Tivoli Film / Elke Werner
Dunja Rajter
Kommunistischer Drill
Interview: Dunja Rajters harte Schule
Ihre ersten Dinare hat sich Dunja Rajter mit dem Singen verdient. Mit sechs Jahren stößt sie zum Kinderchor der Zagreber Oper. Ihr Vater ist dort Musikdirektor und nimmt seine Tochter mit zu den Proben. Hier infiziert sie sich schnell mit der Theaterluft. An der Akademie für Theater und Filmkunst wird Rajter mit kommunistischem Drill ausgebildet - eine gute Schule, findet sie. Im Gespräch mit Filmreporter.de berichtet die Schauspielerin, wie sie auf den Jugoslawischen Staatsführer Tito traf. Anlass des Interviews ist der Fernsehkrimi "Mord in bester Gesellschaft - Das Ende vom Lied".
erschienen am 31. 03. 2011
Tivoli Film / Elke Werner
Dunja Rajter und Max Volkert Martens in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Wie haben Sie ihre Kindheit im Jugoslawien der 1950er Jahre erlebt?

Dunja Rajter: Ich war Pionirka, eine junge Schwimmerin im Schwimmverband. Als solche wurde ich einmal von Tito persönlich empfangen, weil wir zu den besten Schwimmern zählten. Aber die Begegnung war ganz kurz, ein Händedruck, ein Foto mit Tito - das wars. Da war ich etwa sechs Jahre alt. Ich hatte den üblichen Dresscode an - weiße Bluse und roter Schal. Ja, ich habe ihn erlebt. Er hat diesen Vielvölkerstaat zusammengehalten. Man hat sich gefragt, wie es weitergeht, wenn er eines Tages nicht mehr da ist. Was dann passiert ist, war nicht schön. Aber meine Kindheit war sehr schön.

Ricore: Ihr Vater war Musiker?

Rajter: Ja, er war Musikdirektor und Korrepetitor an der Oper. Deshalb konnte ich mit meiner Schwester in "Carmen" oder "La Bohème" im Kinderchor mitsingen. So haben wir uns unsere ersten Dinare verdient. Mit sechs Jahren war das schon toll. Ich habe auch bei den Proben zuhören dürfen, wenn mein Vater mit den Sängern Arien einstudiert hat. Mit der Theaterluft habe ich mich schon als kleines Mädchen infiziert.

Ricore: Wie ging es dann weiter, mit ihrer Musik- und Theaterleidenschaft?

Rajter: In der Schule habe ich dann eine Theater-Gruppe organisiert, mit der wir Aufführungen geplant haben - für den ersten Mai, Titos Geburtstag und andere Feiertage und Veranstaltungen. Für mich war klar, dass ich nach dem Abitur auf die Akademie für Theater und Filmkunst gehen würde. Dort wurde ich Gott sei Dank auch angenommen, denn dort gibt es eine schwere Aufnahmeprüfung. Von 80 bis 100 Kandidaten werden nur fünf oder sechs genommen. Die bekommen ein Stipendium. Wer nicht gut genug ist, kann nach einem Jahr wieder rausfliegen. Ich hatte Glück - ich war gut und fleißig. Die Akademie mit ihrem kommunistischen Drill hat mir viel gegeben. Von morgens bis abends Lernen, Fechten, Schwimmen, alle möglichen Sportarten, dazu Ballett und Gesangsunterricht - wir waren den ganzen Tag beschäftigt. Das hat mich geprägt und mir viel gebracht. Am Abend sind wir ins Theater gegangen und haben uns Vorstellungen angesehen. Am Tag darauf haben wir dann kommentiert, wer gut und wer nicht glaubhaft war. Es war eine gute Schule für mich. Als ich nach Deutschland kam, dachte man: "Das ist ein Wundertalent". Aber nein, ich hatte einfach nur eine gute Ausbildung.

Ricore: Wie kamen Sie nach Deutschland?

Rajter: Das war ein Zufall, ein sehr glücklicher. Nach Deutschland kam ich durch Horst Lippmann und Fritz Rau, zwei Konzertgurus, wie man sie schon fast nennen könnte. Die haben mit allen großen Sängern Konzerte gemacht, von den Rolling Stones bis zu Ella Fitzgerald. Sie sind die ganz Großen im Musikgeschäft. Und sie haben in Jugoslawien Konzerte veranstaltet.
Tivoli Film / Elke Werner
Dunja Rajter in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Echte Rockkonzerte im sozialistischen Jugoslawien?

