Walt Disney
Jens Wawrczeck
Von Jesus bis Goebbels
Interview: Die Stimme ist sein Kapital
Diese Stimme kennt jeder! So ist er der zweite Detektiv Peter Shaw der bekannten Hörspielserie "Die drei ???". Auch in amerikanischen Comedys ist seine Stimme oft zu hören. Jens Wawrczeck ist vielfältig begabt. Schon als Kind wusste er, was er wollte - und setzte sich durch. Seine Eltern erfuhren erst spät von seinen Plänen. Im Interview verrät uns Wawrczeck, warum er sich mit Peter Shaw nie identifizieren konnte und er am liebsten mal einen Wahnsinnigen sprechen würde.
erschienen am 11. 11. 2007
Walt Disney
Die drei ??? und das Geheimnis der Geisterinsel
Ricore: Sie haben sich bereits im Alter von elf Jahren für eine Sprechrolle beworben. Wie kamen Sie dazu? Jens

Wawrczeck: Ich wollte schon immer Schauspieler werden. So lange ich denken kann, war das immer mein größter Wunsch. Es war eine Berufung. In der fünften Klasse hat unser Lehrer gefragt, ob es jemanden gebe, der sich vorstellen könne, beim Norddeutschen Rundfunk zu arbeiten. Die suchten Kinder, die für den Aufsatzfunk eingesetzt werden sollten. Daraufhin bin ich auf eigene Faust nachmittags dorthin gegangen und habe vorgesprochen und wurde direkt genommen.

Ricore: Was haben Ihre Eltern davon gehalten?

Wawrczeck: Ich hab es meinen Eltern erst später erzählt. Erst als ich bereits einige Sendungen gemacht hatte, lagen die Unterlagen des WDR im Briefkasten. Die Eltern mussten natürlich ihre Zustimmung geben. Meine Eltern waren sehr überrascht und verwundert. Beide waren berufstätig und haben oft gar nicht mitbekommen, was ich nachmittags getrieben habe. Aber sie fanden es in Ordnung. Sie hatten aufgrund ihrer Arbeit nie wirklich Zeit, sich den ganzen Tag um mich zu kümmern. Mein Vater lebt schon lange nicht mehr, meine Mutter hatte noch nie ein Studio von innen gesehen. Meine ganze berufliche Laufbahn lief abgegrenzt vom Familienleben.

Ricore: Was mögen Sie an der Figur Peter Shaw, die Sie in den Hörspielen sprechen?

Wawrczeck: Peter Shaw ist mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen. Ich finde an seiner Person interessant, dass Peter sowohl ängstlich als auch mutig ist. Er hat beide Extreme. Das bedeutet einfach, dass man nicht nur ein Angsthase ist oder der absolute Superheld. Man kann beide Rollen erfüllen. Das eine schließt das andere nicht aus.
Walt Disney
Jens Wawrczeck, Yoshij Grimm Peters
Ricore: Was würden Sie bezüglich Ihrer Hörspielkarriere als beste Arbeit ansehen?

Wawrczeck: Dieses Jahr habe ich zwei Hörspiele gemacht, die mir viel Spaß bereitet haben und die ich allein bezüglich der Arbeit als sehr befriedigend empfand. Das war einmal "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann. Da hab ich den Aimé Bonpland gesprochen, ein Franzose, der mit Humboldt um die Welt reist. Dann habe ich "Das Evangelium nach Jesus Christus" von José Saramago gesprochen. Da war ich Jesus. In einem anderen Hörspiel über Zarah Leander spreche ich Goebbels. Das sind natürlich Aufgaben, die auch schauspielerisch sehr große Herausforderungen sind. Wenn auch das Team gut ist und man das Gefühl hat, dass man sich untereinander versteht, kann das eine durchaus befriedigende Arbeit sein.

Ricore: Gibt es eine Figur oder Rolle, die Sie schon immer mal sprechen wollten? Eine Rolle, von der Sie vielleicht schon seit Jahren träumen?

Wawrczeck: Ja. Eine Figur aus dem Buch "Der Mieter", dessen Autor Roland Topor heißt. Roman Polanski hat das Werk vor etwa 30 Jahren verfilmt. Es handelt von einem Mann, der langsam wahnsinnig wird. Das würde ich gerne als Hörbuch machen. Außerdem würde ich gerne mal den "Don Quijote" von Miguel de Cervantes y Saavedra spielen.

