Warner Bros
Peter Sarsgaard auf der Premiere von "Green Lantern 3D" in Berlin
Kein Platz für die Kunst?
Interview: Peter Sarsgaard mag es komplex
Peter Sarsgaard verkörpert immer wieder schwierige Charaktere, die bei genauerem Hinsehen tiefe Abgründe offenbaren. Einen Bösewicht spielt er auch in der aktuellen Comic-Verfilmung "Green Lantern 3D" - eine zutiefst gequälte Seele. Im Gespräch mit Filmreporter.de erklärt uns der Schauspieler, warum er vor allem an moralischen Grauzonen interessiert ist. Auf das Kunstverständnis in Hollywood angesprochen, ist sich Sarsgaard sicher: In der Traumfabrik haben geldgierige Konzerne das Sagen.
erschienen am 28. 07. 2011
Warner Bros
Green Lantern 3D
Ricore: Wie war es für Sie, einen klassischen Bösewicht zu verkörpern?

Peter Sarsgaard: Es hat Spaß gemacht. Ich stand nicht besonders unter Druck, als ich diese Rolle gespielt habe. Das führte dazu, dass ich an diesen Charakter ganz anders herangehen konnte, als an andere Figuren. Ich wollte die verschiedenen Charaktereigenschaften von Hector Hammond ausloten. Gleichzeitig wollte ich zwischen ihm und dem Zuschauer eine Verbindung herstellen. Hector ist psychologisch sicher nicht der realistischste Charakter, den ich gespielt habe. Dafür sah ich mich in dieser Rolle mehr als sonst in der Funktion eines Unterhalters.

Ricore: Warum haben Comics vor allem in der US-Kultur eine so große Wirkung?

Sarsgaard: Weil wir Amerikaner gerne glauben, dass eine einzige Person alle unsere Probleme lösen kann. Außerdem spielt der Hang des Menschen zum Eskapismus eine große Rolle. Wenn der Mensch sich die Miete für die Wohnung nicht leisten kann, dann besorgt er sich wenigstens eine Kinokarte, um in einem kühlen, dunklen Raum in eine heile Welt zu versinken.

Ricore: Ist Hollywood mehr auf eskapistische Unterhaltung aus und weniger auf Kunst?

Sarsgaard: Ich glaube nicht, dass Hollywood sich für Kunst interessiert. Damit möchte ich aber nicht unbedingt etwas Negatives gegen die Industrie sagen. Spektakel haben hier eine lange Tradition. Einige davon sind wirklich großartig. Erich von Stroheims "Gier" ist zum Beispiel eines dieser hervorragenden Spektakel. Ich wünschte nur, die spektakulären Filme Hollywoods wären etwas ausgewogener.
Warner Bros. Ent. Inc. TM & DC Comics
Peter Sarsgaard als Bösewicht in "Green Lantern"
Ricore: In welcher Rolle sieht man Sie demnächst?

Sarsgaard: Mein nächster Film ist eine sehr kleine Produktion, die von Kelly Reichardt inszeniert wird. Ich spiele darin einen radikalen Umweltaktivisten, der einen Damm in die Luft sprengen will. Die Charaktere in diesem Film sind so komplex angelegt, wie man sie im Hollywood-Mainstream selten zu sehen bekommt. Hollywood kreiert keine vielschichtigen Figuren, man muss diese Tatsache einfach hinnehmen. Hollywood wird von Konzernen geleitet, die sich für nichts anderes interessieren als für Geld. Das meine ich nicht zynisch. Es ist einfach eine Tatsache. Der mächtigste Mann in Hollywood ist der, der am meisten Geld hat.

Ricore: Empfinden Sie das als frustrierend?

Sarsgaard: Nein, gar nicht, weil ich sowohl Mainstream-Filme, als auch künstlerisch-ambitionierte Projekte mache. Außerdem spiele ich nebenbei viel Theater. Wenn ich bei einem Film wie "Green Lantern 3D" mitmache, gebe ich dennoch alles. Das Schöne an der Rolle eines Bösewichts ist, dass mir niemand vorschreibt, wie ich sie spielen soll, der Film soll einfach so viel Geld wie möglich einspielen. Bei einem Helden ist das anders. Wenn man diesen eine Zigarette rauchen lässt, gibt es immer jemanden, der kommerzielle Bedenken hat. Sicher gibt es in Hollywood eine Reihe von Schauspielern, die es immer wieder schaffen, komplexe Figuren zu kreieren. Davon gibt es aber nur wenige. Einer davon ist Sean Penn. Er ist ein Charakterdarsteller, der aus einer anderen Ära zu sein scheint.

Ricore: Sie haben vor "Green Lantern" in einigen Stücken von Anton Tschechow mitgewirkt. War die Rolle in dem Film eine bewusste Entscheidung für etwas komplett anderes?

Sarsgaard: Ich habe tatsächlich vor "Green Lantern" in zwei Tschechow-Stücken mitgewirkt und danach in einem weiteren Stück. Insofern bin ich gewissermaßen wieder zu Tschechow zurückgekehrt. Man kann über Tschechow unterschiedlicher Meinung sein. Was mich an ihm reizt, ist nicht die Sprache, sondern das Szenische und Situative in seinen Stücken. Bei Tschechow wird nie etwas direkt gesagt, die Dialoge kreisen immer um einen bestimmten Kern. So etwas schauspielerisch umzusetzen finde ich sehr interessant. Im Film kommt es oft vor, dass die Charaktere immer genau sagen, was in ihnen vorgeht. Bei Tschechow wird die Intuition des Zuschauers gefordert. Hinzu kommen weitere irritierende Momente.
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Peter Sarsgaard auf der Premiere von "Green Lantern 3D" in Berlin
Ricore: Was für Momente sind das?

