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Sophie von Kessel in "In den besten Familien"
Keinen Ferndrang mehr
Interview: Sophie von Kessel schlägt Wurzeln
2008 verkörperte Sophie von Kessel in "Das Beste kommt erst" erstmals die Lieblingstochter von Karl Mailinger, dargestellt von Friedrich von Thun. Jetzt ist sie für die Fortsetzung "In den besten Familien" erneut in die Rolle der hölzernen aber dennoch liebenswerten Anna geschlüpft. Weshalb sie den zweiten Teil als gewöhnungsbedürftig empfindet und warum sie seit ihrer Jugend nicht mehr reisen will, erzählt sie Filmreporter.de im Interview.
erschienen am 3. 12. 2012
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Sophie von Kessel und Friedrich von Thun als Vater und Tochter in "In den besten Familien"
Ricore: Wie vertraut war das Team Ihnen?

Sophie von Kessel: Sehr vertraut. Wir sind wie eine Familie. Das ist der Vorteil von Fortsetzungen. Es gibt diese klassischen ersten Drehtage nicht, wo man fremdelt. Wir waren von Anfang an ein eingespieltes Team, das war sehr angenehm.

Ricore: Wie haben Sie die Arbeit mit Filmvater Friedrich von Thun empfunden? Ist Ihnen das Vater-Tochter-Verhältnis leicht gefallen?

von Kessel: Ja. Ich finde, Friedrich ist ein sehr komischer Schauspieler und das schätze ich sehr. Selbst wenn er ernsthaft spielt, hat er den Schalk im Nacken. Das finde ich ganz toll.

Ricore: Ihr Charakter Anna macht eine starke Entwicklung durch. Am Anfang ist sie recht kühl, wird dann aber zunehmend offener. Wie haben Sie diese Entwicklung erlebt?

von Kessel: Das Leben ist nie stringent. Man geht mal einen Schritt vor und dann wieder zwei Schritte zurück. Ich habe versucht, meine Rolle relativ menschlich zu gestalten. Die hölzerne Art von Anna habe ich unbewusst gespielt. Ich habe nicht viel darüber nachgedacht.

Ricore: Der Humor ist absurd und skurril, im zweiten Teil sogar noch ein bisschen schwärzer als im ersten. Wie empfinden Sie diesen Humor?

von Kessel: Ich denke, der Humor ist im zweiten Teil gewöhnungsbedürftiger. Dadurch polarisiert der Film. Der erste Teil war vielleicht kommerzieller. Es wird Leute geben, die den Humor unglaublich witzig finden und andere, die damit überhaupt nichts anfangen können.

Ricore: Die Familie macht ein Familiengeheimnis um das Kuckuckskind. Können Sie die Entscheidung nachvollziehen?

von Kessel: Erst mal weiß das ja niemand. Als der Vater davon erfährt, hat er zuerst Schwierigkeiten damit, weil er überfordert ist. Er will das nicht absichtlich verschweigen, sondern weiß einfach nicht, wie er das seiner Tochter mitteilen soll. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, mit dieser Situation 'richtig' umzugehen.
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Sophie von Kessel erfährt eine schreckliche Nachricht in "In den besten Familien"
Ricore: Anna ist die Lieblingstochter von Vater Maillinger. Haben Sie diesen Status auch bei Ihrem Vater?

von Kessel: Nein, gar nicht. Mein Vater ist letztes Jahr gestorben. Ich habe noch zwei Schwestern und befinde mich vom Alter her in der Mitte. Das habe ich oft als mühsam empfunden. Ich war früher aber auch sehr wild und schwierig - glaube ich.

Ricore: Können Sie die Abhängigkeit von Anna zu ihrem Vater nachvollziehen?

von Kessel: Ja, total. Diese Konstellation mit dem reichen, erfolgreichen Vater und der abhängigen Tochter, eben auch emotional, gibt es sehr oft. Eigentlich hätte Anna alle Möglichkeiten, aber sie kann sie nicht nutzen.

Ricore: Wie finden Sie die Vorstellung auszuwandern, so wie es Anna anfangs vorhat?

von Kessel: Ich bin auch so aufgewachsen. Als Diplomatenkind sind wir alle drei Jahre umgezogen, oft in andere Länder. Ich kenne dieses Gefühl also von klein auf und habe das nie in Frage gestellt. Als ich älter wurde und in der Pubertät kam, ist es mir schwerer gefallen. Aber grundsätzlich kann ich mich überall auf der Welt zurechtfinden.

Ricore: Reisen Sie gerne?

von Kessel: Eher weniger. Viele haben diesen Ferndrang, aber das habe ich bereits hinter mir gelassen. Ich möchte viel lieber irgendwo Wurzeln schlagen und fühle mich nicht zum Reisen getrieben. Aber es gibt schon Länder, die ich noch gerne sehen möchte.

Ricore: Welche?

von Kessel: Indien zum Beispiel oder ganz allgemein Asien. Ich kenne diesen Kontinent noch nicht.
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Sophie von Kessel sorgt sich um ihre Familie in "In den besten Familien"
Ricore: Wo fühlen Sie sich zu Hause?

von Kessel: Nirgendwo. Oder da, wo meine Kinder sind. Für mich hat das Zuhause viel weniger mit dem Ort zu tun als mit den Menschen, die mir wichtig sind. Und das kann überall sein.

Ricore: Sie haben Ihre Karriere mit dem Theater begründet. Wie sind Sie zu Film und Fernsehen gekommen?

von Kessel: Durch ein Casting damals, als ich noch auf die Schauspielschule ging.

Ricore: Wie wichtig ist es Ihnen, neben Film und Fernsehen gelegentlich wieder auf der Bühne zu stehen?

von Kessel: Ich habe zehn Jahre frei als Schauspielerin gearbeitet und in der Zeit wurde die Arbeit auf der Bühne immer weniger. Ab einem gewissen Punkt habe ich das sehr vermisst. Film und Theater beinhalten zwei völlig unterschiedliche Arbeitsweisen. Beim Theater hat man beispielsweise die direkte Interaktion mit dem Publikum, die es so beim Film nicht gibt. Auch die Anspannung ist bei einer Vorstellung eine ganz andere als beim Film.

Ricore: Wie gehen Sie an die unterschiedlichen Arbeitsweisen heran?

von Kessel: Ich habe kein System. Ich habe jede Rolle immer anders gespielt. Viele Schauspieler in meinem Alter fangen an zu unterrichten. Das kann ich mir für mich noch gar nicht vorstellen. Ich wüsste momentan noch nicht, was ich den jungen Leuten so erzählen soll.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. Dezember 2012
Zum Thema
Sophie von Kessel wird 1968 als Diplomatentochter in Mexiko-City geboren. Sie verbringt ihre Kindheit in Südamerika, Finnland, Österreich und den USA. Ihr Handwerk erlernt sie von 1988 bis 1992 am Frank Riva" übernimmt sie die weibliche Hauptrolle an der Seite von Alain Delon. 2008 spielt sie bei den Salzburger Festspielen die Buhlschaft im "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal.
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