Belinda Grimm/Ricore Text
Ludivine Sagnier
Lasziv, verführerisch und schön
Interview: Ludivine Sagnier ist privilegiert
Ob als laszive, verführerische Verlegertochter, oder als naives, unterwürfiges Mädchen, Ludivine Sagnier weist mir ihren 28 Jahren bereits ein breites Rollenspektrum auf. Selbst bezeichnet sie sich als Privilegierte, die sich vor weiblicher Konkurrenz nicht zu fürchten brauche. Trotz erster Höhenflüge in den vergangenen Jahren in Filmen von François Ozon ist die blonde Schönheit auf dem Boden geblieben. Angebote aus Hollywood schlug sie immer wieder ab. Mit uns spricht Sagnier über Mutterglück und ihre Rolle als Reiseagentin.
erschienen am 11. 01. 2008
Ludivine Sagnier in Swimming Pool
Ricore: Haben Sie ihr Deutsch in der Schule gelernt?

Sagnier: Acht Jahre lang, aber ich habe es kaum anwenden können und vieles verlernt. Aber früher war ich mal gut!

Ricore: Dann wird es Zeit, einen Film in Deutsch zu drehen...

Sagnier: Haben Sie ein Drehbuch?

Ricore: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Claude Chabrol?

Sagnier: Er hat mir das Drehbuch zugeschickt. Ich konnte es kaum glauben, denn Claude Chabrol ist für mich eine Legende. Ich war sehr geschmeichelt und habe ihm gesagt, ich würde alles tun, nur um mit ihm arbeiten zu dürfen. Ich wäre sogar auf Knien gekrochen, was ich dann auch tatsächlich gemacht habe. Es war ein sehr nettes Abenteuer.

Ricore: Sie haben bereits mit großen Stars wie Gérard Depardieu, Catherine Deneuve und François Ozon zusammengearbeitet. Wer hat Sie am meisten beeinflusst oder inspiriert?

Sagnier: Ich würde sagen François Ozon. Ich habe ihn bereits als Teenager kennengelernt. Er war derjenige, der mich glauben machte, dass ich eines Tages vielleicht eine gute Schauspielerin werden könnte. Ich war mir da nicht sicher. Unter seiner Regie spielte ich drei Figuren, die sich sehr voneinander unterschieden. Er gab mir die Möglichkeit, meine Fähigkeiten auszuweiten und zu entwickeln. Ich verdanke ihm, was ich heute bin. Er ist ein sehr starker Regisseur.
Jean-François Martin/Ricore Text
Ludivine Sagnier
Ricore: Wo liegt der Unterschied in der Arbeit mit Ozon und Chabrol?

Sagnier: Nun ja, erst einmal ist da ein deutlicher Altersunterschied. Ansonsten unterscheiden sie sich nicht sehr. Ozon ist ein großer Fan von Chabrol. Beide Regisseure wissen, was sie wollen, wenn sie frühmorgens am Set erscheinen. Sie wissen genau, welche Szene wie geschnitten wird und wo welche Kamera steht. Beide sind sehr souverän. Chabrol ist vielleicht aufgrund der Generation, derer er angehört, befangener als Ozon. Er wirkt irgendwie schüchtern, auch wenn er ein großer Spaßmacher ist. Chabrol macht gerne Witze und unterhält die Crew. Andererseits wirkt er gehemmt, wenn es beispielweise um schmutzige Szenen geht. Da liegt der große Unterschied zwischen Ozon und Chabrol, denn Ozon liebt es, zu schocken, die Dinge brutal anzugehen. Chabrol vermeidet dies.

Ricore: Werden Sie auch weiterhin mit François Ozon zusammenarbeiten?

Sagnier: Nur über meine Leiche. Nein, das war ein Scherz. Ich hoffe, dass er wieder Arbeit für mich hat.

Ricore: Im Moment nicht?

Sagnier: Nein, im Moment bin ich seine Reiseagentin. Immer wenn er in Urlaub fährt, ruft er mich an und fragt, wohin er reisen soll, in welchen Club und in welches Hotel er gehen soll. Ich sage dann immer, 'Hey, gib mir einen Job, mir ist egal, wohin du in Urlaub fährst'. Er arbeitet derzeit an einem neuen Projekt, aber die Hauptdarstellerin ist rund 45 Jahre alt. Dafür bin ich noch zu jung.

Ricore: Entwickelt sich bei der gemeinsamen Arbeit mit Darsteller und Regisseur auch eine Art Freundschaft?