Rajter: Jugoslawien hat sich ja ein bisschen geöffnet. Tito hat Schluss gemacht mit den Russen, als in Ungarn die Revolution erstickt wurde. Da hat Tito die Grenze zugemacht. Er hat sich mit den Russen geeinigt und eigentlich gut gehandelt. Denn sonst hätten wir Ähnliches erlebt wie Ungarn oder die Tschechoslowakei. Er hat sich dem Westen geöffnet. So konnten Horst Lippmann und Fritz Rau Konzerte in Jugoslawien veranstalten, obwohl es ein sozialistisches Land war.

Ricore: Wie haben die Konzertveranstalter Sie dann entdeckt?

Rajter: Ich habe in Zagreb ein Jazz-Festival fürs Fernsehen moderiert. Dort habe ich die Gruppen angesagt, welche die beiden Manager für das Festival engagiert hatten. An einem dieser Tage lief eine Sendung von mir, eine Jugendsendung über eine Inszenierung der Kämpfe zwischen Venedig und Dubrovnik mit historischen Kostümen. Ich habe da eine Prinzessin gespielt und mit Lautenbegleitung ein Volkslied gesungen. Dieses Volkslied war der Anfang von allem, weil ihnen das so gut gefallen hat. Die Manager haben sich dann mehr von diesen authentischen Liedern angehört. Davon hatten wir ja reichlich, aus Bosnien, Makedonien, Serbien, Dalmatien. Reichhaltige, schöne Sachen. Und da haben sie gesagt: "Wir könnten das in Deutschland für den deutschen und den europäischen Markt produzieren". Ich habe mir gedacht, dass das ein leeres Versprechen sei, dass die Herren weggehen würden und ich nie wieder etwas von ihnen höre. Aber da habe ich mich geirrt. Es sind liebe Freunde geworden. Mit meinem Gitarristen, einem wunderbaren Virtuosen an seinem Instrument, habe ich ein Programm aus verschiedenen Folklore-Liedern zusammengestellt. Das Album wurde dann in Frankfurt produziert, als ich 17 oder 18 Jahre alt war.

Ricore: Was wurde aus Ihrem Studium an der Akademie?

Rajter: Während der Album-Produktion bin ich immer wieder gependelt, um mein Studium an der Akademie abzuschließen. Ende der 1960er Jahre bin ich viel zwischen Jugoslawien und Deutschland hin und her gereist. Irgendwann haben dann meine Eltern gesagt: "Das schaffst du physisch nicht mehr". Und es war ja auch sehr kostspielig. So kam es, dass ich in Deutschland geblieben bin. Diese Entscheidung habe ich nie bereut. Als der Krieg in meiner Heimat ausbrach, habe ich - auch mit deutscher Unterstützung - sehr viel helfen können. Das hätte ich alles nicht machen können, wenn ich in Jugoslawien geblieben wäre.

Ricore: Wie hat diese Hilfe konkret ausgesehen?

Rajter: Wir haben Kinder ausgeflogen, um sie operieren zu lassen. Wir haben Krankenhäuser mit Medikamenten versorgt. Wir haben Vitamine, Decken und Gynäkologische Instrumente geliefert. Das war ja alles zerstört. Vor allem in Orten an der Grenze zu Serbien, da wurden manche Krankenhäuser bombardiert. Wir haben ganze Kinderstationen wieder aufgebaut.
Tivoli Film / Elke Werner
Max Volkert Martens ist in "Mord in bester Gesellschaft" der Schlagerkönig Ronny König - und der Ex von Romana (Dunja Rajter)
Ricore: Wie haben Sie das organisiert?

Rajter: Die 'Deutsche Lebensbrücke' ist eine Organisation mit Sitz in München, die sehr viel Geld in solche Hilfsaktionen investiert. Darüber bin ich sehr glücklich. Denn ich kann alleine ja keine Spenden sammeln, das wurde von denen übernommen. Ich habe das aber mit vielen Kollegen begleitet, die mir geholfen haben, noch ein wenig mehr Presseecho zu bekommen. Aber es war schwer. In den ersten Jahren haben Europa, die NATO und Amerika das alles so ein bisschen geschehen lassen, diese Gräueltaten. Später, nachdem viel Böses passiert ist, haben sie begonnen zu reagieren. Sieben Jahre hat es gedauert, bis sie aufgewacht sind und gesehen haben, dass das hier ein Genozid vor sich geht, die Verfolgung von Menschen, die einen anderen Glauben haben, einer anderen Nation angehören. Das war brutal. Auch für mich, weil ich meinen Landsleuten helfen wollte. Deshalb war ich froh, dass ich eine Organisation wie die 'Deutsche Lebensbrücke' an meiner Seite hatte.

