Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Knister
"Danken Sie Ruzowitzkys Töchtern"
Interview: Er will, dass es knistert!
Knister ist ein außergewöhnlicher Name für ein Schriftsteller! Wir haben nachgefragt, warum er sich für diesen Künstlernamen entschied. Wir trafen uns mit dem berühmten Kinderbuchautoren in einem Münchner Hotel und befragten ihn zu "Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch" und wie es ihm gelang, Stefan Ruzowitzky für den Kinderstoff zu erwärmen.
erschienen am 19. 02. 2009
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Knister, Michael Mittermeier und Alina Freund
Ricore: Wie sind Sie zu Ihrem Künstlernamen "Knister" gekommen?

Knister:Damals war ich Mitte 20 und studierte Musik. Eigentlich wollte ich immer Musiker werden. In der Zeit mussten sich Künstler einen Künstlernamen zulegen. Ich ließ mir die Haare wachsen und überlegte mir, wenn ich schon einen Künstlernamen haben muss, dann will ich nicht Frau Schreiner heißen. Ich wollte einen Namen, der etwas ausdrückt. Außerdem wollte ich, dass es in meinem Leben immer knistert, immer spannend ist, so habe ich mir den Namen "Knister" gegeben. Ich ahnte damals nicht, dass ich einmal Autor werden würde.

Ricore: Auch "Hexe Lilli" hatten Sie nicht von langer Hand geplant?

Knister:Richtig, das war eine Auftragsarbeit. "Hexe Lilli" war mein siebtes oder achtes Buch. Mein Verleger hatte sich ein Hexenbuch gewünscht. Ich sagte, dass es schon viele Hexenbüche geben würde, da müsste ich nicht auch noch eins machen.

Ricore: Eine Meinung, die Sie offensichtlich revidiert haben…

Knister:Mein Verleger meinte: "Wenn Sie das machen wird es lustiger!" Irgendwann ließ ich mich darauf ein. Ich wollte aber wenigstens etwas anderes machen. Also schrieb ich ein Buch über eine Hexe, die gar nicht hexen kann. Wenn sie aber hext, bekommt sie Probleme. Es war mir wichtig, dass sie diese Probleme mit ihrer eigenen Girlpower und nicht mit Hexerei löst. Dass sie sich mit ihrer eigenen Kreativität und Fantasie selbst hilft.
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Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch
Ricore: Dieses Konzept ist von den Kindern gut aufgenommen worden.

Knister:Dieses Konzept ist ungeheuer gut aufgegangen. Angefangen habe ich mit dem ersten Buch, nicht ahnend, dass es eine Serie wird. Das war ein sogenanntes Erstlesebuch, lesefreundlich, mit kurzen Sätzen und einfacher Sprache. Als ich das Buch fertig hatte, ging es aus dem Stand - ohne Werbung - los wie ein Zäpfchen.

Ricore: Das war der Beginn der Serie "Hexe Lilli"…

Knister:Mein Verleger hat mich natürlich nicht lange bitten müssen. Ich sagte aber "Wenn ich eine Serie mache, dann möchte ich die Bücher umfangreicher machen". Es fällt mir viel schwerer, ein Erstlesebuch zu schreiben, das sprachlich so knapp und behutsam gehalten ist. Die folgenden Bücher waren dann für eine ältere Zielgruppe, bis ich nach ein paar Jahren immer mehr Anfragen von Lehrern bekam, wieder ein Erstlesebuch zu machen. So kam es, dass ich parallel Erstlesebücher für Erstklässler und etwas umfangreichere Bücher für Zweit- und Drittklässler schrieb.

Ricore: Wie ist es zur Verfilmung gekommen?

Knister:Eine Filmproduktionsfirma ist auf mich zugekommen wegen der Rechte. Ich wollte jedoch die Zusage haben, dass keines meiner Bücher verfilmt wird. Es gibt viele Kollegen, Michael Ende ist ein leuchtendes Beispiel, die unzufrieden waren mit der Verfilmung ihres literarischen Stoffes. Den Frust wollte ich nicht erleben. Ich wollte lieber eine neue Geschichte speziell für den Film schreiben.
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Pilar Bardem in "Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch"
Ricore: Mit der Fernseh-Serie waren Sie nicht ganz glücklich, ist das richtig?

