Movienet Film
Meret Becker
"Ich möchte als Schriftstellerin enden"
Interview: Meret Beckers Träume
Schon früh entscheidet sich Meret Becker dafür, Schauspielerin zu werden. Gegen den Rat von Ziehvater Otto Sander verlässt sie 17-jährig die Schule, um ihren Traum zu realisieren. Dabei zeigt sie wenig Berührungsängste, als vielmehr eine gesunde Respektlosigkeit. Ihr Selbstbewusstsein wird durch die Tatsache genährt, dass sie Spross einer Künstlerfamilie ist. Anlässlich der Vorstellung von "Fliegende Fische müssen ins Meer" hat sich Filmreporter.de mit der charismatischen Schauspielerin unterhalten und einiges über künstlerische Ziele und persönliche Träume erfahren.
erschienen am 26. 08. 2011
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Meret Becker als exzentrische Mutter in "Fliegende Fische müssen ins Meer
Ricore: Roberta Meiringer aus "Fliegende Fische müssen ins Meer" ist ein sehr facettenreicher Charakter. Eine dankbare Rolle für eine Schauspielerin, oder?

Meret Becker: Ja. Ich fand vor allem schön, in meinen alten Tagen nochmal so eine kleine, sexy Braut zu spielen (lacht). Und dann fand ich es einfach toll, die Mutter dreier Kinder darzustellen.

Ricore: Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit den jungen Darstellern?

Becker: Sie waren alle auf einem erschreckend hohen Niveau. Der Kleine [Joseph Sunkler in der Rolle des Toto Meiringer, Anm. der Redaktion] hat einfach agiert, wie es typisch ist für Kinder. Man hat ihm gesagt, was er zu machen hat, und das hat er dann auch gemacht. Dabei war er so süß und selbstvergessen. Ganz toll. Die Alia war ganz korrekt. Sie hat jeden Text immer auf den Punkt gesprochen. Sie wollte immer ganz genau wissen, was zu tun ist und dann hat sie es umgesetzt. Schon sehr professionell... Elisa Schlott hat noch am meisten mit sich gerungen. Wie das oft bei Mädchen in Ihrem Alter ist, litt sie manchmal an Selbstzweifeln. Es war interessant, das zu beobachten. Jungs sind da viel freier und mutiger. Mädchen haben immer Angst, einen Fehler zu machen. Letztlich hat Elisa ihren Job super gemacht, keine Frage.

Ricore: Selbstzweifel können bei kreativen Tätigkeiten auch von Vorteil sein.

Becker: Ja, auf jeden Fall. Selbstzweifel sind gut, wenn sie kreativ bleiben. Wenn sie einen einschränken, dann sind sie schädigend für die Kreativität. Ich habe auch manchmal Selbstzweifel und muss oft üben, die Angst vor Fehlern zu überwinden. Ich finde aber, dass man Fehler machen darf.
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Fliegende Fische müssen ins Meer
Ricore: Roberta passt von ihrem Charakter in das Rollenbild, das Sie öfter verkörpern. Sie ist eine gesellschaftliche Außenseiterin mit einem eigenen Kopf. Ist das die Linie, der Sie mit Ihrer Rollenauswahl folgen?

Becker: Ich spiele gerne graue Mäuse. Bestimmte Rollen kann ich aufgrund meiner körperlichen Beschaffenheit nicht spielen. Ich könnte zum Beispiel keine glatte Schönheit verkörpern. Meine Rollen strahlen häufig etwas Schrilles aus. Ich zweifle die Dinge an, stelle sie in Frage. Das ist für mich als Schauspielerin vielleicht bezeichnend, das merkt man den Rollen an. Die Rolle der Roberta habe ich genauso angezweifelt, wie Rollen, die mit dem Strom schwimmen. Durch das Anzweifeln kriegen die Figuren etwas Unberechenbares.

Ricore: Das heißt, in den Rollen, die Sie verkörpern, steckt auch viel von Meret Becker drin.

Becker: Diese Eigenschaft, von der ich eben sprach, scheint auf jeden Fall immer durch. Selbst wenn ich mich immer an den Text und die Situation halte, hat die Rolle noch immer etwas Widerspenstiges an sich.

Ricore: Sie gehören zu einer Künstlerfamilie. Um auch Künstlerin zu werden, haben Sie mit 17 Jahren gegen den Widerstand ihres Ziehvaters Otto Sander die Schule verlassen. Haben Sie den Beruf der Schauspielerei damals als schicksalhaft empfunden?

Becker: Nein, das war für mich einfach ein Traum, den ich unbedingt verwirklichen wollte. Dabei bin ich ganz naiv an diesen Beruf rangegangen. Dass ich so naiv und hemmungslos vorging, liegt bestimmt daran, dass ich aus einer Künstlerfamilie komme. Ich hatte keine Berührungsängste, war ganz sicher in dem, was ich wollte. Während andere Schauspielanwärter in Angstschweiß ausbrachen, bin ich mit einer gesunden Respektlosigkeit herangegangen. Gleichzeitig war ich aber der festen Überzeugung, etwas ganz anderes zu machen als meine Eltern, die Theaterschauspieler sind.
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Elisa Schlott und Meret Becker in "Fliegende Fische müssen ins Meer"
Ricore: Auch Ihr Bruder Ben macht neben der Schauspielerei Musik. Warum zieht es so viele Schauspieler zur Musik?