Ricore: Zurzeit ist Ihre Stimme wahrscheinlich vor allem als die von Spence Olchin aus der US-Serie "The King of Queens" bekannt.

Wawrczeck: Das stimmt. Der Wiedererkennungswert ist bei den "Drei ???" aber noch größer. In dem Zusammenhang werde ich sehr oft angesprochen. Das liegt wohl daran, dass die Altersspanne der "Drei ???"-Hörer extrem groß ist. Die müsste so zwischen acht und 40 Jahren liegen. Aber auch auf "King of Queens" werde ich auch des Öfteren angesprochen. Manchmal bitten mich die Leute um ein Autogramm. Das mache ich natürlich, solange sie freundlich sind und mir nicht sagen wollen, dass meine Arbeit schlecht ist. Ansonsten ist das ja eine unheimlich nette Angelegenheit und freut mich immer besonders.

Ricore: Bekommen Sie Fanpost?

Wawrczeck: Ja, aber auch wieder hauptsächlich in Bezug auf die "Drei ???". Wir - also auch die anderen Synchronsprecher - bekommen tatsächlich eine ganze Menge Fanpost. Es ist sogar so, dass wir zu unseren Geburtstagen Geschenke geschickt bekommen. Teilweise sind das sehr fantasievolle Geschenke. Beispielsweise hat ein Fan mal herausgefunden, dass ich ein großer Fan der Doris-Day-Filme bin. Da bekam ich Seifen mit Doris-Day-Bildern, CDs und so weiter. Das hat mich sehr gerührt.
Koch Media
The King of Queens - Staffel 9
Ricore: Identifizieren Sie sich mit der Person, der Sie Ihre Stimme leihen?

Wawrczeck: Als ich für die Rolle des Spence Olchin gecastet wurde, hab ich eigentlich gedacht, dass meine Stimme gar nicht zu der Person passt. Der Schauspieler ist eben auch körperlich ganz anders als ich. Aber da täuscht man sich oft. Im Endeffekt habe ich aufgehört darüber nachzudenken, ob meine Stimme nun zu Person XY passt oder nicht. Es ist einfach immer irritierend, seine eigene Stimme aus einem fremden Gesicht zu hören

Ricore: Sie arbeiten auch als Regisseur. Für "Die Darwin Awards" konnten Sie Hella von Sinnen und Dirk Bach als Sprecher gewinnen. Wie war die Zusammenarbeit mit den beiden?

Wawrczeck: Ich persönlich hatte ein bisschen Angst vor der Arbeit mit ihnen, da ich sie wie viele nur aus dem Fernsehen kannte. Ich dachte, jetzt kommt die große Kölner "Comedy-Mafia", die nur eben schnell ihr Ding durchziehen will. Das war aber ganz und gar nicht so. Im Grunde war es eine sehr professionelle Arbeit. Gerade bei Hella von Sinnen hätte ich gedacht, dass sie eventuell sehr dominant sein könnte. Aber ich wurde vom Gegenteil überzeugt. Sie war unglaublich kooperativ

Ricore: Hella von Sinnen und Dirk Bach kennen sich ja auch schon seit Jahren.

Wawrczeck: Das war natürlich ein großer Vorteil für mich und meine Arbeit mit ihnen. Sie sind sehr entspannt und vertraut miteinander umgegangen. Es war deshalb eine sehr entspannte und unaufgeregte Arbeit mit den beiden.

Ricore: Was machen Sie von Ihren Tätigkeiten am liebsten? Synchronisieren, Schauspielern oder Regie führen?