Knister:Das stimmt. Ich war erschrocken als ich hörte, wie viele Folgen es geben sollte. Die Bücher machten mir bis dahin schon genug zu schaffen. Doch 13 Folgen für die Serie zu schreiben und dann direkt die nächsten 13 nachzulegen war mir zu viel. Ich wollte das auf den Weg bringen, die ersten zwei, drei Drehbücher schreiben. Dann wollte ich mir eine Art Supervising Funktion ausdingen. Außerdem hätten die Drehbücher alle in Englisch geschrieben werden müssen, da es eine internationale Produktion unter Federführung der BBC war. Dafür hätte auch mein Englisch nicht ausgereicht. Ich spreche leidlich gut Englisch, doch Bücher in einer fremden Sprache zu schreiben, traute ich mir nicht zu.

Ricore: Sie schreiben inzwischen auch Bücher für Erwachsene. Hatten Sie Angst, auf Kinderbücher reduziert zu werden?

Knister:Ich schreibe schon seit längerem Bücher für Erwachsene. Natürlich hatte ich genau die Angst, die Sie ansprechen. Dass Kritiker sagen: "Ach, noch ein Kinderbuchautor, der versucht, belletristische, große Literatur zu machen." Deshalb habe ich meine Bücher unter einem Pseudonym veröffentlicht, einem anderen als Knister. Es lief erstaunlich gut, bald wussten aber einige Bekannte und ein paar Händler von dem Mann hinter dem Pseudonym. Also legte ich mir ein neues Pseudonym aus, später ein weiteres. Irgendwann intervenierte mein Verlag und meinte, ich solle bei einem Pseudonym bleiben, wenn ich für Erwachsene schreibe. Da die Bücher sich so gut verkauften, beschloss ich, die weiteren Bücher unter meinem bürgerlichen Namen, Ludger Jochmann, zu schreiben. Das lief sehr gut, ich war auf der Bestsellerliste der Zeit auf Platz eins, und das kurz vor der Weihnachtszeit. Das Buch wurde auch in viele Sprachen übersetzt. Allerdings war der Erfolg, den ich mit Kinderbüchern habe, so unbeschreiblich groß, dass ich das Feuer am Brennen halten wollte. So habe ich seit drei Jahren keine Bücher mehr für Erwachsene geschrieben.
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Alina Freund in "Hexe Lilli - Der Drache und das magische Buch"
Ricore: Wie hieß Ihr Nummer Eins Roman?

Knister:"SMS". In der Zeit lief er unter Belletristik, doch es ist Satire pur. Für mich als Autor ist der größte Unterschied zwischen Erwachsenenbüchern und Kinderbüchern die Ironie. Für Kinder ist Ironie tödlich, sie verstehen sie nicht.

Ricore: Haben Sie bei den Dreharbeiten von "Hexe Lilli" interveniert, wenn Ihnen etwas missfiel?

Knister:Nein, gar nicht. Ich habe zwar Erfahrung mit Kinderfernsehen, arbeitete als Moderator und schrieb hinter der Kamera. Doch Kino ist für mich eine völlig unbekannte, fremde Welt. Ich habe das sehr genossen. Wenn mich der Regisseur selten mal nach meiner Meinung fragte, hat mich das sehr, sehr stolz gemacht.

Ricore: Was für ein Gefühl war es für Sie als Autor, Ihre Geschichte lebendig werden zu sehen?

Knister:Ich will es so beschreiben: Es war für mich ein großartiges Gefühl, als ich vor einigen Monaten von Walt Disney nach München eingeladen wurde. Als ich am Airport München ankam, aus dem Gate ging, hielt jemand ein Schild hoch. Darauf stand "Walt Disney". Mein Herz begann zu pochen, das war ein so großartiges Gefühl. Ich dachte "Mein Gott, der steht da und wartet auf Dich!"
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Alina Freund
Ricore: Es hat, vorsichtig ausgedrückt, überrascht, dass ein Oscar-Preisträger sich an einer Kindergeschichte versucht. Können Sie uns erklären, wie es zur Zusammenarbeit mit Regisseur Stefan Ruzowitzky gekommen ist?