Ricore: Was halten Sie von einem möglichen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft?

Rajter: Ich kenne die Meinung der Bevölkerung. Die wollen das eigentlich nicht. Sie sagen: "Wir müssen dann verseuchtes Fleisch essen und Gemüse, das mit Soja angereichert ist". Die sind noch sehr naturverbunden. Meine Schwester möchte diese verseuchte Ware nicht - und da hat sie nicht ganz Unrecht. Ich habe aber ein bisschen die Sorge, dass die Politik in Kroatien versagt. In vielen Bereichen ist sie nicht gut. Die korrupten Politiker sind eine Blamage für Europa und ich finde, wenn sie ihre Schulaufgaben nicht machen und der Korruption trotzen, haben sie keine großen Aussichten auf Wohlwollen von Seiten der Europäischen Gemeinschaft.

Ricore: Wie kamen Sie als Teenager mit der deutschen Sprache zurecht?

Rajter: In Jugoslawien habe ich ein nicht so perfektes Schuldeutsch gelernt. Ich wollte aber besser deutsch sprechen und habe mich bemüht und fleißig gelernt. Es ging dann immer besser, auch weil ich hier gelebt habe.

Ricore: Wo haben Sie in Deutschland gelebt?

Rajter: Zuerst war ich in Frankfurt, denn dort lebten Horst Lippmann und Fritz Rau und die waren mir sehr behilflich. Damals bekam man als jugoslawische Staatsbürgerin ohne festen Job und festes Einkommen in Deutschland keine Arbeitserlaubnis. Sie haben mich in ihrem Büro als Regieassistentin eingestellt, um die Erlaubnis zu bekommen. In der Zwischenzeit habe ich viele Filme gedreht und Fernsehsendungen gemacht, dass das bald nicht mehr nötig war. Dann wurde das deutsche Verhältnis gegenüber Jugoslawien lockerer und die Ausreise war nicht mehr so kompliziert. Ich konnte leichter hin und her reisen. Ich lebte also zuerst bei Familie Lippmann. Dann habe ich bei den Dreharbeiten zu "Der Beginn" von Peter Lilienthal meinen späteren Ehemann - Kameramann Gérard Vandenberg - kennen gelernt. Wir haben geheiratet und dann ging natürlich alles einfacher. Ich habe dann einen holländischen Pass gehabt, zusätzlich zu meinem jugoslawischen. So gab es diesen bürokratischen Papierkrieg beim Reisen nicht mehr. Wir haben in Berlin gewohnt und später in München. Da habe ich meinen zweiten Ehemann kennen gelernt, mit dem ich dann in Hamburg wohnte. Dort ist auch mein Sohn geboren worden. Nach der Scheidung bin ich zu meiner 'Familie', in mein altes Nest nach Frankfurt zurückgekehrt. Die haben mir auch geholfen, über meine schlechten Erfahrungen dieser zweiten Ehe hinweg zu kommen.
ARD Degeto/Tivoli Film/Elke Werner
Dunja Rajter in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Sind die alten, schlechten Erfahrungen mit Les Humphries durch die dritte Ehe mit Michael Eichler in den Hintergrund getreten?

Rajter: Er ist ein ganz anderer Mensch als meine vorherigen Ehemänner. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zu Les Humphries. Es ist einfach nur gut. Ich werde irgendwie belohnt, für alle diese Schmerzen, die unschönen Dinge, die mir die Ehe mit Les Humphries gebracht hat. Natürlich war mein Sohn das schönste Geschenk, aber die Ehe selbst war nicht so toll.

Ricore: Sehen Sie sich mehr als Sängerin oder als Schauspielerin?

