Filmfest Venedig
Poster zu den 63. Filmfestspielen von Venedig
Marco Müller gibt sich euphorisch
Feature: Morde und Zukunftsvisionen
Vom 30. August bis 09. September gehen die Filmfestspiele in Venedig in die 63. Runde. Dominiert wird der prominent besetzte Wettbewerb in diesem Jahr von Science Fiction-Epen und historischen Kriminalfällen.
erschienen am 28. 08. 2006
Filmfest Venedig: Goldener Löwe
Während im Hintergrund angesichts potentieller Terroranschläge die Sicherheitsvorkehrungen auf Hochtouren laufen, gibt sich Festivalchef Marco Müller nach außen hin euphorisch. Dazu gibt es in seinem dritten Amtsjahr auch allen Grund: Erstmals feiern alle 21 Wettbewerbsbeiträge auf dem Lido ihre Weltpremiere, zudem sind die Gäste illustrer denn je. Auffallend ist dabei nicht nur die starke Dominanz von Filmen aus den USA und Japan, sondern auch eine Zweiteilung in Zukunftsfiktionen und historische Kriminalfälle. Eröffnen wird das Festival von Brian De Palmas Film Noir-Werk "The Black Dahlia", das auf Basis des gleichnamigen Kriminalromans von James Ellroy von der grausamen Ermordung eines Hollywoodsternchens im Jahre 1947 erzählt. Josh Hartnett und Scarlett Johansson - seit den Dreharbeiten angeblich ein Paar - werden ihren Film genauso am Lido präsentieren wie Adrien Brody, Ben Affleck und Diane Lane, die mit "Hollywoodland" auf eine ähnlich strukturierte Kriminalgeschichte bauen: unter Regie von Allen Coulter ("Six Feet Under") beleuchten sie die mysteriösen Umstände des Todes von "Superman"-Darsteller George Reeves im Jahr 1959. Einen Mord behandelt auch der Ensemble-Films "Bobby", in dessen Zentrum die fiktiven Erlebnisse von 22 Personen am Vorabend der Ermordung von Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy am 6. Juni 1959 stehen. Sir Anthony Hopkins, Demi Moore und Lindsay Lohan sind drei der zahlreichen Weltstars, die den Film vor Ort bewerben werden. Paul Verhoeven dagegen mag es lieber altbacken: In seinem deutsch-niederländischen Beitrag "Zwartboek" behandelt er mit Beteiligung von Sebastian Koch und Christian Berkel eine jüdische Vergeltungsgeschichte im 2. Weltkrieg.
Jean-François Martin/Ricore Text
Internationale Filmfestspiele Venedig
Darren Aronofsky ("Requiem for a Dream") kehrt indes nach sechsjähriger Pause mit einem Paukenschlag in die Filmwelt zurück: Sein opulent inszeniertes Science Fiction-Epos "The Fountain" erzählt von Zeitreisen und einer tausend Jahre umfassenden Liebesaffäre zwischen Hugh Jackman und Rachel Weisz. Positives Ende ungewiss. Vermittelt die zwischenmenschliche Liebe in seiner fiktionalen Geschichte wenigstens einen Anflug von Hoffnung, kann Alfonso Cuarón ("Y tu mamá también - Lust for Life!") der Zukunft nichts Gutes abgewinnen: Seine Romanverfilmung "The Children of Men" spielt im Jahr 2027 und erzählt von dem kurz bevorstehenden Aussterben der Menschheit. Eine Regierungsagent (Clive Owen) versucht mit Hilfe der letzten überlebenden fruchtbaren Frau (Julianne Moore) die Welt vor dem aussichtslosen Untergang zu bewahren.

Während der Wettbewerb also mit starken Namen aufwarten kann, kommt das Festival außerhalb der offiziellen Sektion nicht zur Ruhe: Regiegigant Oliver Stone wird seine heiß umstrittene 9/11-Abhandlung "World Trade Center" präsentieren, Ethan Hawke gibt mit der Verfilmung seines Romans "The Hottest State" sein Regiedebüt und Altmeister David Lynch wird neben der Präsentation seines neuesten Werks "Inland Empire" mit dem goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt. Wer als Gewinner letztlich die Nachfolge von "Brokeback Mountain" antreten wird, bleibt also bis auf weiteres ungewiss. Viele Favoriten, wenig Schwächen. Die Filmfestspiele mögen beginnen.
erschienen am 28. August 2006
2024