Knister:Mein Wunsch an die Produktion war eine Zusammenarbeit mit Stefan. Das war zu einem ganz frühen Stadium, bevor er den Oscar gewonnen hatte. Ich wollte einen Erwachsenen-Regisseur, keinen Kinderfilmregisseur. Nicht weil ich denen nichts zutraue, ich wollte bewusst einen Erwachsenen-Regisseur. Wir luden Stefan ein und er lehnte ab. Er wollte oder konnte es nicht machen, die Sache war erledigt. Dann entwickelten wir drei Jahre lang den Film, bis wir sagten "Jetzt müssen wir drehen". Noch immer hatten wir keinen Regisseur. Ich sagte "Bitte versucht es doch noch mal bei Stefan Ruzowitzky". Ich bat unsere Produktionsleiterin ihm zu mailen. An die Mail sollte sie die Anfrage von vor drei Jahren anhängen, damit Stefan sieht, dass er von Anfang an unsere erste Wahl war, und nicht irgendein Notnagel. Dann ist etwas Witziges passiert. Schon kurze Zeit später antwortete Stefen. Er hatte mit seinen Töchtern gesprochen, die ihm sagten "Du musst den Film machen, Papa!" Sie waren inzwischen zwei, drei Jahre älter und ins Lilli-Alter reingewachsen. Insofern haben wir den Film auch seinen Töchtern zu verdanken. Ich habe sie später kennengelernt und mich ganz lieb bei Ihnen bedankt, denn ohne sie wäre Stefan nicht im Boot gewesen.

Ricore: Sie sind leidenschaftlicher Musiker. Können Sie uns etwas über Ihr Verhältnis zur Musik erzählen?

Knister:In meinem Herzen bin ich immer noch Musiker. Obwohl ich jetzt mein Geld mit Schreiben verdiene. Doch Musik ist immer meine Leidenschaft geblieben. Ich gehe schrecklich gern in die Oper, Musik ist ganz wichtig für mich.

Ricore: Was sagen Sie zur Filmmusik in Hexe Lilli?

Knister:Die Musik im Film war mir sehr wichtig. Im Vertrag, den ich mit der Produktionsfirma habe, hatte ich die Option stehen, dass ich die Musik machen darf. Weil ich das mal gelernt habe und ich weiß, wie viel Geld man verdienen kann, wenn man fürs Kino Musik macht. Damit kann man mehr verdienen als am Drehbuch. Als im Laufe der Produktion Disney ins Boot kam, konnten wir mit deren Hilfe Klaus Badelt bekommen. Das hätten wir uns vorher nicht träumen lassen. Dann hieß es "Das ist doch der, der die Musik für "Fluch der Karibik" gemacht hat", "Ja, und der hat auch "Gladiator" gemacht!" Das heißt, die Musik wird nicht in irgendeinem Tonstudio gemacht, sondern vom Londoner Symphonie Orchester. Man gönnt sich ja sonst nichts. Durch all diese Leute ist der Film dann so groß geworden, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Ich bin wirklich sehr stolz, dass wir so ein tolles Team hatten.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. Februar 2009
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Knister ist einer der erfolgreichsten deutschen Kinderbuchautoren. Er schrieb aber nicht nur zahlreiche "Hexe Lilli"-Romane, sondern ist auch begeisterter Musiker und Komponist. Als er begann, Romane für Erwachsene zu verfassen, legte er sich ein neues Pseudonym zu, da er befürchtete, "Knister" würde viele potentielle Leser abschrecken. So kam es, dass er auch für seine Sachbücher einen anderen Autorennamen brauchte. Irgendwann wurde es ihm zu viel, und er veröffentlichte alles was keine..
Suchte Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky nach seinem KZ-Drama "Die Fälscher" eine Abwechslung im Kinderfilmgenre? Nein, denn für sein Interesse an der Verfilmung von Knisters "Hexe Lilli"-Kinderbüchern motivierten den Österreicher seine beiden Töchter, die gerade im richtigen Alter für solche Abenteuer sind. In der Hauptrolle ist Alina Freund zu sehen, die ihre Filmfigur mit Liebe und Inbrunst verkörpert. Die farbenreiche Geschichte ist ein Erlebnis für Klein und Groß.
2024