Rajter: Ich wollte immer zweigleisig fahren. Hier in Deutschland war der Gesang das Zugpferd, aber ich wollte ja auch als Schauspielerin arbeiten. Die Volkslieder, die in die deutsche Sprache übersetzt wurden, hatten im Deutschen einen stärkeren Schlagercharakter als im Original. Dadurch wurden sie populärer, als die Folk-Originale. Die wurden nur von einer kleiner Gruppe gehört wurde, die authentische Musik liebt. Das große Publikum habe ich erst mit den übersetzten Liedern erreicht. Aber meine Lieder waren nie Schlager, es war immer authentischen Folklore, die ins Deutsche übersetzt wurde. Bei diesen Liebe-Trieb-Reime habe ich mich nicht so Zuhause gefühlt, wie bei meinen Liedern. Die konnte ich gut interpretieren, weil sie ein Teil meines Folklore-Gutes ist. So gab es bei mir auch nicht solche Erfolgs- und Popularitätsschwankungen. Bei mir waren es immer Liebhaber, die meine Musik gehört und gekauft haben. Aber es machte mir nicht soviel aus, dass ich nicht immer die ersten Plätze in der Hitparade besetzt habe. Ich wollte eigentlich Schauspielerin sein, gute Rollen spielen. Wenn Gesang dabei war, umso besser.

Ricore: Haben Sie solche Rollen gefunden?

Rajter: In den letzten Jahren hatte ich Glück, da ist das in Erfüllung gegangen. Ich spielte im Operhaus in Trier in dem Musical "Anatevka" mal so richtig robust. Ich war die Golde, die immer über ihren Mann schimpft, der nur betet und sonst nichts tut. Ja, das war eine schöne Rolle. Und dann gibt es in dem Stück ja noch wunderschöne Lieder. Das ist der beste Fall, wenn man singen und spielen kann.
HR/Kurt Bethke
Dunja Rajter und Hans-Joachim Kulenkampff in "Legenden"
Ricore: Wo ist heute Ihre Heimat?

Rajter: Überall. Das heißt, zuerst kommen Kroatien und Deutschland. Wenn ich im Ausland bin und davon spreche, dass ich nach Hause fahre, meine ich Deutschland. Aber wenn es um Emotionen und um Träume geht, dann ist Kroatien schon in mir drin. Das kann man nicht aus mir heraus reißen, auch wenn ich nun schon so lange hier in Deutschland lebe. Und ich fühle mich wirklich sehr wohl hier. Das Leben hier ist disziplinierter und organisierter, so etwas ist in südländischen Gebieten nicht immer zu finden. Da heißt es immer "Morgen", da wird etwas versprochen und dann nicht gemacht. Und dann diese Bürokratie...! Hier ist alles geordnet und das macht das Leben einfacher. Ich habe hier viele Freunde und noch nie einen bösen Deutschen kennen gelernt, keinen im braunen Kleid. Ich kenne eigentlich nur gute Deutsche.

Ricore: Mit welcher Musik kann man Menschen am besten berühren?

Rajter: Mit ehrlicher Musik. Das kann Oper sein, Pop, Schlager oder Volksmusik. Sie muss ehrlich und authentisch sein. Das merkt man ihr an. Unsere Lena [Lena Meyer-Landrut, deutsche Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2010], die war ehrlich. Das Lied war nett, aber sie war so ehrlich, so authentisch. Die konnte nur gewinnen. Und ich glaube, das war der Vorteil, den sie gegenüber anderen hatte. Letztes Jahr war sie wie eine ehrliche Blume, zwischen all den versierten Sängern. Diese Ehrlichkeit wird belohnt. Wenn man ehrlich ist, erreicht man die Seele.

Ricore: Wieviel Ehrlichkeit kann es in der Musikbranche bei dem ganzen Konkurrenzdruck geben?

Rajter: Nicht viel, der Druck nimmt viel Ehrlichkeit heraus. Das sieht man bei diesen Starcastings. Da gewinnt in jedem Jahr einer und dann ist er wieder vergessen. Da sind wundervolle Stimmen und Talente dabei. Aber den Karrieresprung schaffen nur wenige.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 31. März 2011
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Dunja Rajter wird 1946 in Našice, im ehemaligen Jugoslawien geboren. Ihren Vater ist Musikdirektor an der Oper von Zagreb. Durch ihn kommt die kleine Dunja mit Musik und Theater in Berührung. Schon als sechsjährige singt sie im Opernchor. Nach der Schule wird Rajter an der Akademie für Theater und Filmkunst angenommen. Während ihres Studiums wird sie von den deutschen Konzertagenten Horst Lippmann und Fritz Rau entdeckt. Die Sängerin, Moderatorin und Schauspielerin kommt nach Deutschland,..
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