Becker: Genau kann ich es nicht sagen, weil ich mich nicht als klassische Schauspielerin betrachte. Ich bin nie auf einer Schauspielschule gewesen, sondern habe einfach damit angefangen. Genauso bin ich in der Musik gelandet. Ich fing mit Varieté an und bin von hier aus zur Musik gelangt. Musik fasst einen unmittelbar an. Selbst Menschen, die keinen Selbstdarstellungsdrang haben, fangen bei Musik an zu tanzen. Es gibt nichts, das einen unmittelbarer berührt als Musik. Sie übt eine große Faszination aus. Und wenn man so hochsensibel und emotional ist wie es Schauspieler sind, dann ist die Musik ein willkommenes 'Hurra'. In der Musik können die Schauspieler alle Emotionen reinpacken, die sie haben. Abgesehen davon können Schauspieler einfach sehr oft gut singen. Die lernen ja schon in der Schauspielschule, mit ihrer Stimme umzugehen.

Ricore: Gab es in Ihrem Leben je eine Alternative zum Schauspielberuf. Ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht im Zirkus gelandet wären...

Becker: Ja, das ist sehr naheliegend. Im Zirkus war ich ja auch schon mal tätig. Malerin hätte ich schön gefunden. Außerdem schreibe ich sehr gerne und würde vielleicht irgendwann als Schriftstellerin enden wollen. Als Kind dachte ich daran, als Bäuerin auf dem Land zu leben. Diese Wurzeln habe ich väterlicherseits. Das ist aber etwas, das ich wohl niemals verwirklichen werde. Ich kann zwar auf dem Land leben, aber ich könnte keine Tiere halten. Ich habe zwei Kaninchen und das reicht mir.

Ricore: Sie wollten 2009 einen Wanderzirkus gründen. Was ist daraus geworden?

Becker: Ich schreibe tatsächlich seit längerem an einem Zirkusprogramm. Das Konzept verändert sich ständig und ich weiß nicht, ob ich das jemals fertigkriegen werde. Das ist kein Wanderzirkus im eigentlichen Sinne. Es ist vielmehr die Idee eines Zirkus, der ich damit nachgehe. Der kindliche Traum eines Zirkus ist etwas, das mich sehr fasziniert. Diese Mischung aus total verklärt und schön, dabei gleichzeitig schmuddelig und grob, fast brutal. Das finde ich spannender als das Herstellen eines weiteren klassischen Zirkus, den es schon überall gibt. Ich will mit Artisten arbeiten in einem Zirkus, den ich in meinem Kopf habe.
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Regisseurin Güzin Kar mit Meret Becker auf dem Set von "Fliegende Fische müssen ins Meer"
Ricore: Ist das realisierbar oder könnte es Schwierigkeiten bei der Umsetzung geben?

Becker: Das müsste realisierbar sein. Das Wichtigste ist, alles eins zu eins aufzuschreiben. Das ist gar nicht so einfach.

Ricore: Sie tauchen als Privatmensch in der Öffentlichkeit kaum auf. Es gibt keine Skandale um ihre Person. Spricht daraus eine Art Bescheidenheit und Konzentration auf das Wesentliche?

Becker: Das Berufliche hat ja eh viel mit der Privatheit zu tun. Ich kann es nachvollziehen, dass man die private Seite an einem Schauspieler spannend findet. Das geht mir mit Prominenten genauso. Aber ich finde es schöner, den Menschen über die Arbeit kennenzulernen. Die Arbeit steht für mich. Ich mache bestimmte Sachen, weil sie mich bewegen. Isabella Rossellini hat diesbezüglich etwas sehr Schönes gesagt. Bevor sie Schauspielerin wurde, hat sie als Journalistin gearbeitet. Sie sagte, dass sie niemals jemandem private Fragen stellen würde, weil der Mensch durch seine Arbeit sichtbar wird. Das ist auch meine Meinung.

Ricore: Roberta aus "Fliegende Fische müssen ins Meer" hat einen großen Traum. Sie will den perfekten Mann kennenlernen, endlich sesshaft werden und sich um ihre Kinder kümmern. Was ist Ihr großer Traum?

Becker: Mein großer Traum ist, alle um mich herum glücklich zu machen. Mich eingenommen (lacht). Dazu gehört, dass ich die Sachen, die ich gerne noch machen will, auch verwirkliche. Dabei sollte kein Mensch auf der Strecke bleiben. Das ist eine schwierige Aufgabe, an der viele scheitern, weil das ein hohes Ziel ist.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. August 2011
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