Sagnier: Manchmal auch mehr... (lacht). Ja, natürlich entstehen Freundschaften. Man entwickelt nicht für alle Leute tiefe Gefühle, das ist klar. Mit François ist es anders, da wir uns schon seit mindestens zehn Jahren kennen. Nach drei Filmen, die wir zusammen gemacht haben, sind wir uns sehr nahe. Zwischen mir und Chabrol hingegen existiert ein großer Altersunterschied. Ich würde nicht sagen, er ist mein bester Freund ist, er könnte ja mein Großvater sein. Aber die Erfahrung an einem Set schweißt zusammen.

Ricore: Was bedeutet es für Sie, Schauspielerin zu sein?

Sagnier: Vor allem der Nervenkitzel. Als Schauspielerin sind Emotionen wie Nahrung. Mein Beruf ernährt mich. Es gibt viele Restaurants mit unterschiedlichen Köchen. Ich genieße es einfach.
Belinda Grimm/Ricore Text
Ludivine Sagnier
Ricore: Sie haben bereits einige Angebote aus Hollywood erhalten. Warum haben Sie diese stets abgelehnt?

Sagnier: Vielleicht war ich einfach noch nicht bereit, mich der brutalen Realität der Hollywood-Industrie zu stellen. Im Vergleich mit der beinahe schon familiären Arthouse-Produktion in Frankreich ist das Geschäft in Amerika sehr brutal und rücksichtslos. In Hollywood arbeitet jeder Einwohner für dieselbe Firma, das ist erdrückend. Du musst dir sicher sein, was du bist und was du willst, um dich nicht selbst zu verlieren. Ich war einfach noch zu jung, um mich dem System zu stellen.

Ricore: Unter welchen Bedingungen würden Sie nach Hollywood gehen? Würden Sie den Handlanger von Tom Cruise spielen?

Sagnier: Es muss schon ein guter Regisseur, ein gutes Skript und natürlich eine gute Rolle sein. Wenn mir mein US-Agent ein ausgezeichnetes Drehbuch sendet, wer weiß, was dann passiert. Aber ich träume nicht davon, Teil von Los Angeles und den strahlenden Hollywoodstars zu sein. Das wäre das Ende meines Privatlebens. Man wird Zielscheibe der internationalen Yellow-Press. Mit der Ruhe ist es dann vorbei. Dermaßen berühmt und exponiert zu sein, ist nicht unbedingt das, was ich will. Im Moment fühle ich mich sehr wohl, da wo ich bin. Von der Presse und vom Publikum werde ich international wahrgenommen. Sie wissen bereits, wer ich bin.

Ricore: Und in Frankreich sind Sie bereits ein Star!

Sagnier: In Frankreich bin ich so eine Art Starlet. Ich kann arbeiten mit wem ich will. Aber ich habe nicht den Druck, zu populär zu sein. Ich genieße derzeit alle Vorteile, die ich nur haben kann.

Ricore: Viele Menschen sehen in Ihnen eine Sex-Bombe, jemanden, der alle Verführungskünste beherrscht. Sind Sie stolz darauf, ohne ärgert Sie dieses Klischee?

Sagnier: Das hängt von der Zeit und der Situation ab. Manchmal gefällt es mir und manchmal nicht. Nach "Swimming Pool" war ich schon etwas verwirrt. Die Leute dachten tatsächlich, ich sei so eine Frau wie meine Filmfigur. Ich habe viel für diese Rolle gearbeitet und habe dann auch dementsprechend so ausgesehen. Aber es macht mir nichts aus, so jemanden zu spielen, das ist gut für das Ego. Und schließlich weiß ich ja, dass ich nicht so bin.

Ricore: Wie steht es mit Musik? Singen Sie gerne?

Sagnier: Ja, ich singe sehr gerne. Im Musical "Les Chansons d'amour" habe ich bereits meine Gesangskünste zum Besten gegeben. Der Film war 2007 in Cannes.
Concorde Filmverleih
Claude Chabrol
Ricore: Streben Sie eine zweite Karriere an?

Sagnier: Warum nicht? Ich denke immer öfter darüber nach. Aber ich würde nie das aufgeben, was ich derzeit habe und bin. Jeder Schauspieler kommt einmal in die Situation, etwas anderes machen zu wollen. Nicht mit der Schauspielerei aufzuhören, sondern neue Sachen auszuprobieren, sein eigenes Feld zu erweitern. Als Schauspieler unterwirft man sich stets den Wünschen der Regisseure. So entwickelt sich schon mal die Sehnsucht, eigene Projekte zu realisieren.

