Paramount Pictures
Andy Serkis
"Performance Capture ist nur ein Mittel"
Interview: Andy Serkis auf den Affen gekommen
Seit Andy Serkis in Peter Jacksons "Herr der Ringe" dem Charakter Gollum Leben einhauchte, gilt er in Hollywood als Spezialist für Performance Capture. Viele CGI-Blockbuster setzen auf die Erfahrung des britischen Schauspielers, der mit seiner nuancierten Gestik und Mimik computeranimierten Wesen Authentizität verleiht. Kurz bevor Serkis erneut nach Mittelerde aufbricht, um gemeinsam mit Jackson an der Verfilmung von "Der Hobbit - eine unerwartete Reise" zu arbeiten, sind die Künste des 47-Jährigen im Prequel des "Planet der Affen"-Franchises zu sehen. Neben James Franco und Freida Pinto spielt Serkis Affe Caesar, der eine Revolution gegen die Menschheit anzettelt. Im New Yorker Hotel Ritz Carlton sprachen wir mit dem Schauspieler über den aktuellen Status Quo der Technik, die Kraft menschlicher Mimik und wieso er bei "Der Hobbit" Regie führen darf.
erschienen am 22. 08. 2011
20th Century Fox
Planet der Affen: Prevolution
Ricore: Mr. Serkis, in Hollywood bezeichnet man Sie gerne als König des Performance Capture-Verfahrens. Wie stolz macht es Sie, dass kein großer CGI-Blockbuster mehr ohne Ihre Fähigkeiten auszukommen scheint?

Andy Serkis: Ich würde mich niemals selbst so beschreiben. Ich bin in meinen Augen einfach nur ein Schauspieler, der seine Rolle spielt. Denn die Technik, auf die Sie anspielen, macht ja im Endeffekt etwas ganz simples: sie zeichnet das auf, was wir Schauspieler tun, um es danach so zu nutzen, dass ein computeranimiertes Wesen möglichst authentisch zum Leben erweckt wird. Die emotionale Stärke, die eine gute Performance benötigt, ist also genau die Gleiche, die andere Schauspieler für ganz normale Rollen an den Tag legen müssen.

Ricore: Zum ersten Mal sorgten Sie mit dieser Technik als Gollum in Peter Jacksons "Herr der Ringe" für Furore. Wie hat sich Ihr Umgang mit der Technik seit damals verändert?

Serkis: Alles ist sehr viel einfacher geworden. Was damals noch separiert von den anderen Schauspielern in einem Studio aufgezeichnet werden musste, kann heute in direkter Interaktion mit den anderen Darstellern gefilmt werden. Dies ermöglicht natürlich eine sehr viel authentischere Herangehensweise als eine Aufnahme vor einem Green Screen im Studio.

Ricore: Wie ist diese direkte Interaktion möglich?

Serkis: Ich trage einen Ganzkörperanzug, der nicht nur jede Bewegung von mir aufzeichnet, sondern auch die Gesichtsausdrücke und Blickrichtungen. Im Endeffekt laufen beim Dreh zwei verschiedene Arten von Kameras: die einen filmen die Schauspieler, die anderen mich. Wenn der Regisseur sich dann nach Drehende an den Rohschnitt macht, arbeitet er zunächst einmal mit meiner Performance als Ausgangsbasis. Erst, wenn der Film emotional funktioniert, wird aus mir acht bis neun Monate später Stück für Stück mittels Computeranimation Affe Caesar, den das Publikum am Ende auf der Leinwand sieht.
20th Century Fox
In "Planet der Affen: Prevolution" kommt es zum Aufstand
Ricore: Die Alternative wäre wohl, ganz klassisch ein Kostüm zu tragen. Bei den alten "Planet der Affen"-Filmen war dies ja noch der Fall...

Serkis: Was dabei rauskommt, können Sie ja an all den Filmen sehen, in denen Superhelden über die Leinwand hüpfen. Deren Performance verschwindet so hinter ihrem Kostüm und ihrem Make-Up, dass ihnen oftmals nur die Augen bleiben, um ihre Gefühle zu vermitteln. Dabei ist das menschliche Gesicht doch so ausdrucksstark! Die Performance Capture-Technik hilft, jede kleinste Muskelbewegung auch wirklich einzufangen.

Ricore: In der Tat beeindruckt Rupert Wyatts Prequel zu "Planet der Affen" auch durch Ihre Rolle: Mimik und Gestik von Schimpanse Caesar zeugen von großer Authentizität.

Serkis: Es war die aufreibendste Rolle, die ich seit "Herr der Ringe" gespielt habe. Gollum war ebenfalls eine sehr komplexe Persönlichkeit: er war abhängig von der Macht des Ringes und ich musste diese psychologische Abhängigkeit verstehen lernen, um ihn richtig zu spielen. Aber damals hatte ich den großen Vorteil, dass Gollum quasi permanent sprach. Mehr noch: er hörte gar nicht mehr auf zu reden. Die Zuschauer verstanden seine Motivation also alleine durch die Art und Weise, wie er mit sich selbst und mit anderen kommunizierte. Bei Caesar musste die Rolle dagegen stumm funktionieren. Alles, was er denkt und fühlt, musste sich über die Mimik und Gestik transportieren.

Ricore: Ein ähnlicher Spagat musste Ihnen allerdings auch bei "King Kong" gelingen, wo Sie ja ebenfalls einen stummen Affen spielten.