Sarsgaard: Weil die Tschechow-Aufführungen auf einer Rundbühne stattfinden, haben die Schauspieler zwangsweise einigen Zuschauern den Rücken zugekehrt. Das hat zur Folge, dass diese nicht immer hören, was auf der Bühne gesagt wird. In einem Film, vor allem in einer großen Hollywood-Produktion, ist so etwas undenkbar. Hier muss der Zuschauer jeden einzelnen Moment der Handlung hören und verstehen. Deutlichkeit ist in einem Film enorm wichtig, Intellektualität wird vom Zuschauer kaum verlangt.

Ricore: Sehen Sie Ihren Charakter in "Green Lantern" als Opfer oder Bösewicht?

Sarsgaard: Meiner Meinung nach ist er ein Bösewicht. Es gibt immer eine Ursache für die Handlungsweise eines Menschen. Das macht ihn aber nicht weniger schuldig. Wenn ein Mann von seinem Vater geprügelt und gefoltert wurde, gibt ihm das nicht das Recht, Menschen umzubringen. In "Green Lantern" suche ich nicht nach Entschuldigungen für das Verhalten meines Charakters. Dennoch machten wir uns auf die Suche nach seiner Vorgeschichte, um seine Handlungen zu erklären.

Ricore: Müssen Sie die Figuren verstehen, damit Sie sie spielen können?

Sarsgaard: Ja, ich muss die Handlung eines Charakters nachvollziehen können. Ich suche nach den Vorkommnissen, die den Charakter zu einem bestimmten Punkt geführt haben.

Ricore: Sie sagten in einem Interview, dass Sie vor allem an verlorenen Seelen interessiert sind. Wie meinten Sie das?

Sarsgaard: Ich interessiere mich für die moralische Grauzone, in der sich manche Menschen bewegen. Vollkommene Charaktere reizen mich überhaupt nicht. Ich bin Katholik und glaube nicht einmal, dass der Papst makellos ist. Das geht wohl auch den meisten Katholiken so. Darin sind sich viele Religionen einig, dass es mit Ausnahme von Gott keine Vollkommenheit auf der Welt gibt. Als Menschen sind wir voller Makel und Fehler.
UIP
Peter Sarsgaard mit Maggie Gyllenhaal
Ricore: Inwiefern hat die Religion Auswirkungen auf Ihre Arbeit und Ihr Leben?

Sarsgaard: Ich ging auf eine katholische Jungenschule. Meine Eltern sind sehr religiös. Meine Frau ist Jüdin. Ich sehe mich eher als Intellektueller, dessen Interessen breitgefächert sind. Bei "An Education" gab es einige Menschen, die behaupteten, dass ich meinen jüdischen Charakter als Bösewicht angelegt hätte. Das regte mich damals sehr auf. Meiner Meinung nach war die Figur kein böser Mensch. Er war nur jemand, der etwas falsch gemacht hat. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass sich einige Menschen darüber aufgeregt haben. Ich habe auch schon Katholiken verkörpert, die nicht fehlerlos waren. Auf der Skala dessen, was die Figur in "An Education" alles hätte falsch machen können, liegt sie noch in der Mitte. [lacht]

Ricore: Denken Sie über den moralischen Aspekt einer Rolle und über die Reaktion des Zuschauers nach, bevor Sie sich für eine Rolle entscheiden?

Sarsgaard: Nein, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich habe einen jüdischen Arzt und ich fragte ihn nach seiner Meinung über meinen Charakter in "An Education". Er meinte, er habe sich überhaupt nicht darüber aufgeregt. Er sagte aber auch, dass andere durchaus Anstoß daran nehmen könnten. Ich konnte das absolut nicht verstehen. Ich mochte den Kerl in "An Education" ebenso wie ich meine anderen Figuren mag. Ich stellte in dem Film keinen Juden dar, sondern lediglich jemanden, der jüdisch ist.

Ricore: Inwiefern beeinflusst Ihre Theatertätigkeit die Arbeit am Film?

Sarsgaard: In Bezug auf die Schauspielerei gibt es keine sehr großen Unterschiede zwischen Film und Theater. Die Ausnahme ist vielleicht, dass ich mich auf der Bühne viel mehr als Geschichtenerzähler fühle. Die Theaterarbeit prägt meine Filmrollen allenfalls dann, wenn ich beim Film das Gefühl habe, dass es keinen Kapitän gibt, der das Schiff lenkt. In diesem Fall nehme ich immer die Position eines Erzählers ein. Dann denke ich, dass wir dies und jenes in einer Szene brauchen, damit sie funktioniert. Vor meiner Schauspielkarriere war ich Autor, daher hatte ich schon immer großes Interesse für das Erzählen von Geschichten. Wenn ich aber an einen Regisseur glaube, dann kann ich mich auch zurückhalten. Bei Lone Scherfig wusste ich zum Beispiel, dass sie eine sehr detailorientiere Filmemacherin ist und dass sie mich durch die jeweiligen Szenen leiten würde.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. Juli 2011
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Mit "Green Lantern 3D" bringt Martin Campbell die Verfilmung eines Ryan Reynolds), der dank eines außerirdischen Ringes übermenschliche Fähigkeiten erhält und zum Mitglied des intergalaktischen Green Lantern Corps wird. Als es die Gruppe mit einem neuen mächtigen Gegner zu tun bekommt, muss sich Jordan als Superheld bewähren. Erschaffen wurde die Titel gebende Comic-Figur bereits 1940 von Bill Finger und Martin Nodell. Neben Batman, Superman und Wonder Woman ist sie eine der beliebtesten..
2024