Ricore: Sie haben früh mit der Schauspielerei begonnen. Hatten Sie je das Gefühl, etwas von Ihrer Jugend verpasst zu haben?

Sagnier: Ich habe soviel gemacht, nein, ich habe kein derartiges Gefühl. Mir geht's gut. Ich fühle mich sehr gut und genieße nach wie vor meine Jugend.

Ricore: Was hat sich nach der Geburt Ihres Kindes verändert?

Sagnier: Mein Gewicht natürlich. Mein Kind hat mich viel stärker gemacht. Als Elternteil muss man ein Vorbild für das Kind sein. Man muss sich ständig verbessern. Wenn ein Kind im Spiel ist, geschehen notwendige Veränderungen an der eigenen Persönlichkeit wie von selbst. Für meine Tochter will ich die beste Mutter der Welt sein. Sie puscht mich.

Ricore: Wie verbringen Sie Ihre Zeit mit ihrer Tochter?

Sagnier: Gestern habe ich meine Tochter vom Kindergarten abgeholt und war anschließend mit ihr im Zirkus. Wir waren spazieren und kauften Spielzeug. Ich bin wie jede andere Mutter auch. Wenn ich arbeite, haben wir eine Nanny und natürlich ihren Dad, der auch auf der Kleinen aufpasst. Aber auch er arbeitet sehr viel.

Ricore: Gibt es Konkurrenz zwischen Ihnen und Ihrem Freund, der ebenfalls Schauspieler ist?

Sagnier: Nein, er kann ja schließlich nicht meine Rollen übernehmen.

Ricore: Sprechen Sie privat über Ihren Beruf?

Sagnier: Ja, manchmal reden wir darüber. Ich gebe ihm Tipps (lacht).

Ricore: Gibt es Konkurrenz zwischen den französischen Schauspielerinnen?

Sagnier: Ich würde sagen, ich bin privilegiert genug, um mich nicht vor den anderen Schauspielerinnen zu fürchten. In meiner Generation sind wir nur zu viert, die regelmäßig arbeiten, wie Audrey Tautou, Marion Cotillard, Cécile de France und ich. Ich bin sehr stolz, dazu zu gehören. Wir sind uns jetzt nicht unbedingt sehr nahe, aber wir bewundern uns gegenseitig und geben uns Ratschläge. Wir wissen, dass wir privilegiert und anders sind. So ist auch Platz für uns alle.

Ricore: Ihr nächster Film lautet "L'Ennemi public n° 1". Was ist das für ein Film?

Sagnier: Wir haben den Film erst kürzlich abgedreht. Es ist ein großes Projekt, es wird wie bei "Kill Bill" zwei Episoden geben. Ich werde vor allem im zweiten Teil zu sehen sein, Cécile de France im Ersten. Der Film dreht sich über den Staatsfeind Nummer 1 in den 1970er Jahren, Jacques Mesrines. In Frankreich ist er sehr berühmt. Obwohl er ein Schwerverbrecher war, zollte ihm die Öffentlichkeit großen Respekt. Er war ein paradoxer Charakter. Die Dreharbeiten waren großartig. Ich arbeitete mit Vincent Cassel, der ein unglaublich fantastischer Schauspieler ist.

Ricore: Regisseur ist Jean-François Richet, richtig?

Sagnier: Ja, er hat viele Filme gemacht und ist ein radikaler Regisseur. Er glaubt an Marx und Lenin. So hat er auch eine radikale Sicht auf die Geschehnisse in unserem Film. Daher wird es sehr spannend werden.
erschienen am 11. Januar 2008
Zum Thema
Die schöne Gabrielle ist hin- und hergerissen zwischen dem berühmten Schriftsteller und dem attraktiven, aber labilen Erben einer Industriellenfamilie. Ein gefährlicher Reigen aus Liebe und Eifersucht beginnt. Claude Chabrol inszeniert mit sicherer Hand eine dunkle Tragikomödie um Perversionen der höheren Gesellschaft. Die Hauptrollen werden von den französischen Stars Ludivine Sagnier und Benoît Magimel verkörpert.
Mit neun Jahren stand Ludivine Sagnier zum ersten Mal vor der Kamera. Mit sechzehn machte sie ihr Abitur und studierte Schauspiel am Konservatorium in Versailles. Mit "8 Frauen" und "Swimming Pool" gelang ihr der internationale Durchbruch, heute gilt die Mutter als Frankreichs heißester Exportschlager.
2024