Serkis: Aber diese Rolle war sehr viel simpler strukturiert: er war zu 100 Prozent Gorilla, sehr isoliert, einsam, der Letzte seiner Art. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er jene berühmte Bekanntschaft mit der Dame macht, hat er nie eine Form von emotionaler Bindung verspürt. Das ist eine großartige Rolle, die allerdings relativ simpel zu spielen ist, wenn man das Verhalten von Affen im Vorfeld gut genug studiert. Bei "Planet der Affen" war die Rolle komplexer angelegt.

Ricore: Inwiefern?

Serkis: Caesar wird von einem Menschen aufgezogen und ist aufgrund eines Tests, dem er in frühester Jugend unterzogen wurde, ein wahres Wunderkind. Obwohl er hochintelligent ist, kann er seine Sonderstellung natürlich nicht wirklich zuordnen. In vieler Hinsicht hat er die beste Ausgangssituation für sein Leben, bis er feststellen muss, dass er eigentlich ein Freak ist. Dieser Wendepunkt tritt ein, als er seiner Familie entzogen wird und auf andere Affen trifft, mit denen er nicht kommunizieren kann. Mehr noch: er trifft auf Gewalt und Brutalität, die er in dieser Form noch nie erlebt hat und mit der er natürlich nicht umgehen kann. Da es für ihn kein Zurück mehr gibt, muss er lernen, sich mit diesen neuen Umständen zurechtzufinden. Es ist eine unglaubliche Reise, die nonverbal, einzig mit seiner subtilen Mimik erzählt werden musste.
20th Century Fox
Dank moderner Technik wird Andy Serkis in "Planet der Affen: Prevolution" zum Affen
Ricore: Wie haben Sie sich auf diese Reise vorbereitet?

Serkis: Ich habe über viele Jahre das Verhalten von Primaten studiert. Bereits für "King Kong" bin ich nach Ruanda geflogen, um Berg-Gorillas in freier Wildnis zu beobachten. Auf meinen Reisen mit dem Dian Fossey Gorrilla Fund bin ich schließlich auf einen Schimpansen gestoßen, mit dem ich stundenlang spielen konnte. Dabei habe ich wichtige Erfahrungen gesammelt. Die Rolle von Caesar habe ich in erster Linie auf dem Verhalten eines Schimpansen mit dem Namen Oliver aufgebaut, der in den 1970er Jahren ein hohes Maß an medialer Prominenz erreichte. Er benahm sich wie ein Mensch. Er wurde daraufhin zahlreichen Tests unterzogen und dann - als sie mit ihm fertig waren - in einen Käfig gesteckt und regelrecht vergessen. Er ging an den Experimenten zugrunde. Ich kenne einige solcher Geschichten, die über die Jahre dazu geführt haben, dass ich mich aktiv gegen Tierexperimente und für den Schutz von Primaten einsetze.

Ricore: Für "Der Hobbit - eine unerwartete Reise" schlüpfen Sie derzeit wieder unter der Leitung von Peter Jackson in Ihre legendäre Rolle als Gollum. Stimmt es, dass Sie darüber hinaus auch als Second Unit-Regisseur zahlreiche der Szenen filmen werden?

Serkis: Das ist korrekt. Peter wusste, dass ich seit vielen Jahren vorhabe, Regie zu führen. Mit Performance Capture-Projekten, Videospielen, Kurzfilmen und Theaterstücken habe ich in dieser Hinsicht bereits einige Erfahrung gesammelt. Für "Der Hobbit" gab mir Jackson schließlich die Chance.

Ricore: Für welche Szenen sind Sie bei "Der Hobbit" zuständig?

Serkis: Für alles Mögliche: ich drehe mit einem zweiten Filmteam einige Kampfsequenzen, aber auch viele der dramatischen Szenen. Ich freue mich sehr darauf.

Ricore: Obwohl Sie in einigen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten mitgespielt haben, ist Ihr Gesicht vergleichsweise unbekannt. Stört Sie diese Tatsache?

Serkis: Es fühlt sich genau richtig an. Es gibt eine gesunde Zahl an Leuten, die auf mich zukommen und mir gratulieren. Aber es ist eben nicht so, dass ich - wie etwa James Franco - regelrecht gejagt werde, wenn ich die Straße entlang gehe. Dies war und wird nie meine Intention sein.
erschienen am 22. August 2011
Zum Thema
"Planet der Affen: Prevolution" rückt die Vorgeschichte zu der bekannten Science-Fiction-Reihe der 1970er Jahre in unsere direkte Gegenwart. Wissenschaftler (James Franco und John Lithgow) führen Experimente an Primaten mit nicht einkalkulierten Nebenwirkungen durch. Die Affen - allen voran Caesar (Andy Serkis) - entwickeln eine außergewöhnliche Intelligenz. Regisseur Rupert Wyatt hält sich inhaltlich eng an den gleichnamigen Roman, um die Fans der in den 1970er Jahren entstandenen Reihe nicht..
"Mein Schatz…" Diese Worte dürfte Andy Serkis nach der "Herr der Ringe"-Trilogie öfters gehört haben. In den Zuschauerköpfen sind sie untrennbar mit seiner Rolle als besessener Gollum/Smeagol verknüpft. Seitdem arbeitet der Darsteller immer wieder mit der Motion Capture Methode, durch die er seiner computeranimierten Figur nicht nur eine Stimme, sondern auch einen Körper gibt. In "King Kong" liefert er im Jahre 2005 das Modell für die Bewegungsabläufe des tierischen Titelcharakters...
2024