Wawrczeck: Ich spiele am liebsten Theater, also ist die Schauspielerei mein liebster Beruf. Das liegt daran, dass die Arbeit in dem Bereich an intensivsten ist. Man hat den Luxus, mehrere Wochen an einem Stück arbeiten zu dürfen. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist viel enger und näher. Ein Hörbuch wird in wenigen Tagen abgearbeitet. Im Gegenteil dazu, kann man beim Theater eine richtige Nähe zu anderen herstellen. Außerdem sehe ich die Schauspielerei als die Quelle meiner Berufe. Schauspieler wollte ich nicht werden, um zu synchronisieren. Ich wollte schon immer auf der Bühne stehen. Ich sehe es als unglaubliches Privileg an, die Möglichkeit zu haben, derartig viele verschiedene Berufe ausüben zu können. Auf diese Weise wird keine Sache jemals langweilig.
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Szene aus "Die drei ??? und das Geheimnis der Geisterinsel"
Ricore: Sie sind auch Mitglied und Gründer des Ensembles "Die Film-Ausleser". Wie kamen Sie auf die Idee, das Ensemble zu gründen?

Wawrczeck: Mit diesem Thema kommen wir im Grunde wieder auf den Anfang unseres Gespräches zurück. Ich habe das Ensemble gegründet, weil ich bereits als Kind in meiner eigenen kleinen Welt gelebt habe und auch damals schon ein Faible für alte Filme hatte. Ich habe ja auch mehrere Jahre in New York gelebt und dort die Schauspielschule besucht. In den USA ist das Ansehen solcher alten Filme ganz anders als bei uns. Die Filme werden viel mehr gepflegt und für viel wichtiger genommen. Das hat mich beeindruckt. Außerdem fand ich es sehr interessant, als ich feststellte, dass viele Filmklassiker auf Theaterstücken basieren. Das weiß fast niemand. Wahrscheinlich weiß auch niemand, dass "Casablanca" ursprünglich ein Theaterstück ist. Auch "Manche mögen's heiß" war ein Theaterstück. Viele kennen wahrscheinlich den Film, aber nicht das Theaterstück. "Die Film-Ausleser" habe ich gegründet, weil ich es einfach sehr interessant fand, das Stück mal zu lesen. Das findet immer mit musikalischer Begleitung statt und ist im Grunde ähnlich wie ein Live-Hörspiel. Mir macht es viel Spaß, so an die ursprüngliche Quelle zurückkehren zu können.

Ricore: Konzentrieren Sie sich auf bestimmte Stücke?

Wawrczeck: Die Auswahl der Stücke ist schon begrenzt. Ich will keine Stücke lesen, die jeder schon kennt. Das gilt für einige Kriminalstücke wie "Zeugin der Anklage" oder "Warte, bis es dunkel ist". Die sind einfach schon zu oft gelaufen. Es gibt eben sehr viele Theaterstücke, die verfilmt wurden und dann bekannt geworden sind. Meine Mission ist wirklich, die vergessenen oder unbekannten Stücke auszugraben.

Ricore: Gehören die "Film-Ausleser" derzeit zu Ihren beruflichen Prioritäten?

Wawrczeck: Auf eine gewisse Weise. Uns gibt es aber erst seit einem knappen Jahr, also haben wir noch nicht so viele Pläne verwirklichen können und haben noch viel zu tun. Leider muss man sagen, dass sich mit dem Ensemble zu treffen immer ein großes organisatorisches Problem bedeutet. Wir machen alle viele andere Sachen nebenbei.

Ricore: Was ist das Ziel der "Film-Ausleser"?

Wawrczeck: Unser Ziel als Ensemble ist es, mehrere Stücke im Angebot zu haben, die wir je nach Veranstaltungsort aussuchen können. Je nachdem welches dort am besten zu passen scheint. Das Ensemble ist ohnehin auf längere Sicht geplant. Wenn man erstmal mehrere Stücke erarbeitet hat, ist der Aufwand sie hervorzuholen nur noch sehr gering.

Ricore: Herzlichen Dank für das Interview.
erschienen am 11. November 2007
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Eigentlich wollten sie bloß Urlaub machen. Doch dann müssen die drei jungen Detektive (Chancellor Miller, Nick Price und Cameron Monaghan) das Verschwinden des Eingeborenen Gamba (Akin Omotoso) und das Auftauchen des sagenumwobenen Tieres Tokolosh aufklären. Der amerikanische Autor und Journalist Robert Arthur erfand die ersten Geschichten um "Die drei ???". Der deutsche Regisseur Florian Baxmeyer verfilmte eines ihrer zahlreichen Abenteuer mit einer internationalen Crew.
2024