schwer, gleichzeitig real, lustig und glaubwürdig zu sein. Natürlich gab es jede Menge Schauspieler vor Adam, die dasselbe gemacht haben, Beispiel: Jerry Lewis, ein fantastischer Schauspieler. Es gibt nämlich nichts Schwereres, als einen Idioten zu spielen. Ich bin stolz auf Adam.
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Judd Apatow und Adam Sandler am Set
Ricore: "Wie das Leben so spielt" hat viele melancholische Untertöne. Sind Sie als Filmemacher reifer geworden?

Apatow: (lacht) Ich weiß es nicht. Ich arbeite viel fürs Fernsehen und behandle dort alle Themen, die ich auch bei meinen Filmen verwende. Als ich "Jungfrau (40), männlich, sucht..." drehte, habe ich versucht, etwas ganz Großes und Lustiges zu machen. Natürlich, wenn der erste Film nicht erfolgreich ist, erhältst du kaum mehr die Chance, einen zweiten Film zu drehen. Bei "Beim ersten Mal" wollte ich die Ehe genauer unter die Lupe nehmen um zu sehen, wie bestimmte Dinge funktionieren. "Wie das Leben so spielt" hatte ich schon länger im Kopf. Man ist ja schließlich täglich mit dem Thema Tod konfrontiert. Ich wollte zeigen, wie sich Menschen verändern können, wenn sie unvermittelt mit einer Todesnachricht konfrontiert werden. Wie sie mit ihrer Umgebung umgehen, Mauern aufbauen und abreißen. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Menschen plötzlich berühmt und verehrt werden, und im Zuge dessen jeglichen Realitätssinn verlieren und einsamer werden. Ähnlich erging es Michael Jackson. In solchen Situationen ist man komplett außer Kontrolle. Es gibt genug Beispiele in der Branche.

Ricore: War dieser Film also eine Art Katharsis für Sie?

Apatow: Klar bringt ein solcher Film vieles mit sich, worüber man nachdenkt. Aber Probleme lösen kann er nicht. Ob er tatsächlich eine Katharsis war, wird sich erst beim nächsten Film zeigen.

Ricore: Erinnern Sie sich an ihren ersten Auftritt als Komiker?

Apatow: Ich wollte schon Komiker werden, da war ich erst zehn Jahre alt. Ich war besessen davon. Zu der Zeit kamen übrgens Steve Martin, Richard Pryor und Monty Python auf. Vielleicht war ich auch ein böses oder zorniges Kind, denn mir gefiel es, wenn die Leute das böse "F"-Wort verwendet haben. Irgendwann habe ich dann einen Job als Tellerwäscher in einem Comedy-Club angenommen, nur damit ich ständig von Komikern umgeben war. Auf der High-School habe ich eine Radioshow erfunden, in der ich Komiker interviewte. Ich habe ungefähr 50 Leute interviewt, unter ihnen Jay Leno, Jerry Seinfeld, John Candy. Nur wenige der Interviews wurde gesendet, aber ich habe sie gefragt, wie macht man einen Film? Wie schreibt man einen Witz? Wie kommt man auf die Bühne? Da war viel nützliches Zeug dabei.
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Judd Apatow mit Hauptakteur Adam Sandler
Ricore: Welcher Tipp hat Ihnen am meisten geholfen?

Apatow: Mir wurde gesagt, dass es lange dauert, bis man wirklich gut in Etwas ist und man darf nie aufhören, zu versuchen, besser zu werden. Das ist im Grunde eine einfache Lektion, aber wenn man 14 Jahre alt ist, und man hört, dass es 17 Jahre dauert, um einen Akt vorzubereiten, dann ist diese Info alles andere als nützlich. Mit der Zeit wird man natürlich geduldiger mit sich selbst.

Ricore: Ist hierfür Stand-Up-Comedy der perfekte Lernboden, da man direktes Feedback vom Publikum bekommt?

Apatow: Nun ja, es ist in der Tat sehr hilfreich, diese direkte Konfrontation zu haben. Alle paar Jahre, wenn ich mich von der Arbeit ausgelaugt fühle, mache ich etwas Stand-Up-Comedy. Durch das Lachen, das Kreischen und das Gejaule der Menge wird etwas in meinem Kopf etwas wachgerüttelt. Dadurch verliere ich nicht den Bezug zu dem, was ich eigentlich mache und liebe, und die Gefahr hierzu ist groß.

Ricore: Sind Sie ein guter Stand-Up-Comedian?

Apatow: Nein, ich denke nicht. Vor allem weil ich stets geglaubt habe, dass meine Sicht der Dinge nicht interessant genug für das Publikum ist. An einen Bill Cosby bin und werde ich nie heranreichen. Aber ich war gut darin, Stand-Up-Comedy zu schreiben.

Ricore: Glauben Sie, "Wie das Leben so spielt", wird sich an den Kinokassen durchsetzen?

Apatow: Ich hoffe, dass zumindest die Produktionskosten eingespielt werden. Klar, wir sind nicht so groß wie "G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra" oder andere Sommerkomödien. Meine Hoffnung ist, dass es ein paar Leute gibt, die sich für ehrliche, reale und selbst inspirierte Komik interessieren und diese werden sich auch unseren Film angucken. Man hört auf, mit anderen Filmen zu konkurrieren, vor allem wenn solch gigantische Produktionen beinahe zeitgleich in die Kinos kommen. Das Kino allein macht auch nicht den Erfolg eines Films aus. Nachher kommen dann DVD-Veröffentlichungen, Downloads, Fernsehauswertungen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 18. September 2009
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Der bekannte aber dennoch vereinsamte Komiker George Simmons (Adam Sandler) erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Ihm bleibt kaum noch Zeit, um die Fehler seiner Vergangenheit zu bereinigen. Trotz seines großen Talents für die Stand-up-Comedy bewies Adam Sandler schon mehrfach, dass er durchaus Talent für ernste Rollen hat. Mit seinem Freund Judd Apatow zeichnet er nun das Portrait eines Mannes, der mit Witzen ein Vermögen verdient, dabei aber auch das Leben verloren hat.
Judd Apatow entdeckt früh seine Liebe zur Komödie. Während seines Drehbuchstudiums in Los Angeles tritt er als Stand-Up-Comedian auf und wohnt mit Adam Sandler in einer Wohngemeinschaft. Er liefert Gags für einige TV-Shows, kann seinen großen Durchbruch jedoch erst 2004 mit "Der Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy" feiern. Seitdem ist Apatow als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor aus Hollywood nicht mehr wegzudenken. Seit 1997 ist er mit der Schauspielerin Leslie Mann verheiratet.
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