Jean-François Martin/Ricore Text
Fatih Akin
Der Scorsese von Altona
Starfeature: Hanseat Fatih Akin
Der Hamburger Stadtteil Altona-Nord gilt als sozialer Brennpunkt mit hohem Immigrantenanteil, billigem Wohnraum und hoher Arbeitslosenquote. Neben Jugendkriminalität und Frust wird hier allerdings auch multikultureller Austausch und konfessionsübergreifender Zusammenhalt geschätzt. Als Sohn türkischer Einwanderer kommt Fatih Akin in diesem Umfeld 1973 zur Welt. Vater Enver arbeitet in einer Teppich-Reinigungsfirma, seine Mutter findet als ausgebildete Grundschullehrerin zunächst nur eine Anstellung als Putzfrau. Akin probiert sich zunächst als Halbstarker, bevor er eine Passion entwickelt.
erschienen am 20. 12. 2009
Concorde Filmverleih
Fatih Akin
Eine Jugend in Altona-Nord
Wieso kann mir ein Horrorfilm solch eine Angst einjagen? Mit dieser Frage beginnt Akins Obsession für den Film. Als Kind zeigt ihm sein älterer Bruder Cem einen FSK 18-Streifen und der kleine Fatih will fortan herauskriegen, wie es der Regisseur angestellt hat, ihm solch eine Furcht einzujagen. Mit zunehmendem Alter sind es Bruce Lee, Martin Scorsese und Sylvester Stallone, die sein Interesse wecken. Mit seinem Faible ist er in seiner unmittelbaren Nachbarschaft nicht alleine. In den Schulstunden schreibt er unter dem Tisch Drehbücher und gründet mit Adam Bousdoukos die Musikgruppe Drive Into Exil. Inspiriert von den Texten von Charles Bukowski, Prince oder der amerikanischen Rockformation Rage Against the Machine machen sie mit ihrer Darbietung kleine Clubs nahe der Reeperbahn unsicher. Doch das Kino lässt ihn nicht los. Als Mädchen für alles jobbt er am Filmset, schmiert Brote für Regisseure oder kutschiert Filmschaffende durch Hamburg. Nach dem Abitur beginnt er schließlich das Studium der visuellen Kommunikation an der Hamburger Hochschule für bildende Künste.
United International Pictures (UIP)
Kurz und schmerzlos
Kurz und Schmerzlos
Bei der Wüste-Filmproduktion im Hamburger Schanzenviertel wird Ralph Schwingel auf Akin aufmerksam. Es entstehen mit "Sensin - Du bist es!" und "Getürkt" zwei Kurzfilme unter seiner Regie. Die Idee für einen Spielfilm hat er jedoch bereits in der Hinterhand. Aus den autobiographischen Erlebnissen eines Heranwachsenden auf St. Pauli wird das Drehbuch zu "Kurz und schmerzlos". Zwischen mafiösen Strukturen, unerfüllter Liebe und einer Männerfreundschaft im Wandel spielt eine Geschichte, die als Kinofilm im Jahr 1998 vor allem in der Hansestadt zum Erfolg wird. Ihr Regisseur ist fortan in aller Munde und bald bekannt wie ein bunter Hund. Die Hamburger Morgenpost feiert ihn bereits als Scorsese von Altona. Akin wohnt zu dieser Zeit im umtriebigen Stadtviertel Ottensen, genießt die dortige Kneipenkultur und hat bereits die Frau fürs Leben gefunden.
Universal Pictures (UPI)
Gegen die Wand
Die Dinge nehmen ihren Lauf
Mit "Im Juli" und "Solino" folgen zwei weitere Regiearbeiten, in denen er seinem Freund Moritz Bleibtreu die männliche Hauptrolle anvertraut. Sein Beitrag "Gegen die Wand" wird 2004 erst kurz vor Beginn der Internationalen Filmfestspiele von Berlin für den Wettbewerb zugelassen und gewinnt völlig überraschend den Goldenen Bären. Birol Ünel und Sibel Kekilli überzeugen in ihren Hauptrollen, sodass kurz darauf der Deutsche Filmpreis und der Europäische Filmpreis folgen. Dies ist die persönliche Mondlandung von Akin. Zuvor als deutscher Regisseur wahrgenommen, wird er mit "Gegen die Wand" zu einem Filmemacher von internationalem Rang. Mit dem Dokumentarfilm "Crossing The Bridge - The Sound Of Istanbul", in dem er über die musikalische Vielfalt der Bosporus-Metropole berichtet, atmet er erst einmal durch, bevor er 2007 "Auf der anderen Seite" realisiert. Das grenzüberschreitende Drama wird ebenfalls mehrfach ausgezeichnet und ist für den Oscar als Bester nichtenglischsprachiger Film nominiert. Für "Soul Kitchen" kehrt Akin wieder in seine Heimatstadt zurück. Mit Adam Bousdoukos und Moritz Bleibtreu übernehmen langjährigen Wegbegleiter die tragenden Rollen in seiner Komödie, die vom städtebaulichen Wandel Hamburgs kündet.
Pandora
Fatih Akin
Weiteres
Als Anerkennung seines Schaffens wird Akin 2005 in die Jury der Internationalen Filmfestspiele von Cannes berufen und bekleidet im Wintersemester 2005/06 eine Gastprofessur an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Zusammen mit Andreas Thiel und Klaus Maeck gründet er zudem die Produktionsfirma Corazón International, mit der er in der Folge eigene Stoffe realisiert und anderen Künstlern finanziell unter die Arme greift. Seit 1997 ist Akin mit seiner jetzigen Ehefrau Monique Obermüller liiert, die im Jahr 2005 auch zur Mutter seines Sohnes wird. Dies ändert allerdings nichts an seiner regionalen Verwurzelung, denn die Familie lebt noch immer in Hamburg-Ottensen.
erschienen am 20. Dezember 2009
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Für den Sohn türkischer Einwanderer steht schon mit 16 Jahren fest, dass er ins Filmgeschäft einsteigt. Er engagiert sich im Schultheater, übernimmt kleinere TV-Rollen und schreibt schließlich ein eigenes Drehbuch. Dieses gefällt Produzenten Ralph Schwingel so gut, dass er eine langjährige Zusammenarbeit mit dem damals 19-Jährigen beginnt. Nach seinem Abitur schließt Fatih Akin im Jahr 2000 sein Studium an der Kurz und schmerzlos". Es folgen weitere Spielfilme und Dokumentationen, darunter die..
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